Männer sind auch nur Menschen. H. G Götz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: H. G Götz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753188522
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und nach füllte sich sein Kopf mit Dingen, die er sich heute vorgenommen hatte.

      Früher, zu Zeiten als er sich noch als Development Manager einer Restaurantkette verdingt hatte, war ihm diese Gefühlsduselei fremd gewesen. Kein Verständnis hatte er dafür gezeigt, wenn einer seiner Mitarbeiter in seiner Leistung nachließ, nur weil er Probleme in der Familie hatte, jemand von seiner Freundin oder von seinem Freund verlassen wurde und sich deswegen nicht auf seinen Job konzentrieren konnte. „Wenn du deinen Job nicht mehr machen kannst, dann lass es mich einfach wissen. Ich such mir jemanden der es kann“, hatte er mehr als nur einmal zu jemandem seines Teams gesagt. Besonders allergisch reagierte er darauf, wenn er herausfand das Liebeskummer denjenigen davon abhielt seinen Job so zu machen, wie er es erwartete. „Ich hab´ keine Zeit für diese Schwachheiten“, meinte er einmal. „Lass deinen Herzschmerz zuhause und konzentrier´ dich auf deinen Job.“ Bis ihm eines Tages bewusst wurde, dass er plötzlich mit denselben Problemen zu kämpfen hatte, die er damals anderen abgesprochen hatte. „Karma. Scheiß Karma!“

      „Karma“, hatte er einst zu einem Kollegen gesagt. „Hör mir auf mit dem Scheiß!“ Nur um nun herauszufinden, dass ihn dieses, sein Karma, oder wie immer sich das Ding nannte, mit schöner Regelmäßigkeit besuchte, um ihn mit schöner Regelmäßigkeit in den Arsch zu treten. Als er seine Tasse leer getrunken hatte, einen Moment den er verabscheute, war er doch gezwungen sich mit leidigen Tatsache auseinanderzusetzen, sich eine neue holen zu müssen stand er auf, ging zurück ins Haus und freute sich darauf, dass er in spätestens drei Minuten wieder an jenem Ort zurück sein konnte, an dem es ihm wenigstens zeitweilig gelang, sich wohl zu fühlen.

       Sarahs Besuch

      Als er wieder aus dem Haus kam, um sich noch ein wenig von seiner Lieblingszeit zu gönnen, saß sie da. Auf der kleinen Bank, gleich neben seinem geliebten Rosenstock.

      Auf seinem Platz!

      Fast wäre er vor lauter Schreck stehengeblieben. Doch damit hätte er sich eine Blöße gegeben, die sie nicht sehen durfte. Er durfte ihr auf keinen Fall zeigen, dass ihm ihre Gegenwart in Verlegenheit brachte. Vielleicht sogar zusetzte

      „Guten Morgen“, rief sie ihm von der Bank aus zu.

      Phil hob seine Tasse zum Gruß. Das sollte als Gruß „Möchtest du auch einen Kaffee“, fragte er sie im Gehen.

      „Nein danke“, erwiderte sie. Ich hab´ mein Quantum heute schon gehabt.“ Obwohl er es nicht wollte, konnte er nichts dagegen tun, dass er mit gesenktem Blick weiter ging. Erst als er bei ihr ankam, hob er den Kopf und sah sie direkt an.

      „Wie geht’s dir“, fragte sie.

      Phil setzte sich, achtete darauf das er seinen Kaffee nichts verschüttete.

      „Mir geht’s gut, danke.“

      „Ich hab´ mir gedacht ich schau einfach mal vorbei und sag Guten Morgen“, sagte Sarah.

      Wo hast du denn die kleine Prinzessin gelassen“, wollte er von ihr wissen.

      „Emily ist heute bei ihrem Vater. Du weißt ja, alle zwei Wochen ist sie bei ihm.“

      „Ach ja“, erinnerte er sich.

      „Ist ihm wieder mal eingefallen, dass er Vater ist.“ Eigentlich hatte er sich vorgenommen seinem immer wieder auftauchenden Sarkasmus abzuschwören, doch hatte sich diese Selbstkasteiung als mitunter recht schwierig erwiesen.

      „Ja, manchmal fällt es ihm wieder ein“, gab Sarah trocken zurück. „Gibt es einen speziellen Grund, warum du so früh am Morgen vorbeikommst, oder …“, wollte er von ihr wissen. „Nein.“ gab sie zurück. Ich wollt´ einfach nur mal so vorbeikommen und Hallo sagen. Aber wenn ich dich störe, kann ich auch wieder gehen“, erwiderte sie.

      „Nein, nein, alles gut“, antwortete Phil, der sich wünschte er hätte den Mumm gehabt, um ihr die Wahrheit zu sagen.

      „Die Wahrheit? In Wahrheit würdest du lieber vor Freude um den Rosenstück tanzen“, gestand er sich schließlich selbst ein.“

      Schließlich erinnerte er sich doch daran, dass es galt, die Contenance zu halten. In Wahrheit, der wirklichen, freute es ihn, dass er sie wieder mal zu Gesicht bekam. Das Herz hüpfte ihm bis zum Hals, während sein Innerstes einen Salto nach dem anderen vollführte.

      „Toll Alter. Sie hat dich noch genauso im Griff, wie du es nicht haben wolltest!“

      „Ich war nur überrascht, dich zu sehen. Wann sind wir uns eigentlich das letzte Mal über den Weg gelaufen“, wollte er von ihr wissen. „Das ist doch schon wieder drei Wochen her, oder?“

      Er sah sie fragend an. Nicht etwa, weil das ihre

      Antwort beschleunigt hätte. Es war vielmehr eine Gelegenheit sie anzusehen. Und er tat es gerne.

      Ungehindert der Tatsache, dass es ihn wieder für den Rest des Tages verfolgen würde. Wieder fühlte er wie sich dieses Etwas in ihm regte, von dem er sich wünschte, dass es nicht da wäre.

      „Hmm, ja ich glaub das ist schon wieder drei Wochen her“, sagte Sarah seine Schätzung bestätigend.

      Da war sie wieder. Diese Situation, vor der er sich zugleich fürchtete und die er doch jedes Mal herbeisehnte. Dieses Gefühl, das jedes Mal von ihm Besitz ergriff, wenn er sie sah. Zwiespältig war es. Freude und Widerwillen die sich miteinander vermischten bis sie für ihn nicht mehr zu trennen waren. Die ihn unfähig machten, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Sich dafür selbst hassend, sich verachtend, ob seiner Schwäche dem Gefühl ihr gegenüber, von dem er nicht wusste, wie er es los werden sollte.

      „Will ich denn überhaupt, dass es weg geht? Will ich überhaupt, dass es mir eines Tages gelingt nichts, absolut nichts für sie zu empfinden?“

      Er gab sich selbst die Antwort: „Naaa!“ Eine Wahrheit, die ihn erschreckte. Vor der er sich fürchtete.

      So saßen sie eine Weile stumm da, betrachteten die Landschaft, die vor ihnen lag. Phil genoss die Stille, in der sie saßen. Es vermittelte ihm den Eindruck von vertrauter Zweisamkeit. Fast wäre er versucht sich als Teil dieses Paares zu fühlen, dass keines war. Nur mit Mühe konnte er verhindern, dass sich diese Empfindung weiter in ihm festsaugte. Und wieder verstand er die Welt, verstand sich nicht mehr. „Warum hast du nicht jeden Kontakt zu ihr abgebrochen?“

      „Diese Lügen die sie dir aufgetischt hat! Jede andere und du musst zugeben, dass es da einige gab, hättest du dafür in den Wind geschossen!“ Er atmete einmal tief durch.

      „Naja, nicht alle…!“ Warum sollte er als jetzt damit anfangen?

      Es hatte ihm auch nichts geholfen, dass er in jenen Momenten, in welchen er sich in Hass und Rage geredet hatte (einen Versuch war es wert) wegen der Lügen die sie ihm aufgetischt hatte, zum Teufel oder zu sonst wohin zu wünschen. Um sich dann doch wieder mit seiner eigenen Unfähigkeit konfrontiert zu sehen, genau dies nicht zu tun. Trotzdem oder gerade deswegen, weil ihm Bernd dazu geraten hatten, die „Schlampe in die Wüste zu schicken…!“

      „Wenn sie das mit mir gemacht hätte, hätte ich ihr den Kopf abgerissen“, hatte er einmal zu ihm gesagt.

      Fast wären sie sich deswegen in die Haare geraten. Trotz allem saßen sie nun hier auf dieser Bank. Redeten darüber wie es Emily, ihrer Tochter ging, die er kennen und lieben gelernt hatte und wann sie sich das letzte Mal gesehen hatten. So, als wäre nichts geschehen.

      „Weißt du was mich immer noch wundert“, wollte Sarah plötzlich von ihm wissen.

      „Was denn“, fragte er sie ohne seinen Blick vom Tal zu lösen.

      „Warum du trotz allem hiergeblieben bist?“

      Schon ging es wieder los!

      „Wie macht sie das? Kaum sitzt sie drei Minuten hier, hat sie mich schon wieder auf die nicht vorhandene Palme gebracht.

      Er verstand nicht, wie sie diese Frage – wie oft hatte sie ihm diese eigentlich gestellt – wieder und immer wieder stellen konnte!