Cäcilie. Patricia Weiss. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Patricia Weiss
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752917543
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nächtlichen Garten und der Detektiv schob das Eisentor wieder hinter ihnen zu.

      Es fiel metallisch klackend ins Schloss.

      Barbara drehte sich um und sah kurz zurück, auf das geschlossene Gitter, die dahinter liegende, nächtlich verlassene Promenade, auf den dunkel glitzernden Rhein, der nur wenige Meter entfernt lag, und erschauerte. „Hoffentlich haben wir uns jetzt nicht selbst unseren Fluchtweg versperrt.“

      „Hast du Angst?“ Marek grinste sie an. Im fahlen Mondlicht konnte sie außer seinen Zähnen und den silber reflektierenden Reißverschlüssen seiner Lederjacke kaum etwas von ihm erkennen.

      Sie gab sich einen Ruck. „Quatsch. Natürlich nicht. Wir werden einen Monsterspaß haben. Let’s go!“

      Sie wanderten die Auffahrt entlang, vorbei an wuchernden Büschen und herunterhängenden Zweigen mächtiger Bäume. Keiner von ihnen sagte ein Wort. Von Zeit zu Zeit knirschte ein Stein unter ihren Füßen, ansonsten war es still. Justin hatte sich an die Spitze gesetzt, ließ die Taschenlampe über den Weg wandern und machte die anderen auf kleinere Hindernisse und Unebenheiten aufmerksam. Trotzdem kam Laura ins Straucheln und konnte sich gerade noch an Drake festklammern. „Upsi, danke, Hochwürden, fast hätte es mich hingebrezelt.“

      „Es gehört zu meinen vornehmsten Aufgaben, gefallene Frauen zu erretten und der Läuterung zuzuführen.“ Er bemühte sich um einen salbungsvollen Tonfall, dann lachte er. „Mir ist fast das Herz stehen geblieben, ich dachte schon, ein Zombie fällt mich an.“

      „Das soll ein Zombie sein?“, mischte sich Barbara ein. „Ein bisschen mehr Mühe hättest du dir schon geben können, Laura. Ich habe dir x-mal angeboten, dir mit dem Make-up zu helfen.“

      „Ja, ja“, wiegelte Laura ab. Genauso wie Marek war sie kein großer Fan von Verkleidungen und hatte sich nur dem Team zuliebe in letzter Minute in ein zerrissenes Hemd und ausgefranste Jeans geworfen und grünlichen Lidschatten über das Gesicht verteilt.

      Der Schrei eines Käuzchens drang durch die Nacht. Sie blieben kurz stehen und sahen sich an.

      „Du hast wirklich ganze Arbeit geleistet, Marek, atmosphärisch stimmt alles.“ Laura klopfte ihm leicht auf die Schulter, dann drehte sie sich zur Villa um und musterte die Fassade.

      Drei halbrunde Steinstufen führten zu einem monumentalen Portal, die großen Sprossenfenster reflektierten das Mondlicht. „Wenn man zu lange guckt, hat man das Gefühl, da drinnen ist jemand und starrt einen an. Da unten ist eine Scheibe kaputt. Sollen wir dadurch einsteigen? Das wird aber eng.“

      „Natürlich nicht. Im Dunkeln und mit unserem ganzen Partyzeug viel zu gefährlich. Wir gehen selbstverständlich durch den Haupteingang.“ Marek stieg die Treppenstufen zum Eingang hoch, machte sich am Schloss zu schaffen, öffnete die Tür und ließ die anderen in die verlassene Villa.

      Sie betraten eine weiträumige Eingangshalle, von der eine breite Treppe in die oberen Etagen führte. Justin ließ den Strahl der Taschenlampe über die verblichenen, vielfach zerbrochenen Bodenfliesen wandern. „Sollen wir zuerst einen Rundgang machen?“

      „Auf keinen Fall“, japste Gilda. „Ich will die Tasche mit den ganzen Fressalien loswerden, sonst bricht gleich meine Schulter ab. Meine Eltern haben es wirklich gut mit uns gemeint und Berge von Essen eingepackt. Ich hoffe, ihr habt Hunger, denn ich werde das Zeug auf keinen Fall wieder mit zurückschleppen.“

      „Gute Idee“, stimmte Drake zu. „Justin, guck mal, wohin die Tür da vorne führt. Wenn wir Glück haben, ist es ein Wohnzimmer oder Aufenthaltsraum, wo wir unsere Party feiern können.“

      Justin näherte sich der hölzernen Kassettentür, drückte mit dem Ellenbogen seines Werwolfkostüms die Klinke herunter und leuchtete in den Raum. „Strike. Sogar ein Kamin. Ganz schön smart von dir, Drake.“

      „Na ja“, murmelte der bescheiden und grinste.

      Sie schleppten die Kisten und Taschen in das Zimmer und sahen sich um.

      „Das ist ja ein Saal!“ Barbara stellte die Umhängetasche auf einen langen Esstisch und nahm die Champagnerflaschen heraus. „Gilda, stell die großen Kerzen in den Kamin und die Kürbislaternen auf die Tischchen daneben. Und zünde die Duftkerze an. Hier riecht es ganz schön muffig.“

      „Zu Befehl, Boss!“ Die Assistentin stakste mit langen, dünnen Beinen und schwingendem Cape durch den Raum, entzündete die Kerzen und Teile des Wohnzimmers wurden im flackernden Schein sichtbar: ein mannshohes Porträt eines streng dreinblickenden Arztes im weißen Kittel und mit geschwungenem Schnurrbart, zerschlissene Sessel und ramponierte Möbel, schwere Samtvorhänge vor den breiten Fenstern.

      „Perfekt“, lobte Drake. „Jemand ein Bier?“

      „Wir sollten mit dem Schampus starten“, wandte Barbara ein. „Er ist noch schön kalt, wäre schade um das gute Zeug, wenn es warm würde.“ Mit sattem Ploppen entkorkte sie die erste Flasche und schenkte die Gläser voll. „Bedient euch!“ Dann hielt sie inne. „Was war das? Habt ihr das auch gehört?“

      „Sehr witzig.“ Laura nahm sich ein Glas und nippte daran.

      „Nein, ernsthaft. Ich glaube, jemand ist im oberen Stockwerk.“

      „Unwahrscheinlich“, beruhigte Marek. „Höchstens irgendein Tier, das durch das kaputte Fenster reingekommen ist. Aber wir können nachher mal nachsehen.“

      „Machen wir Musik? Ich habe die Box mitgebracht. Wir können die Halloweenplaylist von meinem Handy hören.“ Justin platzierte den Lautsprecher auf dem Kaminsims und schon drang leise die Titelmusik einer bekannten Mystery-Serie durch den Raum.

      „Lasst uns ein paar Sessel hierher stellen. Dann erzählen wir uns unheimliche Geschichten und später, wenn wir richtig in Gruselstimmung sind, erkunden wir das Gebäude.“ Drake zog einen Lehnsessel näher und kurz darauf saß das Team mit Getränken versorgt rund um den Kamin versammelt.

      Laura hob das Glas: „Noch mal herzlich willkommen zur wahrscheinlich schrägsten Halloweenparty in der Stadt. Nur Marek kommt auf so eine hirnrissige Idee, die Nacht der Toten und des Horrors ausgerechnet in einer verlassenen Irrenanstalt zu feiern. Wo die Seelen der gequälten Patienten in der Zwischenwelt gefangen sind und nur darauf warten, uns um Mitternacht heimzusuchen. Stoßt mit mir an, auf dass wir heil wieder hier rauskommen!“

      „Auf dass wir heil wieder hier rauskommen“, antworteten die anderen im Chor und ließen die Gläser klirren.

      „Noch ein paar Hinweise vorweg, bevor ihr zu sehr in Partylaune geratet“, schaltete sich Marek ein. „Wir müssen ein paar Regeln beachten. Zuerst ist da der Ehrenkodex der Urbexer, denn dies ist ein verlassener Ort, ein sogenannter lost place.“

      „Was sind Urbexer?“, fragte Justin.

      „Das Wort ist eine Abkürzung für Urban Explorers. Das sind Leute, die verlassene Orte erkunden. Ähnlich wie Pilzsammler verraten sie aber die Standorte nicht. Zudem machen sie nichts kaputt, nehmen nichts von dort mit und lassen auch nichts dort zurück. Vor allem keinen Müll. Das müssen wir auch so machen.“

      Die anderen nickten zustimmend.

      „Außerdem sollten wir nicht zu laut sein und möglichst sehen, dass kein Licht nach außen dringt. Die Villa liegt zwar sehr abgeschieden, aber gerade an Halloween kontrolliert die Polizei gerne die eher verlassenen und gruseligen Orte. Und wir wollen ja nicht, dass unsere Detektei wegen unbefugten Betretens oder gar Einbruchs verurteilt wird.“

      „Ich dachte, das wäre das Ehrenabzeichen unter den Detektiven“, witzelte Barbara.

      Marek grinste. „Das ist das Abzeichen für die Noobs. Oder besser gesagt: das Kennzeichen für die Anfänger und Nichtskönner. Ein guter Detektiv lässt sich nicht erwischen. Ok, Leute, das war es. Feuer frei für die Party.“

      Drake räusperte sich. „Was haltet ihr davon, wenn wir jetzt ‚Wahr-oder-falsch‘ spielen? Ich erzähle euch eine unheimliche Geschichte und ihr müsst raten, ob sie wirklich passiert ist. Es ist die Geschichte dieser Villa, ok?