Es war nicht meine Schuld. Thomas Spyra. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Spyra
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752919431
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und versuchte zu fliehen. «Halt die Klappe, du dumme Gans. Meinst vielleicht, du bist was Besseres, nur weil du in der Küche arbeitest!»

      Gewaltsam drückte er sie zu Boden, zerrte ihr derb den Rock hoch, drang brutal tief in die sich verzweifelt Wehrende ein, dabei grunzte er wie seine Schweine. Die Vierzehnjährige wusste überhaupt nicht, was mit ihr geschah.

      «Nein, nein - lass mich!», schluchzte sie.

      Je mehr sie bettelte, umso wilder wurde er. Rechts und links verpasste er ihr Ohrfeigen, schlug ihr roh auf den Mund, ihre Lippen sprangen auf, bluteten.

      Sie schrie laut kreischend: «Hilfe! - Hilfe!»

      Er lachte hämisch, hielt ihr den Mund zu: «Miststück sei endlich still!»

      Wie aus dem Nichts stand unvermittelt der Schweizer[Fußnote 9] Robert in der Tür, er hatte die Schreie bis in den Kuhstall gehört.

      «Friedrich, du Schweinehund!» Er riss ihn von der jungen Frau runter.

      «Mädchen, Mädchen, was hast du getan?», er half der heftig Zitternden auf.

      «Ich, ich weiß nicht», stotterte sie schluchzend, «ich - ich habe nichts gemacht, der hat mich von hinten überfallen!» Empört und wütend deutete sie auf den Schweinehirten.

      Robert nahm sein Taschentuch und drückte es Inge auf den Mund, «Hier trockne das Blut ab!»

      «Danke!» Vorsichtig tupfte sie sich die Lippen ab.

      «Warum läufst du auch so herum!» Er deutete auf ihren noch im Gürtel steckenden Rock. «Ihr jungen Dinger denkt euch nichts dabei, reizt uns Mannsbilder mit euren bis übers Knie nackten Beinen.»

      Fassungslos starrte sie den Mann an.

      «War doch nur wegen des Schmutzes auf dem Misthaufen, damit mein Rock sauber bleibt. Es war bestimmt nicht meine Schuld!» Tränen kullerten ihr übers Gesicht, sie schniefte und lief heulend in die Küche. Knallte den Eimer hin, den sie die ganze Zeit am Henkel festgehalten hatte.

      «Was ist passiert?», fragte die hinzueilende Spülmagd.

      «Nichts, bin nur hingefallen, ich geh jetzt in meine Kammer.»

      Sie schruppte sich in ihrer Waschschüssel das Blut und den Schmutz ab, bis alles wehtat. Der Ekel blieb, den konnte sie nicht so einfach abwaschen.

      Was habe ich falsch gemacht, war doch immer nur freundlich zu ihm? Leise heulte sie sich in den Schlaf.

      Sie bemerkte, dass ihre Blutungen ausblieben. In ihrer Verzweiflung vertraute sie sich der Küchenmamsell an.

      «So ein Scheißkerl, der wird dafür gerade stehen. Komm mit, wir berichten dies der alten Baronin.»

      Drei Wochen später wurden die beiden vom Pfarrer getraut. Niemand hatte Inge gefragt, ob sie heiraten wollte, es wurde über ihren Kopf hinweg beschlossen. Das ist Sünde, wenn man einen Mann vor der Ehe verführt und dann ein Kind bekommt.

      Sie fügte sich, genauso wie damals, als ihr Vater die Achtjährige hierher verkauft hatte. Inge hatte ihre Eltern nie wieder gesehen.

      Im Spätsommer 1878 wurde ihre Tochter Frieda geboren, es folgten in schnellen Abständen Sabine und Johann.

      Sie klagte der Küchenmamsell ihr Leid: «Ich will nicht jedes Jahr ein Kind von diesem Saufbold. Was soll ich machen? Wenn ich mich ihm verweigere, schlägt er mich grün und blau.»

      «Rede mit der Hebamme, die weis da Rat.»

      Einzig ihr Schwiegervater Fedor, der alte Hirte, gab ihr Trost, stand ihr bei, wenn ihr Mann wieder einmal brutal wurde.

      Er tadelte seinen Sohn: «Was bist du nur für ein Mensch? Du hast eine anständige fleißige Frau, warum schlägst du sie? Ich habe deine Mutter nie geschlagen.»

      «Was geht´s dich an. Hör auf, dich einzumischen! Das ist meine Frau und mit der kann ich tun und lassen, was ich will!»

      Inge flehte ihren Schwiegervater an: «Vater, bitte lass es sein, jedes Mal, wenn du ihn tadelst, muss ich es büßen, dann prügelt er mich brutaler.»

      Die Zeit verging, Fedor wurde im März neunundsechzig Jahre alt, war zufrieden. Im Sommer würde sein Sohn, die mittlerweile auf über zweihundert Stück angewachsene Schweineherde übernehmen. Freilich würde er ihm weiterhin dabei helfen, aber die Hauptarbeit lastete dann auf Friedrich. Fedor übernahm schwerpunktmäßig die Stallungen und die Räucherei. Der Schinken war auf den Märkten in Schlesien, ja selbst in Berlin, der Renner.

      Fedor schaute auf ein reiches und erfülltes Leben zurück. Wenn er zurückdachte, stimmte es ihn traurig, dass seine Frau so bald verstorben war. Fast täglich wechselte er die Blumen auf ihrem Grab, besprach Probleme mit ihr – was hätte Adelheid dazu gesagt.

      Einzig allein Friedrich bereitete ihm Kopfzerbrechen.

      An seiner Schwiegertochter und den drei Enkelkinder hatte er viel Freude. Die beiden Mädchen halfen schon ihrer Mutter im Haushalt und der kleine Johann lief dem Opa wie ein Hündchen hinterher.

      Fedor verbrachte wie so oft, seinen Feierabend in der Schwitzhütte, genoss den mit Fichtennadeln und Heublumen angereicherten Dampf.

      «Grüß dich Vater, heute brauche ich auch ein Dampfbad.» Inge betrat die Hütte.

      «Komm nur herein, gieß aber bitte noch einmal kräftig auf.»

      Sie bückte sich nach dem Wasserschöpfer, dabei verrutschte ihr Handtuch und Fedor sah den geschundenen Körper, überall Blutergüsse, alles grün und blau: «Dieses Schwein, was hat er dir angetan?»

      «Nichts, lass! Misch dich bitte da nicht ein!»

      «Nein, so geht das nicht weiter! Der schlägt dich noch tot!»

      Wutentbrannt verließ Fedor die Sauna und suchte seinen Sohn. Er fand ihn im Saustall sturzbesoffen im Stroh liegen.

      «Scheißkerl!» Wütend goss er dem Suffkopf einen Eimer eiskaltes Wasser über. Der grunzte nur und schlief weiter. Fedor wandte sich ab, lief zum Weiher und sprang hinein.

      Im Schnee- und Eiswinter 1885, rutschte Fedor beim Baden unglücklich im kleinen See unter das Eis. Es dauerte lange, bis die Helfer ihn befreiten. Der fast Neunundsechzigjährige erlitt aufgrund des Sauerstoffmangels einen Hirnschaden, blieb geistig für immer abwesend und auf Pflege angewiesen. Seine Schwiegertochter sorgte für ihn.

      «Ihr müsst mir beide dabei helfen, ich schaffe es nicht alleine», bat Inge ihre zwei Töchter. Die halfen ihr, so gut es ging. Sie fütterten und beaufsichtigten gerne ihren Großvater. Als er noch gesund war, hatte er oft kleine Tiere für sie geschnitzt und ihnen Geschichten vorgelesen.

      Mürrisch erledigte Friedrich nun alleine die Arbeit als Schweinehirte. Der neue Verwalter hatte ihn nicht gefragt. Es war selbstverständlich, dass der Sohn, die Aufgaben des Vaters mit übernahm.

      Täglich bei Sonnenaufgang trieb er fluchend die Schweine auf die Hutung, schnauzte jeden an, der ihm über den Weg lief. Er vergriff sich einmal beim Baron im Ton, da drohte dieser ihm mit Rausschmiss: «Ich bin nicht auf solche Sauf- und Querköpfe wie dich angewiesen! Dein Vater war ein ganz anderes Kaliber, auf ihn konnte man sich verlassen, hättest dir lieber ein Beispiel an ihm nehmen sollen. Du bist nur ein ungehobelter Taugenichts.»

      Brummend drehte sich der Schweineknecht um, ließ Baron von Streselitz einfach stehen, scherte sich nicht um dessen Schimpftirade.

      Mit seinen knapp fünfundvierzig Jahren sah Friedrich schon aus wie ein alter Mann mit Siebzig, das faltige Angesicht braun gebrannt von der täglichen Arbeit im Freien. Schmutz hatte sich in den tiefen Furchen seines Gesichtes festgesetzt.

      Der einst stattliche Mann war mit den Jahren immer dürrer und griesgrämiger geworden. Er sprach ein abgehacktes, mit polnisch durchmischtes Deutsch. Bemühte sich nicht etwas zu lernen. War mit sich und der Welt unzufrieden, hätte gerne mehr erreicht. Dazu bedurfte, es aber einer gewissen Anstrengung. Er gab allen anderen