Scharfe Klingen (-Stadt). Ruth Broucq. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ruth Broucq
Издательство: Bookwire
Серия: 1. Die Abgebrühten
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748557326
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sich Udo und forderte Ruth auf: „Geben Sie Herrn Schulte eine Vertragskopie und packen Sie ein, wir haben hier genug Zeit verloren. Auf Wiedersehen Familie Schulte!“

      Er schüttelte den erstaunt drein blickenden alten Leuten die Hand, dann ging er schnell hinaus, und Ruth hatte alle Hände voll zu tun, seiner Anweisung Folge zu leisten, einzupacken und ihm zu folgen.

      Im Auto lachte Udo lauthals, sagte glucksend: „Na, sind wir ein Team, oder nicht? Das klappt doch prima! Fünfzehnhundert Mäuse verdient! Das lass ich mir gefallen. Jetzt feiern wir, und morgen schreiben wir den nächsten Auftrag!“

      „Mensch Udo, du bist ja richtig frech zu den Kunden. Ich habe mich zeitweilig wirklich geschämt. Das kannst du doch nicht machen!“ kritisierte Ruth, obwohl sie sich auch über den Auftrag freute.

      Udo lachte nur, widersprach: „Und? Siehst du doch, dass ich kann. Du musst dir eines merken, liebes Schätzchen, Frechheit siegt!“

      „Irgendwann geraten wir mal an die falschen Leute, die deine freche Art mit einem Rauswurf beantworten.“ War Ruth überzeugt, aber Udo lachte nur.

      An diesem Abend musste Ruth ihr letztes Geld opfern, denn Udo verstand unter feiern, sich sinnlos zu besaufen. Mangels eigenem Geld musste sie die Rechnung bezahlen. Was Ruth aber am meisten mitnahm war seine Ausdauer. Während er mit jedem Glas munterer wurde, ohne dabei betrunken zu wirken, trank sie nur Cola und fiel vor ernüchternder Müdigkeit fast über ihre eigenen Füße.

      Endlich um drei Uhr in der Frühe war er zur Heimfahrt bereit.

      Erst nach der Werbertour kam Ruth am nächsten Mittag wieder ins Büro. Noch hatte sie die ganzen wertvollen Adressen des Vortages, einschließlich zwei Neuer, in ihrem Aktenkoffer. Und natürlich den Auftrag.

      „Na sag mal, Ruth, wo warst du denn gestern? Vorgestern kam dein Mann nicht zur Arbeit, und dafür ist er mir noch eine Erklärung schuldig geblieben, und gestern du? Wechselt ihr euch jetzt ab, damit ihr euch hier nicht begegnet? Oder was soll das Kindergarten- Spiel?“ überfiel der Chef sie aufgebracht.

      Ohne darauf einzugehen, sagte sie: „Können wir private Details meiner Ehe ein anderes Mal erläutern und jetzt erst mal zum Geschäftlichen kommen?“ dabei legte sie den Koffer auf die kleine Theke, öffnete ihn und entnahm den ausgefüllten Auftrag. Unter Berts staunenden Augen legte Ruth den Vertrag auf die Theke und sagte energisch: „Bevor wir etwas anderes besprechen, möchte ich den Auftrag abrechnen, den ich gestern geschrieben habe. Das war mir wichtiger als ins Büro zu kommen. Da gibst du mir doch wohl Recht. Bert?“

      „Wie? Seit wann machst du die Termine selbst und wieso schreibst du Aufträge? Das ist nicht deine Aufgabe und außerdem gegen unseren Vertrag.“ Knurrte Meier empört, nahm aber den Vertrag in die Hand und überflog den Auftrag.

      Ruth dachte an Udos Aussage, Frechheit siegt und widersprach energisch: „Nein Bert, es ist nicht richtig wie du unseren Vertrag hinstellst. Dann muss ich dir sagen, dass du nicht weißt, was du in deine Verträge aufnimmst. Dass ich keine Aufträge schreiben darf, steht da nicht drin. Auch nicht, dass ich keine Termine wahrnehmen darf. Da steht lediglich klar und deutlich, dass ich die Werbedamen in die Gebiete fahren muss, und im Büro eine Kartei zu führen habe. Nicht was ich da reinschreiben muss oder wann auch nicht. Also lass doch bitte die Kirche im Dorf und gib mir einfach Eintausendfünfhundert Mark, für die Einhundertfünfzig Quadratmeter. Danach können wir alles Weitere besprechen, falls du noch Fragen oder Bemängelungen hast.“

      Und solange kriegst du die anderen Adressen auch nicht, hätte sie fast gesagt. Aber Ruth konnte sich gerade noch zurück halten. Erst wollte sie hören was er erwiderte.

      Ruth sah zu der Sekretärin rüber, die sie, mit erschrecktem Gesichtsausdruck und vor Staunen offenstehendem Mund, anstarrte.

      Sekundenlang blieb es ruhig, sah Ruth wie Meier die Farbe wechselte, und sie befürchtete, dass er gleich losbrüllen würde, aber dann holte er hörbar tief Luft und fragte: „Stimmt das Frau Wirtz? Haben Sie den Arbeitsvertrag so global geschrieben? Ich kann es nicht glauben, dass Sie so oberflächlich sind. Also?“ sein Unterton war drohend und von unterdrückter Wut durchtränkt, für die er ein Ablassventil suchte. Er machte seine unbeteiligte Sekretärin zum Sündenbock.

      Empört wehrte sich die Sekretärin: „Nein, Herr Meier, ich habe den Vertrag exakt nach Ihren Anweisungen geschrieben. Ich bin und war nie oberflächlich. Das möchte ich mir verbeten haben. Schieben Sie mir bitte keine Schuld zu, die mich zu Unrecht trifft.“ Dabei verzog die Gute die Mundwinkel, dass Ruth befürchtete, Frau Wirtz würde gleich weinen.

      „Das stimmt.“ Stimmte Ruth der Sekretärin schnell zu. „Du hast den Vertrag in meinem Beisein diktiert. Es war dir nur wichtig, das Arbeitsgebiet mit festlegen zu können. Eine eigentlich unwichtige Sache, was du bisher auch noch nie getan hast. Wäre ja auch unsinnig, schließlich kommst du aus Bayern und ich kenne meine Heimat viel besser als du. Aber das sind wieder unwichtige Details, zahl mir doch einfach die Auftrags-Provision. Dir soll es doch egal sein, wer den Auftrag schreibt. Dass ich es genauso gut kann wie die Herren Vertreter, das habe ich doch schon bewiesen. Was soll also diese unnötige Diskussion?“ wurde Ruth langsam ärgerlich. Sie fühlte sich in ihrer Ehre gekränkt.

      „Nein! Das ist nicht egal! Wer meine Firma repräsentiert bestimme ich immer noch selbst. Und die Vertreter kenne ich, und die kennen meine Vorstellung von den Regeln des Anstandes und Moral, das ist mir wichtig. Und deshalb…“

      Zornig fiel Ruth ihm ins Wort: „Wie bitte? Wie darf ich das denn verstehen? Ich kenne also die Anstandsregeln nicht und bin unmoralisch? Ha, ha, ha, lieber Bert, du willst mir doch nicht allen Ernstes etwas von Moral erzählen? Ausgerechnet du? Du bist ja der Moral-Apostel schlechthin! Davon habe ich mich ja ausreichend und oft überzeugen können. Und deine Vertreter sind ja wirklich ausgesprochene Gentlemen. Ich kriege gleich einen Lachkrampf. Nee, lieber Chef, du musst mir keine Aufträge abnehmen, die kann ich auch woanders verkaufen. Eine Firma Güvo oder Selm wird sich die Finger danach lecken, aber vor allen Dingen, weil ich denen mal offerieren werde, was ich noch alles bringen kann, mit meinen Adressen! Und bevor du behauptest, es wären deine Adressen, muss ich dir empfehlen tatsächlich mal meinen Arbeitsvertrag zu lesen. Darin steht nämlich nichts, aber auch gar nichts von den Adressen. So, zahlst du jetzt oder nehme ich den wieder mit?“ zischte sie sauer und riss Meier das Papier aus der Hand, welches er immer noch festhielt.

      Frechheit siegt, hatte Udo ihr zu Recht suggeriert.

      Was dachte sich dieser arrogante Meier? Nur weil er mehr Geld hatte, sei er etwas Besseres? Deshalb könne er mit ihr umgehen wie mit einem dummen, kleinen Kind! Ha, das würde sie ihm beweisen. Wer war dieser Hurenbock denn schon? Ruth bebte vor Zorn.

      Meier hatte Ruth mit offen stehendem Mund angestarrt, er schien sprachlos. Doch dann besann er sich eines Besseren, versuchte zu beschwichtigen: „Nun mal langsam. Sei doch nicht gleich eingeschnappt, Ruth. So war das doch gar nicht gemeint. Ich wollte dich doch nicht kränken. Also lass uns in mein Büro gehen und in Ruhe über die Sache reden. Wir werden schon eine Lösung finden!“ lenkte er ein.

      Ruth schüttelte energisch den Kopf und sagte störrisch: „Nein Bert, wir brauchen das nicht in deinem Büro zu besprechen. Jetzt hat die Frau Wirtz eh schon alles mitbekommen, deshalb müssen wir daraus kein Geheimnis mehr machen, wie wir uns einigen. Ich sage dir meine Bedingungen. Entweder du zahlst mir ab dem nächsten Auftrag, der von meinen Adressen reinkommt, eine Super-Provision von drei Mark pro Quadratmeter, und ich werde mindestens einen pro Woche selbst schreiben, oder ich wechsle mit meinen Werbedamen die Firma. Das ist die einzige Wahl, die du hast. Anders geht es nicht mehr! Ich war lange genug ein Schäfchen, das ist vorbei. Ich muss mir eine Wohnung einrichten, ich dafür brauche jetzt viel Geld. Das Mini-Gehalt reicht dazu nicht!“ verlangte sie mit hartem Ton und Nachdruck in der Haltung.

      Empört erwiderte der Chef: „Aber Ruth, ich kann doch nicht zusätzlich drei Mark an dich bezahlen, dann wäre ich ja bei dreizehn Mark pro Quadratmeter. Nein, das geht nicht!“

      Wieder schüttelte Ruth den Kopf, schlug gelassen vor: „Nein, musst du doch nicht! Dann ziehst du die drei Mark einfach den Vertretern ab. Sieben Mark sind auch genug, dafür dass es die Herren sonst