Schwur auf Rache. Carola Schierz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Carola Schierz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738049206
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wünscht. Er sagt, es wäre dringend.“

      Gernot zog die Stirn in Falten. Dabei konnte es nur um die Beerdigung gehen, aber das ging ihn eigentlich nichts an. Neugierig geworden befahl er der Wache, den Mönch vorzulassen.

      Kurze Zeit später trat Bruder Lukas ein. „Unser Abt, Pater Johannes, schickt mich. Ich soll ausrichten, dass er Euch so schnell wie möglich im Kloster erwartet. Er hat eine wichtige Nachricht, die er Euch nur unter vier Augen mitteilen kann. Es ist wichtig, dass niemand erfährt, warum Ihr zum Kloster kommt. Wenn doch jemand fragt, sollt Ihr erklären, dass Ihr den Abt gebeten habt, noch einen letzten Moment allein mit den Toten zu verbringen. Jeder weiß um die Freundschaft zwischen Euch und der Fürstenfamilie. Also wird es keinen verwundern.“

      Nun war Gernot völlig verwirrt. Was war so wichtig, dass der Abt zu solchen Heimlichkeiten griff. Er hatte zunächst tatsächlich den Wunsch gehabt, die Verstorbenen zu sehen, dann aber beschlossen, es bleiben zu lassen, da er nicht wusste, ob er es verkraften würde. Natürlich war ihm der Tod schon so oft begegnet, aber Falko war ihm lieb wie ein eigener Sohn. Er selbst hatte keine Kinder. Bis jetzt war ihm noch nicht die Frau begegnet, die ihn an sich binden konnte. Er mochte es, frei zu sein. Er war jetzt dreißig, ein Mann in den besten Jahren und hatte immer noch genug Zeit, um zu heiraten.

      „Ich lasse mein Pferd satteln. In einer halben Stunde können wir aufbrechen. Wärmt Euch solange auf und trinkt einen Becher Wein.“

      Bruder Lukas nahm dankend an. Er war ein Freund des guten Weines und genoss die Ruhepause sichtlich.

      Zwei Stunden später trafen sie im Kloster ein. Bruder Lukas führte den Hauptmann zu Pater Johannes. Die Männer kannten sich gut und begrüßten einander freundlich und respektvoll. Dann bat der Abt seinen Gast, ihm zu folgen. Vor einer niedrigen Tür blieben sie stehen. Eindringlich sah der Gottesmann seinen Besucher an. „Schwört mir, bei der Heiligen Jungfrau, dass Ihr mit niemandem über das sprecht, was Ihr gleich sehen werdet!“

      Nach kurzem Überlegen stimmte Gernot zu. Er vertraute dem Pater und wusste, dass der ihm nicht grundlos einen solchen Schwur abverlangte.

      Dann betraten sie gemeinsam den kleinen Raum. Wie in einem Kloster üblich, war er nur mit dem Notwendigsten eingerichtet, aber zumindest verfügte er über einen kleinen Kamin, der eine angenehme Wärme ausstrahlte. An einer Wand stand ein einfaches Bett. Als Gernot herantrat, wollte er seinen Augen nicht trauen. Er blickte direkt in das blasse Gesicht seines kleinen Freundes. Falko schlief fest.

      Fassungslos ließ er sich auf die Bettkante nieder. „Wie ist das möglich?“, flüsterte er dem Abt zu.

      „Das soll Euch der Junge selbst erzählen, wenn er aufwacht.“

      Der Hauptmann nahm vorsichtig die kleine Hand des Kindes in die seine. Es war, als wenn er selbst wieder von den Toten auferstanden wäre. Das lähmende Gefühl verließ seinen Körper. Mit einem seligen Lächeln betrachtete er Falkos Gesicht. „Was ist mit den anderen?“, fragte er hoffnungsvoll.

      Pater Johannes schüttelte den Kopf. „Nur der Junge hat das Gemetzel überlebt und selbst das kommt einem Wunder gleich.“

      Dann öffnete Falko die Augen. Er brauchte eine Weile, um zu verstehen, dass der Hauptmann wahrhaftig an seinem Bett saß. Langsam verzog sich sein Mund zu einem zaghaften Lächeln.

      Gernot beugte sich hinunter und gab dem Jungen einen Kuss auf die Stirn. „Ich bin so froh, dass du lebst, Soldat.“ So nannte er Falko immer dann, wenn er besondere Tapferkeit gezeigt hatte.

      „Immer zu Euren Diensten, Hauptmann“, antwortete die zarte Kinderstimme sofort. Dann sahen sie sich eine Weile schweigend an.

      „Willst du mir erzählen, was passiert ist? Aber nur, wenn es dich nicht zu sehr anstrengt!“

      Falko erzählte ihm alles. Angefangen von seinen Beobachtungen zu Luises Geburtstag, dem furchtbarem Überfall, bis hin zu seiner Erkenntnis, dass der Mann, der ihn töten wollte, derselbe war, den er mit Siegmund gesehen hatte.

      Gernot war außer sich vor Zorn. „Dieses hinterhältige Schwein! Ich werde ihn mir vornehmen und wenn ich damit fertig bin, wird nicht einmal mehr seine Frau imstande sein, seinen Leichnam zu erkennen!“

      Pater Johannes hatte mit dieser Reaktion des Hauptmanns gerechnet. Beschwichtigend redete er auf ihn ein. „Mein Freund, beruhigt Euch! Niemandem wäre mit einer solch unüberlegten Tat gedient. Der Junge braucht Euch. Was, wenn Ihr bei diesem Racheakt Euer Leben lasst? Ihr seid die einzige Bezugsperson, die Falko noch hat. Geht mit ihm fort von hier und erzieht ihn im Sinne seiner Eltern. Bringt ihm alles bei, was er wissen muss, um eines Tages sein Erbe zurückzufordern und ein guter Fürst zu werden, so wie sein Vater einer war.“

      Der Hauptmann versuchte sich zu beruhigen und dachte nach. Es schien einleuchtend, was der Pater sagte. Falko war in Lebensgefahr, solange er hierblieb. Und die Sicherheit des Jungen hatte oberste Priorität.

      „Ihr habt recht, Pater! Wir könnten nach Waldenburg gehen. Dort lebt ein guter Freund von mir mit seiner Familie. Er hat dort eine Schmiede. Ich bin mir sicher, dass sie uns aufnehmen würden. Ich habe einiges gespart in den letzten Jahren und finde sicher auch ein neues Auskommen, wenn das Geld aufgebraucht ist.“ Den Blick auf Falko gerichtet, fragte er: „Was ist mit dir, mein Freund. Wollen wir es zusammen versuchen?“

      Das erste Mal seit dem Überfall brachte der Junge so etwas wie ein freudiges Lächeln zustande. „Ich darf bei Euch bleiben, Hauptmann? Ja, das will ich gern!“

      Gernot strich ihm liebevoll mit der Hand durch die Locken. „Es wäre ratsam, wenn du mich in Zukunft mit 'Onkel' ansprichst. Wir könnten den Leuten sagen, dass du der Sohn meines verstorbenen Bruders bist. Es tut mir leid, dass du so deine wahre Identität verschweigen musst. Aber ich verspreche dir, wenn die Zeit reif ist, wirst du wieder deinen Namen tragen.“

      „Es ist schon gut. Ich bin mir sicher, dass Vater es nicht anders entscheiden würde.“ Jetzt war das kurze glückliche Leuchten aus den Augen des Jungen wieder verschwunden und die tiefe Traurigkeit kehrte zurück. Doch er blieb tapfer. Falko wollte nicht weinen. Er wollte stark sein und hoffte, so schneller erwachsen zu werden, um zu tun, was er sich vorgenommen hatte.

      Alles, was er von nun an tat, sollte nur diesem einen Ziel untergeordnet sein: Irgendwann Rache zu üben.

      Gernot kehrte zunächst zum Schloss zurück, um keinen Verdacht zu erregen. Heimlich bereitete er seine baldige Abreise vor. Es tat ihm leid, seine Männer im Stich zu lassen, aber er würde versuchen, zu seinen engsten Vertrauten Kontakt zu halten. Natürlich war es im Moment ausgeschlossen, jemanden in die Sache mit Falko einzuweihen. Wenn die Zeit reif war, wollte er herausfinden, wer von ihnen sich bereit erklärte, für seinen rechtmäßigen Herren zu kämpfen. Es dauerte sicher noch eine Weile, bis der Kleine die Reise nach Waldenburg antreten konnte. Solange musste Gernot noch ausharren, bevor er seinen Dienst quittierte. Als Grund dafür würde er angeben, dass er nicht akzeptiere, Siegmunds Hauptmann unterstellt zu sein. Es war ziemlich sicher, dass der neue Fürst nicht versuchen würde ihn aufzuhalten, da Friedrichs Vertrauter ihm bei seinen Plänen bestimmt nur ein Dorn im Auge war.

      Vorsorglich rief Gernot drei seiner vertrautesten Männer zusammen und bat sie eindringlich, hier am Schloss zu bleiben. Er gab ihnen unter dem Siegel der Verschwiegenheit zu verstehen, dass er Zweifel an Fürst Siegmunds Rolle bei den vergangenen Ereignissen hatte. Auch, dass er bald weggehen würde, um Näheres herauszufinden. Die Männer vereinbarten einen Code für geheime Treffen, bei denen sie ihm die neuesten Entwicklungen am Schloss mitteilen sollten. Keiner der drei zweifelte auch nur einen Augenblick an der Ernsthaftigkeit der Situation und sie sicherten ihrem Hauptmann Verschwiegenheit und jegliche Unterstützung zu, die sie ihm geben konnten.

      Am Tag der Trauerfeier begab sich Gernot schon bei Sonnenaufgang zum Kloster. Er hatte Falko versprochen, bei seinem schweren Gang bei ihm zu sein. Da der Junge unmöglich an den Feierlichkeiten teilnehmen konnte, wollte Gernot gemeinsam mit ihm Abschied von den Toten nehmen, bevor die Eskorte eintraf.

      Es war geplant, dass Fürst Siegmund mit seinen Soldaten die Überführung der Leichname überwachen würde. Der Weg des Trauerzuges