Samruk - Alte Schwüre. Nina Heyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nina Heyer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753189659
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waren, wurden regelmäßig vom Dienstmädchen abgestaubt - ansonsten blieben sie jedoch ungenutzt und ungesehen. Teure Marmor- und Parkettböden zogen sich durch das gesamte Gebäude.

      Der Weg zum Arbeitszimmer führte den alten Mann durch matt erleuchtete Flure, die mit edlen Vorhängen und dezenten Kunstwerken geschmückt waren. Fast war man an eine Ausstellung erinnert, zu der Champagner getrunken und Häppchen gereicht werden. Aber auch hier war alles still und kaum einer sah die teuren Gemälde und Büsten. Niemand außer ihr Besitzer und die paar Hausangestellten, denen es erlaubt war, sich in diesem Teil des Gebäudes aufzuhalten.

      De Santi musste dem Chauffeur nicht sagen, wo der Mercedes zu parken war, oder dem Dienstmädchen, dass er nicht gestört werden wollte. Seine Bediensteten arbeiteten seit langer Zeit für ihn und wussten, was zu tun war. Umso mehr störte es ihn, Leute von außerhalb engagieren zu müssen. Er hatte lange recherchiert und die beiden Engländer waren gut. Nicht die Besten, aber die beiden arbeiteten allein und hatten keine Familien. Niemand würde sie wirklich vermissen, nachdem die Aufträge erledigt waren. Ping würde wie immer gute und diskrete Arbeit leisten.

      De Santi betrachtete den neuesten Bericht seines Onkologen, den er beim Hereinkommen auf dem Schreibtisch abgelegt hatte. In dem blickdichten, grauen Kunststoffumschlag wartete eine neue Version seines Todesurteils. Sobald er sein Ziel erreicht hatte, müsste der Arzt aus dem Weg geschafft werden. Das wäre leichter, als erklären zu müssen, warum der golfballgroße Tumor in seinem Gehirn plötzlich verschwunden war.

      3.

      Zurück im Hotel, dass die erste Adresse für Kakerlaken zu sein schien und drei verschiedene Arten von Schimmelpilz anbot, ließ Napier sich rückwärts auf sein Bett fallen und starrte nachdenklich an die fleckige, gelbe Decke. Das war bei weitem kein schöner Anblick, aber der Engländer war so in Gedanken versunken, dass ihn selbst der muffige Geruch des ungemachten Bettes nicht störte.

      »Nichts in die Luft sprengen ... okay, schon klar. Das Gebäude ist ja auch schon ziemlich alt ... wäre eine Schande ... wir sind ja auch schließlich nicht bei »Stirb langsam«... es muss nicht immer Sprengstoff sein ...«

      In Gedanken ging er die Strecke durch, die sie zur Kirche nehmen würden, wo er mit dem Van Aufstellung beziehen würde und welcher Route Silas folgen müsste, um möglichst unbemerkt in das Gebäude zu gelangen. Als sein imaginärer Silas gerade den Glockenturm hinaufkletterte, um sich von dort aus Zugang zu verschaffen, klopfte es kurz an der Tür. Silas trat ein. Wie üblich mit völlig neutralem Gesichtsausdruck. Seine Gesichtsmuskeln würden sich für einen Lottogewinn genauso wenig bewegen, wie für eine blutig-feurige Apokalypse. Napier setzte sich auf.

       »Pass auf. Du wirst vom Dach des Vans aus einer Route über die Dächer folgen, bis du an der Kirche bist. Dann schießt du den Haken rüber und kletterst am Glockenturm hoch, an dessen Spitze sich eine Klappe befinden müsste, durch die du ...«

      »Nein.«

      »Nein?«

      »Ich nehme die Tür.«

      Napier dachte nach.

      »Naja, mit dem Dietrich kommen wir bei so einem massiven Schloss nicht weit, aber mit ein bisschen Plastiksprengstoff könnten wir es aufbekommen. Wir müssten nur einen Weg finden, die Explosion etwas zu dämpfen, wenn ...«

      Silas warf ihm etwas zu und Napier fing es reflexartig auf.

      »Was ... Oh, okay. Du hast den Schlüssel. Nett. Wirklich nett. Wärst du so frei, mir mitzuteilen, wie du den organisiert hast?«

      »Das ist der Zweitschlüssel für den Nebeneingang. Ich habe ihn aus dem Büro der Verwaltung. Es liegt nicht weit von der Kirche entfernt. Ich habe nur mal vorbeigeschaut. Mit den Details will ich dich nicht langweilen.«

      »Hast wohl mal wieder unverschämtes Glück gehabt, was?«, brummte Napier genervt.

      Silas hatte früh eine Begabung dafür gezeigt, sich, trotz seiner Größe, so unauffällig irgendwo zu platzieren, dass er kaum wahrgenommen wurde. Er konnte im Rahmen eines Auftrags eine Stunde lang gegenüber eines Wohnhauses stehen, um jemanden zu beschatten und kaum einer hätte hinterher beschreiben können, wie er aussah, oder sich daran erinnert, dass überhaupt jemand dort gestanden hatte. Gerade bei Fällen, in denen es darum ging, untreue Ehefrauen zu entlarven, war diese Gabe extrem hilfreich. Mehr als einmal war es vorgekommen, dass die werte Dame sich ausgiebig in der Unterwäscheabteilung eines Kaufhauses umsah, und wo Napier sofort sämtliche Blicke auf sich gezogen und den Stempel des Voyeurs erhalten hätte, konnte Silas sich einfach entspannt an eine Wand lehnen und beobachten. Es war nicht so, dass er für die Leute unsichtbar war; man hatte eher den Eindruck, er gehöre dorthin. Genau an den Platz, wo er gerade stand. Egal wo das war.

      Die Zeiten in denen sie einsamen Hausfrauen hinterherspionieren mussten, um ihre Brötchen zu verdienen, waren vorbei. Aber Silas Begabung, wenn man es so nennen wollte, war immer noch hilfreich. Er konnte sich fast überall aufhalten, ohne dass jemand Fragen stellte.

      »Ich habe einfach auf die richtige Gelegenheit gewartet. Der Rest war logisches Denken und ein wenig Geschick. So schwer war es nicht.«

      »Ja, ja, Mister-Alleskönner. Und wie gedenkst du den Stein zu öffnen? Stellst du dich daneben und »wartest auf die richtige Gelegenheit«?« Napiers Finger beschrieben vor seinem Gesicht Gänsefüßchen.

      »Ich hatte gehofft, dass du mittlerweile eine Idee dazu hättest«, erwiderte Silas trocken und nahm sich eine Flasche Mineralwasser aus der Mini-Bar.

      »Ich habe die letzten Stunden damit verbacht, mir einen Schlachtplan zu überlegen, der ja nun völlig überflüssig zu sein scheint, weil du einfach wieder auf eigene Faust losgezogen bist, ohne mich zu informieren und STELL DAS ZURÜCK!! Hast du eine Ahnung, wie viel die Mini-Bar kostet? Das ist doch alles Abzocke!«

      Schmollend ging Napier zum Fenster, öffnete es und steckte sich eine Zigarette in den Mund. Seine Hände tasteten über die ausgebeulten Taschen seiner Cordhose nach einem der billigen Plastikfeuerzeuge, die überall in seiner Garderobe zu finden waren.

      Silas ließ sich auf der Bettkante nieder und ließ eine Minute vergehen. Erfahrungsgemäß war das der Zeitraum, den es nach den kurzen Ausbrüchen seines Freundes bedurfte, bis er wieder eine vernünftige Antwort von ihm erwarten konnte.

      »Also. Hast du schon eine Idee?«

      »Säure«, antwortete Napier, ohne sich vom Fenster wegzudrehen.

      »Ich habe da an ein Gemisch aus Fluorsulfonsäure und etwas von dem Zeug gedacht, dass wir aus dem Labor in Genf haben mitgehen lassen. Alles was ich brauche, ist im Van. Ich muss nur noch etwas finden, womit du die Flüssigkeit möglichst genau auftragen kannst, ohne ein paar Finger dabei zu verlieren.«

      »Haben wir einen Plan B?«

      »Sprengstoff.«

      »Den wir nicht verwenden dürfen.«

      »Richtig.«

      »Also haben wir keinen Plan B.«

      Mit einem Seufzer warf Napier die Zigarette aus dem Fenster und ging zur Tür.

      »Ich mach’ mich an die Arbeit.«

      4.

      Ping holte aus, stach zu, holte wieder aus. Wie ein Uhrwerk stach sie auf den leblosen Körper unter sich ein. Blut spritzte bei jedem weiten Ausholen durch das Schlafzimmer, der beige Teppich hatte die Flüssigkeit bereits literweise aufgesogen und trotzdem stach Ping weiter auf die Leiche ein. Schweiß ran vor Anstrengung an ihrem nackten Körper hinunter, aber darüber machte sie sich keine Sorgen. Die Sprühdose, die sie dabei hatte, enthielt ein Mittel, das jegliche DNA zerstörte, aber selbst wenn ein Haar, ein Schweißtropfen von ihr gefunden werden sollte, war es recht unwahrscheinlich, dass man sie in irgendeiner Datenbank fand. Offiziell existierte sie nicht. Ping Yu war in einem Internierungscamp in Nord-Korea, zusammen mit ihren Eltern und den zwei Brüdern gestorben.

      Sie ließ das Messer sinken und massierte sich den Oberarm, der von der Anstrengung schmerzte. Ihre Hand hinterließ einen roten Abdruck auf der schneeweißen