Nina Hutzfeldt
Die Seelen der Indianer
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Inhaltsverzeichnis
Prolog
29. November 1864
Man sagt, wenn ein Cheyenne stirbt, wandert seine Seele über die hängende Straße in das Reich des großen Hauptgeistes Maheo. Dort wird er über seine Lieben wachen und warten, bis sie wieder vereint sind.
Im Morgengrauen spiegelten sich die ersten Sonnenstrahlen auf den Pfützen im Flussbett des Sand Creek. Zu dieser Jahreszeit führte der Fluss kaum Wasser.
Die Indianer lagerten am Flussufer, mit dem Versprechen der weißen Armee, dass ihnen nichts geschehen würde, solange die weiße Fahne unter der amerikanischen Flagge an Black Kettles Tipi hing.
Black Kettle war ein Mann des Friedens. Er wollte keinen Krieg, nur in Harmonie und Einklang mit der Natur Hand in Hand mit den Weißen leben, denn den Fortschritt konnte man nicht aufhalten.
Das wusste der Häuptling der Cheyenne, weshalb seine Entscheidungen oft aus den eigenen Reihen infrage gestellt wurden.
Eine der Ältesten war auf dem Weg zum Wasser holen, als sie die ersten Soldaten auf ihren Pferden zum Dorf reiten sah. Zuerst dachte sie, die Büffel kämen zurück, doch als sie erkannte, dass die Weißen das Dorf angreifen wollten, lief sie schreiend davon.
Black Kettle trat aus seinem Tipi und rief immer wieder, dass niemand Angst haben müsse, denn das Dorf stand unter dem Schutz der Regierung, doch als die Soldaten das Feuer eröffneten, lief auch er mit seiner Frau Medicine Woman Later davon.
Im Blutrausch skalpierten die Bleichgesichter einen Indianer nach dem anderen, schnitten ihnen bei lebendigem Leib Arme und Beine ab.
Einer Frau rissen sie das ungeborene Kind heraus und trennten ihr danach die Brüste ab.
Der Schamane Big Crow flüchtete mit seiner an Lungenentzündung leidenden Frau Beautiful Eye in eine der Gruben, welche die Indianer am Flussbett in Windeseile gegraben hatten.
Sein Sohn folgte ihm. Ihre Herzen pochten wie wild unter der Brust, während sie sich unter verstorbenen Indianern versteckten.
Big Crow legte eine Decke über seine Frau und bedachte sie mit einem flüchtigen Kuss auf die Stirn.
»Es wird alles gut.« Er wandte sich seinem Sohn zu. Black Horse lag mit Pfeil und Bogen in der Hand neben seiner Mutter. Zitternd spannte er den Bogen und schoss. Ein Pfeil folgte dem nächsten. Er wusste nicht, ob er etwas getroffen hatte, denn der Nebel versperrte ihm die Sicht.
Die unersättlichen Soldaten feuerten und trafen, während die aufgeschreckten Indianer machtlos waren.
Beautiful Eye schloss die Augen. Sie wusste, dass diese Reise ihre letzte sein würde.
So träumte sie sich noch einmal fort, in eine Welt, wo der Krieg so weit entfernt war wie der Adler in der Luft.
Blumenwiesen, auf denen Büffelherden grasten, Vögel, die in den Bäumen zwitscherten, und Bären, die aus weiter Entfernung nach Honig suchten.
Die langen, geflochtenen Zöpfe hingen ihr auf den Schultern, während ihre pechschwarzen Augen in der Sonne funkelten.
So sehr liebte sie ihre kleine eigene Welt, die es so niemals mehr geben würde.
Beautiful Eye dachte an ihr erstes Treffen mit Big Crow. Sie traf ihn an einem kalten Winterabend. Vielleicht so kalt wie der heutige.
Der Regen ertränkte die Erde, während der Wind ihn peitschend durch die Lüfte lenkte.
Left Hand und Black Kettle wollten ihr bestehendes Bündnis zwischen den Arapaho und Cheyenne noch erweitern. Der anhaltende Frieden zwischen den beiden Völkern, die sich viel zu lange bekriegt hatten, sollte erhalten bleiben. Ein andauernder Frieden, sowie ein Militärbündnis wurden beschlossen.
Beautiful Eye saß zitternd vor Kälte und ausgehungert wie ein Bär nach dem Winterschlaf auf ihrem Pferd und wartete, bis Black Kettle Left Hand in sein Tipi einlud.
Die letzten Tage waren eine Qual für sie gewesen. Die weite Reise, die zwei Monde mit sich brachte, hatte sie ohne ihren geliebten Ehemann durchlebt. Er starb kurz nach