Nachdem Udo ihre Partner über ihre Trennungs-Absicht aufgeklärt hatte, war Ruths Mann wutentbrannt aufgesprungen und hinaus gestürmt.
Die Konfrontation war zwar einfacher als gedacht, aber dafür giftete Udos Partnerin sie an: „Und? Wieso sitzt du noch hier? Nun hast du ja erreicht was du wolltest. Die Beziehungen zerstört, meinem Kind den Vater genommen, und deinen Mann bist du auch auf leichte Art los geworden. Also, auf was wartest du noch? Verschwinde!“
„Schweig, Manuela! Die Ruth bleibt hier! Es ist jetzt zu spät noch irgendwo hinzugehen. Wir werden uns morgen eine Bleibe suchen. Heute Nacht schläft sie hier!“ befahl Udo scharf.
Zornig wehrte sich Manuela: „Was? Nein, nicht in meiner Wohnung! Das erlaube ich nicht! Sie soll sofort abhauen!“
Drohend erhob sich Udo während er hart bestimmte: „Sie bleibt! Schluss jetzt! Noch ist das auch meine Wohnung, und du hast meinen Gast zu respektieren. Ich bin müde, ihr beide schlaft im Bett und ich lege mich auf die Couch. Für eine Nacht muss das gehen! Und jetzt keine Widerrede mehr!“
Doch da raffte Ruth sich auf, griff zum ersten Mal ein und widersprach energisch: „Nein, Udo, das will ich nicht. Ich lege mich nicht in euer Bett, und schon gar nicht neben die da.“ Dabei wies sie auf die Wütende.
„Es ist richtig, dass wir jetzt nirgendwo mehr klingeln können, aber dann schlafe ich auf der Couch. Das musst du verstehen.“
Sekundenlang sah es so aus als wolle Udo ärgerlich reagieren, aber dann nickte er und entschied: „Gut! Wir bleiben beide die Nacht auf der Couch. Du nimmst das kleine und ich das große Sofa. Und du, gib endlich Ruhe und geh ins Bett, Manuela. Mit Geschrei änderst du jetzt auch nichts mehr!“
Niemand widersprach, sie waren alle nervlich geschafft.
„Komm zu mir!“ verlangte Udo, als die Hausherrin im Schlafzimmer verschwunden war.
Energisch schüttelte sie den Kopf und lehnte ab: „Nein, das ist doch nicht dein Ernst? Du willst doch nicht jetzt und hier? Wenn deine Ex im Nebenraum liegt? Das kann ich nicht, das musst du verstehen. Außerdem bin ich einfach zu müde. Aber ich hab schon eine Idee wo wir vorübergehend unterkommen können. Bei meiner Freundin Beate. Die hat ein Gästezimmer, das können wir sicher benutzen. Aber jetzt möchte ich mal versuchen, noch ein paar Stunden zu schlafen. Mach bitte das Licht aus. Gute Nacht!“
„Na gut, dann schlaf!“ knurrte Udo ärgerlich.
Trotz bleierner Müdigkeit dauerte es noch eine ganze Weile bis sie endlich schlafen konnte.
Ruth ließ das Geschehen in Gedanken Revue passieren, denn wäre ihr Ehemann klüger gewesen, hätte er es nicht so weit kommen lassen. Aber in Roberts egoistischem Denken war kein Platz für andere Menschen. Den wenigen Raum in seinem Gehirn hatte er immer mit Alkohol zugeschüttet, und sich dann noch selbst bemitleidet, weil er danach unter seinen schrecklichen Kater-Problemen zu leiden hatte. Ruths Rat, doch das, was er ja offenbar nicht vertrug, nämlich den Alkohol, einfach aus dem Körper zu lassen, hatte er natürlich ignoriert.
Stattdessen hatte er seiner Frau die Aufgabe des Versorgers der Familie überlassen, ja sogar akzeptiert, dass sie sich prostituierte. Er hatte es sich bequem gemacht und sich auf ihre Kosten ausgelebt und ausgetobt. Dabei hatte er nicht davor zurückgeschreckt, mit brutalen Attacken gegen Ruth vorzugehen, wenn sie sich auflehnte und nicht nach seiner Pfeife tanzte. Oft hatte Ruth sich bei den Kindern verkriechen müssen, was sie vor Prügel bewahrt hatte.
Zweimal, in zwölf Jahren, hatte Ruth ihren Mann verlassen. Einmal hatte sie es sogar bis zur Scheidung durchgehalten, war aber immer wieder zurückgekehrt, hauptsächlich wegen der beiden Kinder. Daran war auch die ständige Ermahnung ihrer Mutter nicht ganz unschuldig, die ihr immer vorgehalten hatte: denk an deine Kinder, die brauchen einen Vater. Diese mütterliche Einstellung war auch der Grund, warum Ruth sich davor scheute, jetzt ihre Mutter zu besuchen, weil sie die Ermahnung nicht mehr hören wollte. Roberts Mutter war das krasse Gegenteil, da sie ihren Sohn gut genug kannte, und das Fiasko seiner Ehe hautnah miterlebt hatte, hatte die Schwiegermutter immer auf Ruths Seite gestanden, denn schließlich hatten sie all die Ehejahre, mit Roberts Eltern, Tür an Tür gewohnt,
Das Maß des Erträglichen war mit Roberts Besuch in einem Pärchen-Club überschritten, wobei er sogar die Begleitung ihrer besten Freundin benutzt, und sich Ruths Zustimmung regelrecht erpresst hatte.
Als Ruth dann Udo getroffen hatte, den sie flüchtig aus ihrer ehemaligen Milieuzeit kannte, war aus einem Disco-Flirt Liebe geworden, weil Udos liebevolle Aufmerksamkeit und seine Weltgewandtheit sie fasziniert hatte. Dabei hatte Ruth den ehemaligen Croupier erst gar nicht gemocht, sondern Udo als arrogant und versnobt empfunden, obwohl sie kein Wort mit ihm gewechselt hatte, wenn er mit ernster Miene an der Bar des Lokals, Bijou, stand. Auch war ihr damals gar nicht aufgefallen, welch attraktiver Mann ihr da Visavis stand. Dunkles, fast schwarzes, kurzgeschnittenes Haar, große dunkelbraune Augen unter buschigen Brauen, eine gerade Nase in dem schmalen Gesicht, und ein auffallend voller Mund, mit einem schmalen Schnurrbart darüber, bildeten ein Gesamtbild, das durch seine große, schlanke Gestalt, und seine elegante Kleidung Seriosität vortäuschte. Obwohl Udo fünf Jahre jünger war, war er ein ganzer Mann. Ruth hatte gleich gemerkt, dass Udo sie, mit seinem unerschütterlichen Selbstvertrauen, beschützen und leiten konnte, sodass sie sicher war, an seiner Seite die Erfüllung und Zufriedenheit zu finden, die sie immer vergeblich gesucht hatte. Vielleicht würde seine Liebe ihre geheime Sehnsucht verscheuchen, die sie seit einem Kindheitserlebnis hatte, sich selbst aber nicht eingestehen wollte. Ganz in seiner dominanten Art hatte Udo ihr erklärt, dass er mit ihr zusammenbleiben wolle, weil sie füreinander bestimmt seien. Ruths Einverständnis voraussetzend, hatte Udo dann konsequent seine Partnerin und Ruths Ehemann vor vollendete Tatsachen gestellt, und den Beiden die Trennung bekannt gegeben.
Nicht nur Udos schnarchen, sondern hauptsächlich die Ungewissheit, wie sie ihre neue Situation meistern konnten, hielt sie lange wach, bis sie endlich in einen unruhigen Schlaf fiel.
„He du, Schlampe, steh auf, es reicht jetzt! Du hast hier lange genug die Luft verpestet. Verschwinde endlich!“
riss sie die wütende Beschimpfung der Gastgeberin aus ihren wüsten Träumen.
„Halt dein freches Maul, Manuela, sonst stopf ich es dir!“ fuhr Udo zornig aus seinem Schlaf hoch. „Los, mach Kaffee!“ befahl er.
Die Drohung rief ein unangenehmes Gefühl in Ruth wach, kannte sie das doch zu gut von ihrem Mann, sich mit Gewaltandrohung durchzusetzen. Aber war das in diesem Fall nicht nur, weil Udo sie vor den Angriffen der Rivalin schützen wollte? Sicher meinte er das nicht ernst, wäre er nicht wirklich Handgreiflich geworden?
Tatsächlich verzog sich die Freche in die Küche und man konnte sie dort rumoren hören.
„Willst du zuerst ins Bad gehen, Schatz?“ fragte Udo, während er sie liebevoll küsste. Sie nickte und verschwand schnell ins Badezimmer.
Allerdings fand sie das Handtuch zu schmutzig und unappetitlich, deshalb ging sie noch einmal zurück und bat: „Udo ich brauche ein frisches Handtuch, hast du mal eins für mich?“
Voller Ironie rief Manuela aus der Küche: „Ach Gottchen, Madame braucht ein frisches Handtuch! Sonst noch Wünsche? Wenn dir das nicht gut genug ist, was da hängt, dann wasch dich gefälligst zu Hause. Na Bravo, Udo, da hast du dir aber ein feines Zierpüppchen eingefangen. Hoffentlich kann die wenigstens kochen, oder ist sie da auch zu fein für?“
„Halt die Schnauze, Manuela! Warte, Schatz, ich hol dir eins!“ Zeigte Udo Verständnis und brachte ihr das Gewünschte. „Mach möglichst schnell, damit wir hier raus kommen. Dann kann sie in der Bude hausen wie sie will. Ich kann das alles hier schon lange nicht mehr sehen!“
Ruth begnügte sich mit einer kurzen Katzenwäsche, denn auch sie wollte dieses ungastliche Haus schnellstens verlassen.
Als sie aus dem Bad kam schlug ihr köstlicher Kaffeeduft entgegen, und Udo hielt ihr eine Tasse des dampfenden Getränks entgegen.
„Setz dich und trink in Ruhe den Kaffee,