Samruk - Alte Schwüre. Nina Heyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nina Heyer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753189659
Скачать книгу
sie es zu tun haben.«

      Samruk hörte das Scheppern von Waffen und das Stampfen schwerer Körper, die sich einen Weg durch den Tunnel bahnten. Bevor er etwas sagen konnte, hatte Valerius sich umgedreht und war wieder im Tunnel verschwunden. Kurz darauf hallte der laute Kampfschrei seines Freundes in dem Gewölbe wieder und die Schmerzensschreie seiner Gegner ließen vermuten, dass er mehr als einen Treffer landete.

      Samruk wusste, dass er nichts mehr für Valerius tun konnte. Als dieser im Eingang gelehnt hatte, war hinter ihm bereits der Schatten der Brücke zu sehen gewesen, über die seine Seele gehen musste, um sich der letzten Prüfung zu unterziehen.

      Der Kampflärm brach ab und Stille machte sich breit. Vorsichtige Schritte näherten sich der Kammer.

      Als Ketill das Gewölbe betrat, fiel sein erster Blick auf die Stele, die sich in der Mitte des Raumes befand. Kampfbereit hielt er das mit frischem Blut befleckte Schwert vor sich, jederzeit mit einem Hinterhalt rechnend. Der Soldat war nicht hier herunter gelaufen um sich zu verstecken. Er hatte gekämpft, als würde er etwas verteidigen, und hatte selbst mit letzter Kraft noch versucht, Ketill und seine Männer aufzuhalten, obwohl er gewusst haben musste, wie sinnlos das war. Trotzdem waren zwei Männer seiner Sippe im Tunnel hinter ihm gefallen und Ketill selbst hatte seinem Gegner daraufhin einen schnellen Tod beschert, indem er ihm mit seinem Breitschwert den Kopf abschlug. Kein leichtes Unterfangen in der Enge des Tunnels.

      Nun war er neugierig auf das, was sich hier unten verbarg. Er musterte die nackten Steinwände, die Decke, den Boden und kam zu dem Schluss, dass der einzige Ort an dem sich etwas oder jemand verstecken konnte, die Stele war. Er gab seinen Männern ein Zeichen und sie näherten sich leise von beiden Seiten dem Stein, in den das Abbild eines Menschen gemeißelt war, der einen Stier mit seinem Dolch tötete. Nichts geschah. Seine Männer umrundeten den Stein, ohne etwas zu entdecken. Undeutliche Fußspuren von mindestens zwei Personen waren im Sand zu sehen, einer davon war vermutlich der Legionär gewesen, dessen Blut im Tunnel hinter ihnen den Boden rot färbte. Von der anderen Person fehlte jede Spur. Noch einmal sah er sich genau die Wände und die Stele an, konnte aber nichts Auffälliges entdecken. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass hier etwas nicht stimmte, aber seine Augen und Ohren boten keine Hinweise und so gab er seinen Männern den Wink zum Rückzug. Sie hatten vor, so viel Beute wie möglich zu machen, und Schätze oder vollbusige Schönheiten schien es in diesem Keller nicht zu geben.

      Samruk sah den Barbaren hinterher, als sie sein Heiligtum verließen. Er würde noch eine Weile auf dem Altar sitzen bleiben, um sicherzugehen, dass sie nicht wiederkamen und Nachforschungen anstellten. Er hatte jetzt alle Zeit der Welt.

      Selbst wenn die Barbarenhorden siegten, würde die Ewige Stadt bestehen bleiben. Viele würden in dieser Nacht noch ihr Leben lassen, aber das ging ihn nichts an. Seine Aufgabe war es, Wache zu halten. Allein.

      In seinen Gedanken erschien das blutüberströmte, lächelnde Gesicht seines Gefährten. Samruk schloss die Augen und eine einzelne Träne lief über seine Wange. Die Erste in tausend Jahren.

      1.

      Mrs. Wenda Booner war genervt.

      Mr. Booner hatte darauf bestanden, dass sie sich diese unauffällige, nichtssagende, langweilige, kleine Kirche ansahen, in die sich kaum ein Tourist verirrte (was Mrs. Booners Überzeugung, dass dieses Bauwerk völlig uninteressant sein musste, nur noch bestätigte) und nun stapfte sie ziellos durch das Kirchenschiff und sehnte sich nach der Shoppingmeile, wo sie Gucci und Armani durch die Schaufenster bestaunen konnte. Kaufen konnte sie dort natürlich nichts. Wie es sich, ihrer Meinung nach, für eine vernünftige, amerikanische Ehefrau ziemte, kümmerte sie sich daheim um den Haushalt und sorgte dafür, dass Mr. Booner etwas Vernünftiges zu essen bekam, wenn er abends von seinem Job im Gebrauchtwagenhandel nach Hause kam. Das schränkte zwar die finanziellen Mittel etwas ein, aber für diese Italienreise hatte es ja schließlich auch gereicht.

      »Wenn Sie nun bitte den Blick nach rechts lenken würden, wo Sie die wunderschöne Apsis dieser Kirche erblicken können. Die Mosaike aus dem zwölften Jahrhundert zeigen den Triumph des Kreuzes, wobei die zwölf abgebildeten Schafe als Symbole für die zwölf Apostel zu verstehen sind.«

      Ihr Ehemann hatte sich einer kleinen Gruppe angeschlossen, die aufmerksam einer jungen, hübschen Italienerin lauschte, die in ihrem gebrochenen aber charmanten Englisch versuchte, den Rom-Touristen etwas Kultur zu vermitteln und dabei ausladende Gesten machte.

      Wenda Booner hatte sich schnell gelangweilt und der starke Akzent des Mädchens ging ihr auf die Nerven. Englisch war doch nun nicht so schwierig - da konnte man es doch auch bitte vernünftig lernen.

      Und was sollte dieser Quatsch mit den Schafen? Wenda war sich sicher, dass die junge Frau sich irrte. Die Apostel mit schmutzigen Wiederkäuern zu vergleichen, kam doch der Gotteslästerung gewiss ziemlich nah.

      Wenda blieb vor einer schmalen Treppe stehen, neben der ein Schild angebracht war.

       MITHRÄUM

      Darunter zeigte ein Pfeil die Treppe hinab. Sie schaute sich um und stellte zu ihrem Entsetzen fest, dass die Touristengruppe sich noch keinen Zentimeter bewegt hatte und ihr Mann nach wie vor gebannt an den Lippen (und dem Ausschnitt) der jungen Touristenführerin hing. Mrs. Booner hatte ihre besten Jahre hinter sich und hätte in dem leichten Sommerkleid dieses Mädchens ausgesehen wie eine Presswurst, also konnte man Mr. Booner keinen Vorwurf aus seiner Faszination machen. Aber niemand zwang sie dazu, sich dieses Spektakel auch noch anzuschauen.

      Sie ergriff mit ihren kurzen, dicken Fingern das dürre Geländer und machte sich an den Abstieg. Die Steinstufen waren uralt und uneben, aber sie erreichte unbeschadet den Fuß der Treppe und sah sich um. Vor ihr führte ein kurzer Tunnel, an dessen Wänden elektrische Leuchten durch lange Kabel miteinander verbunden waren, in ein Gewölbe, das nicht mehr war, als ein schmaler, muffiger Keller. In der Mitte des Raums ragte eine Stele auf, die Wendas Blick auf sich zog.Sie ging darauf zu und betrachtete gerade das gemeißelte Bild eines jungen Mannes, der einen Stier bezwang, als hinter ihr Schritte erklangen und zwei Männer sich zu ihr gesellten.

      Der kleinere der beiden hielt einen Reiseführer in der Hand und lächelte ihr freundlich zu. Der Größere schien sie nicht wahrzunehmen und sah sich stattdessen mit offenkundigem Interesse die Wände und Decke des Gewölbes an. Der Kleinere stellte sich neben sie und betrachtete das antike Kunstwerk. Er hatte in etwa Wendas Körpergröße, die mit ihren 165 Zentimetern gewiss keine Modellmaße besaß. Über seinen Gürtel wölbte sich ein Bauchansatz und sein Gesicht war rundlich, was durch die ebenfalls runden Brillengläser noch betont wurde. Das Haar trug er raspelkurz und seine Geheimratsecken waren bereits unaufhaltsam auf dem Vormarsch, obwohl der Mann nicht älter als 35 sein konnte. Attraktiv war er gewiss nicht, aber sein offener, neugieriger Blick und der lässige Gang, machten ihn auf gewisse Weise interessant. Graue Augen blitzten Wenda vergnügt an und als der Mann sprach, konnte man eine große Lücke in der oberen Zahnreihe ausmachen. Irgendwie machte ihn das noch charmanter.

      »Wunderschön, nicht wahr? Die Stele des Mithras. Einfach faszinierend«, sagte er an Wenda gewandt. Solch einen britischen Akzent kannte sie bislang nur aus dem Fernsehen. In Georgia gab es keine Engländer - zumindest keine, die mit einer pummeligen Hausfrau in roten Shorts Tee getrunken und Shortbread geknabbert hätten, und so war Wenda hoffnungslos unvorbereitet auf die anrollende Charmeoffensive.

      »Sie sind Amerikanerin?«

      »Ähm ... ja. Aus Augusta, Georgia«, antwortete sie in breitem Südstaatenakzent. »Woher wissen sie das?«

      »Ich habe sie oben mit diesem älteren Herrn sprechen hören. Sie reisen mit ihrem Vater?«

      Einen Moment lang schaute Wenda noch verdutzter drein als sonst. Dann fiel der Groschen. Sie kicherte.

      »Sie meinen Mr. Booner? Ach, du meine Güte, das ist mein Ehemann. Er ist erst achtundvierzig.«

      Der Engländer blickte erstaunt drein.

      »Da beneide ich Sie wirklich! Das muss Liebe sein, die über solch einen Altersunterschied hinweg besteht.«

      Wenda errötete heftig.

      »Aber