Immer wieder überkam ihn ein flüchtiges Lächeln, wenn er daran dachte wie verrückt seine Vorgehensweise ist. „Na ja- verrückter Job, verrücktes Denken“, dachte er nur, als aufkommender Wind ihn etwas frösteln lies.
Zwei Stunden waren vergangen. Steve lag halb auf Fels und halb im Schnee. Mit seinen fünfundvierzig Jahren war er nicht mehr so Kälteresistent wie noch vor zehn Jahren. Schon länger beschäftigte ihn der Gedanke, den Job endlich an den Nagel zu hängen und einen normal-bürgerlichen Job anzunehmen. Einer seiner drei erlernten Jobs war Holzfäller. Eine kleine Firma in Kanada als Holzfäller könnte ihm gefallen. Die Kohle, um nach Kanada auszuwandern, hatte er längst beiseitegeschafft.
Sein Puls schoss plötzlich nach oben, als er im Fadenkreuz den schwarzen SUV und sein Begleitfahrzeug dieses schmierigen Typen sah.
Was nun kam, tat ihm unglaublich in der Seele weh. Er musste warten, bis dieser widerliche Abschaum das Mädchen fertig vergewaltigt hatte. Einfach daruntergehen und sich auf eine Schießerei mit den Bodyguards einzulassen, war viel zu gefährlich.
Die Chance, dass die Kleine dabei verletzt würde, war dann doch zu groß. Schließlich hatten die Eltern viel Geld dafür gezahlt, nachdem die Polizei keine Handhabe hatte, sie frei zu bekommen.
Einmal stand der fette Wichser schon vor Gericht, hatte sich aber freikaufen können. Jetzt wollten die Eltern der Kleinen ihn unbedingt tot sehen.
Noch ein letztes Mal ging er im Kopf alles durch: „Escobar geht in die Hütte. Seine zwei Bodyguards bringen ihm das Mädchen und gehen wieder hinaus. Eine dreiviertel Stunde später gehen die Bodyguards hinein und vergewaltigen sie ebenfalls nochmal. Nach zweieinhalb Stunden grausamer Qualen bringt einer der Bodyguards das Mädchen hinaus und fährt mit ihr davon. Sie liegt immer im Kofferraum. Also muss der Fahrer durch das Seitenfenster abgekühlt werden-so nannte er den Schuss auf das Ziel, um das Mädchen nicht versehentlich mit zu erschießen. Doch ein Scharfschütze braucht ein Warm-Up. Das ist der Schuss, der den Lauf aufheizt, um beim Zweiten besser treffen zu können. Also ist der Fahrer Schuss Nummer Zwei. Das Warm-Up gilt Escobar. Wegen der Gefahr, dass sich der Schuss verzieht und wegen des kalten Laufes, schieße ich auf den Gastank, direkt unter seinem Fenster. Die Explosion sollte den Mistkerl in tausend Teile zerreißen. Das Ziel ist größer als ein Kopf und die Treffer-Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch.“
Alles geschah genauso wie es Steve durchdacht hatte. Nach etwa drei Stunden brachte ein Bodyguard das völlig verängstigte Mädchen zum Wagen und sperrte sie in den Kofferraum. Steve beobachtete alles durch das Zielfernrohr. Er begann mit der sogenannten Kampf-Atmung, vier Sekunden einatmen und vier Sekunden ausatmen. Das beruhigt den Puls und minimiert das zittern der Hände. Es war soweit. Steve steckte das Magazin ins Gewehr und schob die erste Patrone in den Lauf.
Noch ein kurzer Blick auf den Windmesser und zwei Drehungen am Zielfernrohr. Alles war bereit. Das Fadenkreuz blieb genau mittig auf dem Gastank.
Steve hörte genau auf seinen Herzschlag. „Bumm, bumm, bumm-schuss, bumm.“ Genau zwischen zwei Herzschlägen drückte er ab.
Ein riesiger Feuerball zerriss die gesamte hölzerne Blockhütte und eine schwarze Rauchsäule stieg nach oben. Der Wagen hielt und der Fahrer stieg für einen Moment aus. Steve lud erneut durch. Der Fahrer stieg wieder ein. Jetzt musste sich Steve beeilen. Ein sich bewegendes Ziel ist immer eine schwierigere Herausforderung.
Bumm, bumm-schuss, bumm.“ An den blutverschmierten Vorderfenstern konnte Steve durch sein Zielfernrohr erkennen, dass er getroffen hatte. Steve atmete tief durch. „Die Kleine war gerettet“, dachte er nur. Steve nahm ein Satellitentelefon heraus. „Panther an Nest. Die Schlange brutzelt, das Küken ist sicher.“
Er wusste, dass innerhalb von fünfzehn Minuten die Kleine abgeholt werden würde. Eine Weile schaute er noch durch das Zielfernrohr. „Wagen ist nah genug am Feuer, dass die Kleine nicht friert und weit genug, dass sie nicht gebraten würde. Alles perfekt“, sagte er leise vor sich hin und packte dann sein Gewehr weg und ging.
Kapitel 2
Sonntag, acht Uhr am Morgen. Der Schlüssel klapperte im Schloss. Steve öffnete die Tür zu seinem Drei-Zimmer Apartment am Stadtrand von Leipzig. Gleich hinter der Haustür betätigte er an einem kleinen Kasten an der Wand den Alarm-Code-fünf, sechs, vier, sieben. Das Kontrolllicht sprang von Rot auf Grün, alles in Ordnung. Als er die Haustür wieder schloss, schob er von innen drei schwarze Tür-Stopper unter die Tür.
Einfach, aber effektiv. Nun konnte man die Tür nicht mehr so leicht aufschieben. Außerdem legte er vier kleine Glühbirnen auf den Boden. Das Geräusch von zerbrechendem Glas, wenn jemand drauftritt, würde ihn sofort warnen. Er hatte das alles Mal gelernt.
Steve war unglaublich müde. Hatte ihm doch der Auftrag drei Tage keinen richtigen Schlaf gebracht. Seine Wohnung war sehr schlicht. Steve mochte keinen Schnick-Schnack. Ein hellgraues Big-Sofa, ein riesiger schwarzer Fernseher und ein mint-grüner Kühlschrank dominierten das Wohnzimmer. Er mochte diese amerikanischen Küchen, die praktisch mit dem Wohnzimmer verschmolzen.
Seine Lieblingsfarbe war Grau. Besonders stolz war er auf sein selbstgebautes Badezimmer. Weiß-graue Wandfliesen und ein grau-schwarzer Fußboden. Auch sein Schlafzimmer war sehr grau betont. Doch am liebsten schlief er vor dem Fernseher ein.
Müde und abgekämpft warf er noch einen Blick in den Kühlschrank. „Ein Radler und eine Packung Wiener Würstchen sollten ausreichen“, sagte er sich und lies sich damit auf die Couch fallen.
„Mist. Irgendwie ist Luft an die Würstchen gekommen. Hoffentlich schmecken sie noch“, dachte er, als er die Packung fühlte. Ein Griff nach der Fernbedienung und der Raum erhellte sich durch das Fernsehbild. Steve suchte irgendeinen langweiligen Film, der ihm beim Einschlafen half und verdrückte noch schnell seine Würstchen und trank das Radler in drei Zügen aus. Tatsächlich hatten die Würstchen einen seltsamen Beigeschmack. „Egal, ich spüle mit dem Radler den Geschmack weg.“
13.21Uhr: Steve wurde plötzlich wach, als ihm kotzübel war. Gerade noch schaffte er es zur Toilette. Zweimal musste er sich übergeben, er schwitzte stark, hatte extreme Kopfschmerzen und starken Schüttelfrost. Nach etwa zwanzig Minuten ging es wieder einigermaßen und er schlief nochmal ein.
Kapitel 3
Steve hatte bis Montagmorgen seine Couch nicht mehr verlassen. Es ging ihm wieder besser und er genoss die warme Dusche. Zu Essen traute er sich noch nicht, obwohl er Hunger hatte. Aber ein Kaffee musste sein-ein Löffel Zucker und viel Milch. Steve zog seine blaue Jeans und ein weißes Hemd an, streifte sich seine dunkelbraune Lederjacke mit Stehkracken über und schaute nochmal in den Spiegel. Die dunklen Tränensäcke unter den stahlblauen Augen sprachen Bände. „Ich muss mir Mal wieder die Haare schneiden“, dachte er, während er sich über seine schwarzen Stoppeln fuhr.
Als er die Haustür öffnete, begrüßte ihn Jennifer Krüger, seine freundliche und attraktive Nachbarin. Sie zog ungefähr eine Woche, nachdem Steve einen neuen Chef bekam, nebenan ein. „Guten Morgen“, begrüßte sie Steve und warf dabei ihr langes, blondes Haar hin und her.
„Hallo Jennifer“, erwiderte Steve etwas müde. „Dieses Wochenende war es aber sehr ruhig bei dir. Wohl mal allein gewesen?“, fragte Jennifer. „Ich hatte eine kleine Geschäftsreise“, sagte Steve und sah ihr lange in ihre wunderschönen blauen Augen.
Jennifer tat es Steve gleich, hatte sie doch längst ein Auge auf ihn geworfen. „Aha…, wo warst?“ „Ach…, nur mal übers Wochenende in München.“ „Auch gut. Okay…, ich muss zur Arbeit. Bis später dann“, verabschiedete sich Jennifer und sprang die Treppe runter in ihren roten Absatzschuhen. „Ja, bis dann“, antwortete Steve und beobachtete sie noch, bis sie außer Sicht war.
Er mochte es sehr wie sich ihr Hintern in der engen Jeans bewegt und ihr Haar, das fast bis zum Hintern reichte.