Kein Himmel ohne dich. Kerstin Teschnigg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kerstin Teschnigg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752913699
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das Gefühl gleich umzufallen vor Angst. Doch dann senkt er die Waffe, kommt einen Schritt näher, zieht mir die Kapuze vom Kopf und packt mich am Arm.

      „Sie sind eine Frau?!“, schreit er mich an.

      Ich nicke wortlos. Mein Puls rast und meine Knie schlottern. Alles beginnt sich zu drehen.

      „Haben Sie eine Waffe? Wollten Sie diesmal die Fohlen aufschlitzen? Was ist denn los mit Ihnen?“

      Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Der Griff um meinen Arm verstärkt sich, er zerrt mich den Gang entlang.

      „Nein…Ich habe keine Waffe…Moment…Ich glaube das ist ein Missverständnis“, stammle ich.

      „Das können Sie gleich der Polizei erklären“, meint er ohne auf meine Worte einzugehen.

      „Nein…Stopp…Ich wollte doch nur sehen ob im Stall alles ok ist, das Tor war offen und mein Onkel hat mir doch erzählt…“

      Er bleibt stehen und sieht mich fragend an. „Was? Wer ist Ihr Onkel?“

      „James. James Skelton. Ich bin seine Nichte und hier auf Besuch.“ Ich schnappe nach Luft. „Ich wollte den Pferden nichts antun. Wirklich nicht.“

      Er hält mich noch kurz fest und sieht mich an, mir scheint er überlegt. Dann lässt er mich los.

      „Holly?“, sagt er dann und sieht mich immer noch eindringlich an.

      Ich nicke völlig fertig. Meine Knie zittern weiterhin. Dann sehe ich auf. Erst jetzt kommt auch er mir bekannt vor. Die dunklen Haare, die helle Haut, die blauen Augen.

      „Sind Sie Tavis?“, frage ich vorsichtig. Ich habe immer noch Angst vor ihm.

      Er nickt und reibt sie die Stirn. Ich habe ihn tatsächlich nicht wiedererkannt. Er ist ein richtiger Mann geworden und trägt jetzt einen Bart. Außerdem hat er eine lange, tiefe Narbe von der linken Wange halsabwärts die sich bis nach vorne unters Kinn zieht, die auch der Bart nicht verbergen kann. Die hatte er früher bestimmt nicht. Ich versuche mich zu sammeln, was mir nicht wirklich gelingt. Er öffnet einen Knopf an seinem Hemd, fast als brauche er Luft zum Atmen. Sein Blick ist weiterhin verengt, irgendwie habe ich immer noch Angst vor ihm.

      „Ich habe das offene Gatter gesehen, ich dachte Sie sind der Pferdemörder. Tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe“, entschuldigt er sich, was aber noch immer nicht besonders freundlich klingt. „Was machen Sie denn mitten in der Nacht hier?“

      „Ich war spazieren. Wie gesagt, die Tür war offen. Ich habe mir Sorgen gemacht. Sonst nichts.“

      Mehr bringe ich nicht heraus. Ich bin immer noch außer mir, was er zu bemerken scheint.

      „Kommen Sie, ich bringe Sie zum Haus zurück“, bietet er an und sieht mich eindringlich an.

      „Danke. Es geht schon“, lehne ich ab. „Gute Nacht.“

      Dann verlasse ich hastig den Stall.

      „Gute Nacht. Und nochmal, es tut mir leid“, ruft er mir hinterher.

      Ich drehe mich nicht mehr um und laufe zurück zum Haus. Bevor ich hinein gehe atme ich noch einmal tief durch. Was für ein Tag. Dass ich nach all dem schlafen kann, bezweifle ich.

      Kapitel 12

      Wie erwartet habe ich eine fast schlaflose Nacht hinter mir. Langsam wird es endlich hell. Ich stehe auf, ziehe den Vorhang zur Seite und blicke aus dem Fenster. Der Himmel erhellt sich in atemberaubender Weise. Ich kenne keinen Ort auf dieser Welt wo ich das schon einmal so erlebt hätte. Beim Anziehen lasse ich mir heute bewusst Zeit. Jamie und Eliza sitzen bereits beim Frühstück als ich die Küche betrete.

      „Guten Morgen“, sage ich freundlich, obwohl ich total unausgeschlafen bin und mir die gestrigen Ereignisse noch in den Knochen sitzen.

      Eliza gießt mir Tee ein, bevor sie sich ihren Schal umlegt.

      „Ich bin dann drüben Frühstück machen. Du kannst mir nachher gerne helfen, wenn du Lust hast.“

      Ich nicke an meinem Tee nippend. „Sehr gerne. Ich möchte nur vorher noch ein bisschen frische Luft tanken.“

      „Lass dir Zeit“, erwidert sie. „Vor zehn gibt es nicht besonders viel zu tun.“

      Onkel Jamie bricht auch ein paar Minuten nach ihr auf und so bin ich allein und starre eine Zeitlang aus dem Fenster. Dann beschließe ich Tyler anzurufen, wenn schon er es nicht tut. Verwunderlicher Weise geht er recht schnell dran.

      „Hey Holly. Wie geht es dir?“, fragt er und klingt etwas gestresst.

      „Danke, ja es geht schon. Wo bist du denn?“

      „Schon am Weg ins Büro. Ich habe gleich ein Meeting.“

      Er erklärt mir, dass es einen neuen Werbeauftrag gibt, der relativ hoch dotiert ist, darum scheinen alle ziemlich aus dem Häuschen. Ich spare mir die Frage ob Carolin wieder in seinem Team ist. Ich spare mir überhaupt jegliche Frage dieses Thema betreffend.

      „Geht es dir denn auch gut?“, frage ich vorsichtig nach als wir zum Ende des Telefonates kommen.

      „Ach Holly…Ich habe zum Glück so viel zu tun, dass ich keine Zeit habe darüber nachzudenken warum du weg bist. Auf jeden Fall ist es ziemlich leise in der Wohnung und ich vermisse dein gutes Essen.“

      Ich seufze für mich selbst. Er sollte mich vermissen und bereuen was er getan hat.

      „Na dann…Wir hören uns wieder“, sage ich noch zum Abschied und lege das Handy vor mich auf den Tisch. Ich lege meine Hände vors Gesicht und würde am liebsten laut losschreien, doch ich beschließe stattdessen raus zu gehen. Ich gehe eine große Runde ziemlich flott, sodass mir ganz schön warm ist und ich auch ein bisschen außer Puste bin, als ich Richtung Castle marschiere. Heute gehe ich von der anderen Seite über den Parkplatz zum Hintereingang. Gerade als ich über den großen Platz spaziere, traue ich meinen Augen kaum. Die rothaarige Frau von gestern geht über die Stufen herunter und zwar mit Lord Angus. Sie reicht ihm ihren Arm und lächelt ihn freundlich an. Jetzt wo ich sie so im Gesamten sehe, ist sie noch schöner. Wie eine Fee oder Prinzessin. Sie ist eine makellose Erscheinung. Ihre roten Haare hat sie heute hochgesteckt, was ihrem zarten Gesicht außerordentlich schmeichelt. Die Kleider in zarten Tönen unterstreichen ihren porzellanenen Teint perfekt. Lord Angus hingegen ist gezeichnet von seiner Krankheit. Viel ist von dem einflussreichen und furchteinflößenden Mann von früher nicht übrig wie es scheint. Seine früher einmal dunklen Haare sind ergraut und er ist für seine große Statur sehr schmal geworden. Ich weiß nicht recht was ich tun soll. Ist es unhöflich jetzt weiter zu gehen? Oder soll ich Lord Angus begrüßen? Er kennt mich vermutlich nicht einmal mehr und gesehen haben sie mich wie es aussieht nicht. Darum gehe ich schnurstracks weiter, bis ich meinen Namen höre.

      „Holly!“

      Ich bremse ab und drehe mich um. Lord Tavis kommt auf mich zu. Er sieht sehr edel im Anzug aus, scheinbar macht er sich auf den Weg zu einem Geschäftstermin. Trotzdem sticht mir seine Narbe sofort wieder ins Gesicht. Zwar lenkt der Bart ein wenig ab, aber es ist fast unmöglich nicht hinzusehen. Er nähert sich, darum begrüße ich ihn mit einem „Guten Morgen“, was er erwidert.

      „Entschuldigung, ich möchte nicht unhöflich sein und sie beim Vornamen ansprechen, Mrs.?“

      „Ach das passt schon. Einfach Holly.“

      Er nickt und scheint kurz zu überlegen. „Es ist mir sehr unangenehm wegen gestern. Bitte verzeihen Sie mir, ich wollte Sie nicht erschrecken.“

      „Nein, nein, kein Problem“, sage ich als Lord Angus hinter seinem Sohn steht. Die Frau immer noch an seiner Seite. Gott ist sie schön.

      „Tavis. Wer ist die junge Dame?“, fragt er und mustert mich augenscheinlich.

      „Vater. Das ist