Please stay with me. Lora Flynn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lora Flynn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753140179
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Hosentasche versteckt, während er in der anderen ein Glas mit einer goldbraunen Flüssigkeit hielt.

      Es war nicht ungewöhnlich, dass Dad sich hin und wieder einmal ein Glas Whiskey genehmigte, doch wusste ich genau, dass es in diesem Moment ein trauriger Versuch war, den Kummer, den ich ihm bereitete, mit Alkohol zu betäuben.

      Die Dämmerung draußen hatte bereits eingesetzt und dicke, weiße Schneeflocken rieselten hinter der Fensterscheibe leise vom Himmel herab.

      Bei meinem Eintreten rührte Dad sich nicht von der Stelle, als ahnte er auch ohne hinzusehen, dass ich es war. Selbst als ich ihn ansprach, strafte er mich weiterhin mit seinem Schweigen und so war ich gezwungen, eine gefühlte Ewigkeit einsam und verlassen im Raum zu stehen. Ich fühlte mich unwohl.

      Als Dad sich schließlich zu mir umdrehte und mich mit tieftraurigen Augen ansah, brach es mir fast das Herz. Ich konnte die Schuld sehen, die sich wie ein unsichtbarer Schleier über sein Gesicht legte. Er fühlte sich verantwortlich, schuldig für das, was mir angetan worden war. Er machte sich Vorwürfe. Ich wusste genau, was in diesem Moment in ihm vorging; nämlich als Vater versagt zu haben.

      Ich konnte gar nicht anders, als wortlos den Raum zu durchqueren und Dad in die Arme zu schließen, während ich mein Gesicht tief in dem weichen Baumwollstoff seines Hemdes vergrub. Offenbar hatte er mit einer Umarmung nicht gerechnet, denn er schien überrascht. Doch einen Augenblick später spürte ich auch schon seine Hand, die beruhigend meinen Rücken auf und ab strich. Einige Sekunden verharrten wir in dieser Position.

      »Du konntest es nicht wissen, Dad«, flüsterte ich ihm leise zu, was ein kläglicher Versuch war, ihm den Schmerz zu nehmen, der von nun an sein täglicher Begleiter sein sollte.

      Nachdem Dad sich ein wenig gesammelt hatte, bedeutete er mir, mich zu setzen. Mir war klar, dass nun der unangenehme Part folgen würde. Zu meiner Erleichterung zwang er mich jedoch nicht, ihm die ganze Geschichte in allen Einzelheiten zu erzählen. Womöglich hatte mein Bruder das bereits getan, aber trotz allem war ich einfach nur dankbar dafür gewesen, all die schrecklichen Momente nicht noch einmal durchleben zu müssen.

      Dennoch stellte Dad mir eine Bedingung - er verlangte, dass ich eine Therapie machte, womit ich sogar einverstanden war. Denn an dem Tag im Krankenhaus, als mein Bruder die Bombe hatte platzen lassen, war mir schmerzlichst bewusst geworden, dass ich mich meiner Vergangenheit stellen musste. Adam hatte Spuren auf meiner Seele hinterlassen. Narben, die niemals richtig verheilen würden, wenn ich sie nicht zusammenflickte. Also waren wir übereingekommen, einen geeigneten Psychologen aufzusuchen.

      Auf meine Frage hin, wie es Tante Carolyn ging und was denn nun mit Adam geschah, schüttelte Dad nur den Kopf und wieder trat dieser gequälte Ausdruck in seine Augen.

      »Carolyn hat mich gestern angerufen. Sie hofft, dass wir von einer Anzeige absehen und möchte ihn in eine Jugendpsychiatrie schicken«, dies war Dads knappe Antwort, ehe er wieder nach dem Whiskeyglas griff. Krampfhaft überlegte ich, welchen Weg ich wohl einschlagen sollte. Ich musste jedoch nicht groß darüber nachdenken, denn ich wusste jetzt schon, dass ich keine Anzeige erstatten wollte. Natürlich stand es außer Frage, dass das was Adam mir angetan hatte, unverzeihlich war. Aber ich dachte dabei nicht nur an Adam oder an mich, nein, ich dachte auch an Tante Carolyn. Sie hatte bereits so vieles durchgemacht, ich wollte ihr nicht noch mehr Schmerzen zufügen, indem ich gegen ihren Sohn Anzeige erstatten würde. Denn egal, was er mir angetan hatte, er war trotz allem immer noch ihr Sohn. Ihr Kind.

      Adam hatte ein gewaltiges, psychisches Problem und brauchte dringend Hilfe. Die sollte er auch bekommen. Also signalisierte ich meinem Dad mit einem Kopfschütteln, dass ich von einer Anzeige absah. Kurz beschlich mich das Gefühl, dass er sich das Gegenteil erhofft hatte. Oder aber er war selbst unschlüssig, wie er mit dieser Situation umgehen sollte. Dad saß im wahrsten Sinne des Wortes zwischen den Stühlen. Immerhin ging es hier auch um seine Schwester, die er über alles liebte. Es war für alle Beteiligten eine furchtbar schlimme und ausweglose Situation.

      Ich war mir jedoch sicher, dass Dad zu mir stehen würde, selbst wenn ich mich dazu entschieden hätte, auf eine Anzeige zu bestehen, was sein Verhältnis zu Tante Carolyn womöglich zerstört hätte. Dads Liebe zu seinen Kindern war bedingungslos, auch wenn er sie nicht immer offen zeigte. Allein der Gedanke daran, gab mir Kraft.

      Ich beschloss, Dad erst einmal alleine zu lassen und erhob mich von dem Stuhl. Doch Dad schien noch etwas auf dem Herzen zu haben, denn gerade als ich Anstalten machte zur Tür zu gehen, hielt er mich zurück.

      »Drea, da ist noch etwas worüber wir uns unterhalten müssen.«

      Ich hielt mitten in der Bewegung inne. Mein Herzschlag beschleunigte sich und in meinem Magen begann sich ein ungutes Gefühl auszubreiten. Ich ahnte bereits, worüber Dad mit mir sprechen wollte. Die ganze Zeit hatte ich den Gedanken daran verdrängt, versucht ihn zu ignorieren, so zu tun, als wäre all das nicht passiert. Doch es war nur eine Frage der Zeit, bis Dad mich auf dieses eine Thema angesprochen hätte.

      Ich nahm einen tiefen Atemzug, um mich dem, was nun auf mich zukam, zu stellen und drehte ich mich zu Dad um. Diesmal hatte sein Gesicht einen anderen Ausdruck angenommen. Von der Traurigkeit, die ihm zuvor noch anzusehen war, fehlte jegliche Spur.

      Stattdessen strahlte Dad nun eine so heftige Ernsthaftigkeit aus, dass es mir die Kehle zuschnürte. Und dann sprach er das Thema an, vor dem ich mich am meisten gefürchtet hatte.

      »Ich muss dich das jetzt fragen, Drea«, er legte eine bedeutungsvolle Pause ein, ehe er weitersprach.

      »Hattest du Sex mit deinem Lehrer?«

      Geschockt starrte ich ihn an.

      Mir wich alle Farbe aus dem Gesicht, wenngleich diese Frage mehr als berechtigt war. Kurz darauf spürte ich auch schon, wie mir allmählich das Blut ins Gesicht schoss und ich bis zu den Haarwurzeln errötete.

      »Dad! Ich...«, peinlich berührt schüttelte ich hastig den Kopf. »Wie kannst du nur so etwas fragen?«

      »Das war kein Nein«, der Blick aus Dads braunen Augen war kalt, beinahe schon gefühllos. Doch wenn es um die eigenen Töchter ging, kannten Väter wohl keine Gnade. Besonders meiner nicht. Schon bei Danny hatte es Ewigkeiten gedauert, bis er es überhaupt einmal für nötig hielt ihn zu begrüßen, wenn er zu Besuch kam.

      Ja, es war nicht selten, dass sobald die Töchter zum ersten Mal einen Freund mit nach Hause brachten, die Väter sich nur zu gut an ihre eigene Sturm-und-Drang-Zeit erinnerten. Eine wilde Jugend, die ersten aufkeimenden Gefühle für das andere Geschlecht... Die Angst davor, dass die Tochter mit einem Jungen zusammen war, der gerade in derselben Entdeckungsphase steckte, bescherte jedem Vater wohl die ersten grauen Haare.

      »Ich erwarte eine Antwort, Drea.«

      »Dad!«, meine Wangen glühten. »Natürlich nicht!«

      Nun ja, was nicht bedeutete, dass ich es nicht versucht hätte… fügte ich gedanklich an, aber das musste ich meinem Dad ja nicht auf die Nase binden. Es war ohnehin schon ungemein peinlich, mit ihm darüber zu sprechen. Es war mir sogar so unangenehm, dass ich ihm nicht einmal in die Augen schauen konnte. Dennoch spürte ich unentwegt seinen bohrenden Blick, als könnte er auf diese Weise herausfinden, ob ich die Wahrheit sagte oder ob ich log.

      Unwillkürlich überkam mich ein schlechtes Gewissen. Obwohl ich, wenn man es genau nahm, ja ehrlich zu ihm war, denn ich hatte nicht mit Logan geschlafen. Allerdings verschwieg ich Dad die Tatsache, dass wir mehr als einmal die Gelegenheit dazu gehabt hätten. Wenngleich ich mir sicher war, dass Dad sich seinen Teil bereits denken konnte. Immerhin hatte er ja bereits mit Logan gesprochen. Ein Gespräch, von dem ich nach wie vor nicht wusste, welchen Ausgang es wohl genommen hatte.

      Dad seufzte.

      »Drea«, begann er nun in einem gefährlich ruhigen Tonfall. »Ich habe in den letzten zwei Tagen sehr lange überlegt, ob ich mich mit der Schulleitung in Verbindung setzen soll oder nicht...«, noch ehe Dad weitersprechen konnte, sprang ich aufgebracht vom Stuhl.

      »Dad! Das kannst du nicht tun! Logan hat nichts Verbotenes getan! Er ist ein guter Mensch und ich schwöre