Kein Himmel ohne dich. Kerstin Teschnigg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kerstin Teschnigg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752913699
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sich zu einem tonlosen „Fuck“.

      Ich schnappe immer noch nach Luft und einem Wort das ich sagen könnte, was in dieser schrecklich peinlichen Situation aber nicht möglich ist. Leicht überfordert lässt er von der Frau ab, zieht sich seine Hose hinauf und dreht sich zu mir. Völlig außer mir kann ich nur meinen Kopf schütteln, Tränen steigen haltlos in mir auf.

      „Holly, warte…Versteh das bitte nicht falsch…Das ist anders als es aussieht…“, beginnt er zu stammeln.

      Carolin springt vom Schreibtisch auf dem mein Ehemann sie gerade noch gefickt hat auf, und zieht sich scheinbar geschockt darüber erwischt worden zu sein ihren Tanga hoch. Verlegen streicht sie ihr Kleid zurecht, diese Geste fühlt sich in gegenständlicher Situation wie ein Witz an.

      „Was kann man denn bitte daran falsch verstehen?“, sage ich überraschend leise und verwundert über mich selbst plötzlich wieder Worte gefunden zu haben. Dann drehe ich mich um und gehe den Gang zurück hinauf. Meine Hände beginnen zu zittern und ich spüre wie mir Übelkeit den Hals hochkriecht.

      „Holly…Bitte…“ Tylor kommt mir schnellen Schrittes hinterher und hält mich am Arm zurück. Sofort versuche ich mich loszureißen.

      „Mach hier bitte keine Szene“, sagt er relativ ruhig.

      „Keine Szene?“, keife ich mit leicht erhöhter Stimme.

      Carolin marschiert starren Blickes an uns vorbei und verschwindet hinter irgendeiner Tür.

      „Es bedeutet nichts“, flüstert er und sieht mich dabei eindringlich an. „Es ist einfach alles von mir abgefallen und dann…“

      „Was? Es bedeutet nichts? So sah es aber nicht aus. Darum sollte ich wohl besser zu Hause bleiben, damit du hier in Ruhe ficken kannst, oder wie?“

      Er öffnet eine Bürotür und zerrt mich hinein. Dann packt er mich mit beiden Armen an meinen Schultern, fast als wolle er mich zur Besinnung bringen. Seine Augen weiten sich.

      „Holly! Hör auf hier so herumzuschreien! Willst du mich ruinieren?“ Er atmet ein paarmal durch, so ruhig wie er versucht zu sein ist er nicht, ich kenne ihn. „Ich weiß ich habe einen Fehler gemacht, bitte lass und das zu Hause besprechen.“

      Ich schüttle den Kopf. „Einen Fehler gemacht?“, murmle ich tränenerstickt. „Wie lange schon?“

      Bei dieser Frage kann er mir nicht mehr in die Augen sehen und ich weiß darum sofort, dass das hier nicht das erste Mal mit dieser Schlampe war.

      „Wie lange schon?“, frage ich deshalb noch einmal etwas lauter nach.

      „Es bedeutet nichts…“, stammelt er.

      „Wie lange will ich wissen“, jetzt schreie ich fast, was ihn schnell antworten lässt.

      „Seit ein paar Wochen.“

      Geschockt weiche ich einen Schritt zurück. Ich kann nichts mehr sagen. In mir baut sich ein fürchterliches Gefühl auf das ich mit keinem Wort beschreiben kann. Ich liebe diesen Mann, ich habe ihn immer geliebt, ganz selbstverständlich und bedingungslos, auch wenn wir in letzter Zeit viel gestritten haben. Immer habe ich versucht über meinen Schatten zu springen und war ihm nie lange böse, selbst wenn er mich oft richtig beleidigt hat. Es ist schwer ihm zu entsprechen, ich bin nicht wie er. Mal sind meine Haare nicht so wie er sich das vorstellt, dann ist es meine Figur mit der er im Moment nicht zurechtkommt. Ich bin immer zu langsam oder nicht genau genug, oder ich denke zu intensiv nach. Dann rede ich zu viel und im nächsten Moment wieder zu wenig, oder sage nicht das was er hören will. Auch wenn es mir in den letzten Monaten schlecht ging, versuchte ich ihm alles recht zu machen. Und jetzt? Wozu das alles?

      „Es war die Anspannung, ich musste irgendwo Druck ablassen, du bist im Moment nicht du selbst…“, beginnt er fast verzweifelt zu erklären. Ich will das alles gar nicht hören. Seine Worte machen alles nur noch schlimmer. Oft habe ich versucht mich ihm zu nähern. Ich habe es mir sogar ziemlich gewünscht, es hätte mir bestimmt geholfen aus meinem seelischen Tief zu kommen. Doch er hat mich immerzu zurückgewiesen. Jetzt verstehe ich warum.

      „Druck ablassen?“, sage ich jetzt schon fast ohne Ton. Dann drehe ich mich um, gehe aus dem Raum und ohne mich noch einmal umzusehen durch den Gang. Wieder kommt er mir hinterher.

      „Holly…“, ruft er mir nach als sich die Türe vom Präsentationsraum öffnet und sein Chef herauskommt.

      „Da sind sie ja Barnes. Drinnen wartet unser Kunde auf Sie“, meint er und sieht mich etwas verwundert an. Ich drehe mich weg, schließlich bin ich tränenüberströmt.

      „Alles in Ordnung?“, fragt er dann auch noch nach.

      „Ich brauche ein bisschen frische Luft“, lächle ich ihn gekünstelt an.

      Er nickt mir mit hochgezogenen Augenbrauen zu.

      „Ich bin sofort bei Ihnen“, stammelt Tyler.

      „Gut“, erwidert sein Chef und geht wieder in den menschenvollen Raum.

      „Ich muss hier raus.“ Ich sehe ihn traurig an.

      „Scheiße…Ich wollte das nicht…Bitte lass uns später reden, ich muss da rein…“

      Ich nicke wortlos und kehre ihm den Rücken. Mit zittrigen Händen verlasse ich das Gebäude. Draußen muss ich mich erst einmal ein paar Minuten lang sammeln. Ich öffne meine Tasche um ein Taschentuch heraus zu holen, als mir meine Tabletten fast bettelnd entgegen leuchten. Zögernd schließe ich meine Augen und hole tief Luft. Was ist er für ein Arschloch? Es einfach mit dieser Schlampe in meiner Anwesenheit zu treiben. Es ist doch ganz egal was ich mache, ich werde nie so sein wie diese Scheiß Carolin. Niemals. Völlig neben mir drücke ich ohne nachzudenken aus jeder Packung ein paar Tabletten, keine Ahnung wie viele, und schlucke sie ohne Wasser ganz leicht hinunter. Jetzt zittern meine Hände noch mehr, doch sofort baut sich ein seltsam erleichtertes Gefühl in mir auf. Dann gehe ich los. Planlos. Einfach irgendwo hin. Ich spüre die Wirkung der Pillen, ich werde lockerer und beruhige mich langsam wieder. Ich wische mir die Tränen aus dem Gesicht und bleibe vor einem Pub stehen. Einige Leute stehen davor und scheinen mächtig Spaß zu haben. Spaß haben. Ich kann mich nicht erinnern wann ich zuletzt Spaß hatte. Kurz zögere ich, gehe dann aber hinein. Nachhause will ich nicht, ich möchte einfach nur für ein paar Minuten vergessen was gerade passiert ist. Vergessen. Das wird nicht funktionieren. Wie auch? Im Pub drängen sich viele junge Leute um die Theke herum. Aufgrund der Tabletten macht mir das auch gar nichts aus. Ich quetsche mich durch und bestelle mir einen doppelten Whisky. Dann noch einen. Ein junger Typ drängelt sich neben mich und bestellt zwei Bier. Zuerst schaut er mich nicht an, dann sieht er plötzlich zu mir und grinst.

      „Allein?“, fragt er und grinst noch ein bisschen breiter.

      Ich nicke und lächle ein bisschen. Er nimmt die Bier und geht wieder zu einem anderen jungen Typen, scheinbar ein Freund. Sie sprechen miteinander, aber er schaut immer wieder zu mir. Auch wenn mir das nichts bedeutet und ich auch absolut nicht darauf aus bin, finde ich es spannend. Dann kommt er wieder auf mich zu.

      „Machst du bitte ein bisschen Platz?“, weist er den Burschen der neben mir an der Theke lehnt an. Der weicht augenblicklich zur Seite.

      „Trinkst du noch einen?“, fragt er mich und sieht auf mein fast leeres Glas. Er hat braune Haare und stechende Augen. Etwas verlegen nicke ich. Er bestellt bei der Kellnerin noch einen Whisky für mich.

      „Danke“, sage ich immer noch verlegen.

      „Gerne.“

      Er stößt mit seinem Bier an mein Glas. Ich weiß nicht was ich sagen soll.

      „Wie heißt du denn?“, fragt er mich und grinst wieder.

      „Holly.“

      „Holly. Cool. Ich heiße Jack.“

      „Hey Jack“, lächle ich verkrampft.

      „Du schaust irgendwie traurig aus. Warum denn? Du hast so ein schönes Lächeln.“

      Traurig.