So trafen wir uns an einem Samstagabend bei mir daheim, um die Musik aufleben zu lassen und danach mit der U-Bahn in die Innenstadt zu fahren.
„Das sind ganz schön komplizierte Notenkombinationen. Ich habe so etwas zuvor noch niemals gesehen. ` sieht mir fast wie etwas Fernöstliches aus. Aber, ich werde es hinkriegen!“, sagte Katharina, nachdem sich ihr erster Blick von der Tabulatur abgewendet hatte.
Und Katharina bekam es nach einer kurzen Vertiefung in die Noten tatsächlich mit einer prächtigen, akustischen Leistung hin. Wundervolle, exotische Klänge erfüllten mein Wohnzimmer; geheimnisvoll, verschnörkelt, zauberhaft. Die Komposition begann zärtlich sanft, steigerte sich dann und endete endlich in einem dynamischen Finale.
Als die letzten Klänge dieser Darbietung noch im Raume schwebten, geschah das Unglaubliche.
Ein kleiner, roter Punkt, der mich an ein überdimensioniertes Glühwürmchen erinnerte, tauchte aus dem Nirgendwo oder einer anderen Dimension heraus auf. Sein Licht besaß gleißende Helligkeit und zu sofort überstrahlte es die Standardbeleuchtung des Wohnzimmers. Es wuchs heran, wurde zu einer Kugel mit der Größe eines Fußballs, um endlich seine Form zu ändern und bogenförmig zu werden. Aus diesem bogenförmigen Lichtgebilde manifestierte sich schließlich ein Bogen mit silbernem Rahmen, der fast bis an die Zimmerdecke heranreichte und in dessen Zwischenraum es violett funkelte und leuchtete.
Synchron standen Katharina und mir die Münder offen und kein Wort kam über unsere Lippen, wobei wir unfähig waren, uns zu bewegen. Doch schließlich schaffte ich es, an dieses obskure Objekt heranzutreten, welches seichte, rauschende Geräusche von sich gab, als lausche man einer kräftigen Brandung in der Distanz. Ich erkannte, dass das violette Scheinen eine Art Schleier darstellte, welcher leicht vibrierte, nachdem meine Hand ihn durchdrungen hatte.
„Das ist ein Schleier oder Vorhang, aber richtig fest ist er nicht. Es kribbelt leicht, wann man seine Hand durchsteckt. Ein bissle ist es so, als wenn einem der Fuß einschläft. Und, du siehst es ja selber, obwohl dieses Objekt nur dreißig Zentimeter tief ist, verschwindet mein Arm gänzlich in ihm und kommt nicht auf der anderen Seite wieder heraus. Das scheint ein Tor in eine gänzlich andere Welt zu sein. Ich möchte wissen, was dahinterliegt.“, kam es mir endlich über die Lippen und meine Stimme klang merkwürdig fremd in meinen Ohren.
Faszination und Neugier hielten ihre starken Arme entschlossen um mich.
„Du wirst doch nicht etwa durch diesen Schleier gehen und in dieses Ding da rein!“, rief Katharina mit entsetzter Stimme aus. „Wer weiß, was dahinterliegt. Es könnte dich umbringen durch Strahlung oder so!“
Da hatte sie selbstverständlich recht, aber es kam mir vor, als zöge eine unsichtbare Kraft im Kopfe nun die Fäden. Ich musste diese Schwelle einfach passieren!
„Geh nicht weiter! Bleib stehen!“, hörte ich sie noch und trat durch den Schleier und das schmale Tor.
Es kribbelte einmal kurz am ganzen Körper und dann war ich hindurch und schwebte in endloser Weite, wo es weder ein Unten noch ein Oben gab, keinen Grund und keinen Himmel, keine Farbe in dem Äther, in dem ich mich nun befand. Es herrschten wohlige Temperaturen. Ich wendete meinen Blick, doch das durch Flöte und Musik geöffnete Tor war verschwunden. Statt des Gedankens, dass nun vielleicht die Tür in die vertraute Welt auf ewig zugefallen sein könnte und über diese Vorstellung Angst zu empfinden, keimte grenzenlose Hoffnung allmählich in mir auf. Wie ein Vogel in der Luft, dem hohen Gefühl der Freiheit in mir, flog ich vor und zurück und zurück und vor. Dann öffneten sich die Trichter. Überall um mich herum tauchten sie buchstäblich aus dem großen Nichts auf. In ihren Öffnungen erstrahlten die intensivsten Regenbogenfarben und sie füllten die gesamte Unendlichkeit aus.
Kurz nach deren Auftun fuhr das Wissen des gesamten Kosmos in mich hinein, was ein wahrhaft atemberaubendes Gefühl darstellte. Nun wusste ich, dass jede Welt, jede nur denkbare Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ihr eigenes Universum stets aufs Neue erschuf. Wahrscheinlich versagte bei der Gesamtzahl dieser Universen nicht nur die menschliche Vorstellungskraft, sondern scheiterte ein jeder Computer gleich von welcher Leistungskraft.
Zufällig flog ich auf einen dieser Trichter zu und als mein Flug eine gewisse Grenze zu diesem Objekt hin passiert hatte, zog eine leichte, doch bestimmende Kraft mich mit sich und in die bunte, flackernde Öffnung hinein. Ein knisterndes Geräusch drang an meine Ohren und ich musste an den Stromabnehmer einer Lokomotive denken, der bei strömendem Regen an eine triefendnasse Oberleitung kam. Alle nur erdenklichen Farben erschienen nun vor mir. Sie bildeten eine gleißende Röhre um mich herum, verschmolzen zu einer bunten Wand, die Struktur und Textur stetig änderte. Der Fallwind wehte durch meine etwas zu langen Haare, jedenfalls wenn es auf einen normalen Mann von Mitte vierzig bezog.
Dann stand ich von jetzt auf gleich am Ufer eines smaragdgrünen Ozeans im violetten Sand und sah, wie sich dessen magisches Wasser am Strande brach in silbern funkelndem Schaum. Den größten Teil des Himmels nahm ein tiefblauer Gasplanet ein, den ein prächtiges Ringsystem umgab, welches nicht minder silbern als die Brandung erstrahlte.
Hinter mir erhoben sich gewaltigen Dünen und die Luft besaß eine kaum beschreibbare Klarheit. Im Planetenlicht sahen die hier wachsenden Pflanzen orange und pink aus. Dahinter, jenseits der Düne, lag meine neue Heimat, das stand zweifelsohne fest. Das Schicksal hatte es immer schon so vorgesehen und so täte es nun auch kommen. Mir war weder bange noch einsam, hier lag die Wurzel meines Glückes, wobei ich noch nicht wusste, wie genau es ausschauen würde. Jedoch drängte die dahingehende Zeit auch nicht. Hier gab es keine Eile, keine Sorgen, keine Not, kein Leid.
Ich dankte Onkel Carl für all das, was geschehen war und noch geschehen sollte.
Bevor ich jedoch den Weg über die Dünen und in meine neue Welt hineintat, setzte ich mich in den warmen Sand am Ufer des smaragdgrünen Ozeans, um euch von dieser Geschichte zu berichten.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.