KISHOU II. Michael Kornas-Danisch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Kornas-Danisch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754146002
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      „Wo ist der Ort bemessen, an dem Kurluk das Allsein verdrängt!“, donnerte es noch einmal dröhnend aus dem Munde Boorhs.

      „Ich kann es nicht entscheiden!“, reagierte das Untere Squatsch nun doch etwas nervös. „Es sind inzwischen so viele Zeiten vergangen ... viele Zeiten!“, entschuldigte er sich bei Kishou, die nur immer wieder verwundert mit großen Augen vom Unteren Squatsch zu Boorh – und wieder zurück schaute. „Ich kann es nicht entscheiden!“, gestand er nun auch Boorh. „Kurluk ist dein! Kurluk ist bemessen in deiner Zeit ... in deiner Zeit! du musst den Ort vom Allsein trennen! – Er gehört zu Boorh!“, wendete er sich nun wieder an Kishou. „Er gehört zu seinem Revier. Zu seinem Revier! Er muss bemessen, wo sich vom Allsein verdrängt, was das Seine ist – wenn ihr meine Worte wohl bemesst!“

      Kishou schaute noch immer mit großen Augen, und ,bemaß nicht wohl’ – und Boorh schäumte. Er wendete sich ins Landesinnere und sein Blick glitt konzentriert über den Horizont. Nun war es wenigstens endlich still. Auch das Untere Squatsch war verstummt. Boorhs Mine war finster, wie er den Horizont durch die Baumskelette hindurch abtastete.

      Ohne den Blick abzuwenden, bewegte er sich nach einer Weile auf Mo zu, und beide nahmen sich bei den Händen. Eine ganze Weile standen sie so da, gemeinsam Hand in Hand, und fixierten den Horizont – als Mo plötzlich leicht in einem bläulichen Ton zu fluoreszieren begann. Nur wenig später hob sich ihr rechter Arm und ihre Hand wies in eine Richtung. „Es ist entschieden!“, sagte sie nur. Der Schein um sie herum verschwand, und ihre Hände lösten sich.

      Ein zufrieden grinsender Boorh wandte sich um. „Boorh entscheidet: Der Pfad zu dem Ort, an dem Kurluk das Allsein verdrängt, ist von Boorh bemessen und in Mo entschieden!“ Er schaute dann doch etwas betreten zu Kishou hinüber und stapfte zu ihr. „Verzeiht Boorhs kleine Unbemessenheit. Boorh entscheidet: Kurluk ist sehr wichtig für Boorh, und Boorh ist sehr wichtig für Kurluk!“

      Kishou war heilfroh, dass Boorh sich wieder beruhigt hatte, und stupste ihn neckisch in den haarigen Bauch. „Ist schon gut, Dicker!“, grinste sie. „Ich darf das doch sagen, oder?!“, raunte sie leise zu ihm nach oben.

      Das breite Grinsen Boorhs war Antwort genug. „Entscheidet Kishou noch ein wenig das kleine Allsein aufzusuchen, bevor ihr die Zweite Ebene des Zweiten Tals des Zweiten Droms vom Allsein verdrängt?“, fragte er.

      „Nein, lass mal!“, winkte sie ab. „Ich fühl‘ mich gut – eigentlich fast wie gerade ausgeschlafen!“, fiel ihr nun auf, und ihr Blick wandte sich, die Sonne suchend, zum Himmel. „Komisch...!“, wunderte sie sich. „Der Tag kann noch nicht besonders alt sein. Wie lange waren wir dem im Allsein unterwegs?“

      „Boohr entscheidet: Im Allsein ist keine ,Länge’ bemessen!“

      „Wie – keine ,Länge’?!“

      „Boorh entscheidet: Allsein ist nicht ,lang’!“, versuchte er es noch einmal.

      Hä? ... aber wir waren doch ...!“

      „Nein, nein!“, mischte sich das Untere Squatsch ein, und watschelte mit wichtigem Gang zu den Beiden hin. „Nur das vom Allsein Verdrängte hat eine ,Länge’. Nur was vom Allsein verdrängt ist! Allsein ist nicht verdrängt vom Allsein! – nein, das ist es nicht – also hat es keine ,Länge’!“

      „Versteh' ich nicht ... ich kann mich doch noch genau erinnern!“

      „Erinnern ... Erinnern ...!“ Das Untere Squatsch wiegte seinen Kopf zweifelnd und mit hochgezogenen Augenbrauen hin und her. „Erinnern hat ,Länge’. Erinnern ist: vom Allsein verdrängen!“, dozierte er. „Erinnern ist in Kishou – ja das ist es! Kishou ist verdrängt vom Allsein! Kishou hat Erinnern und ,Länge’! Aber Allsein hat kein Erinnern! Allsein hat keine ,Länge’! – Nein, hat es nicht!“ Er schüttelte noch einmal nachdrücklich den Kopf.

      „Ich werd’s überschlafen!“, wehrte Kishou achselzuckend ab. „Lass uns erstmal los, sonst stehen wir noch morgen hier!“

      Es war doch alles etwas verwirrend, und die praktische Orientierung in der neuen und fremden Umgebung schien ihr erst einmal doch wichtiger und spannender. So machte man sich endlich auf den Weg, und nahm die Richtung, die Mo vorgab.

      Von den unzähligen Baumskeletten abgesehen, die überall in großer Zahl – mal in kleinen Gruppen, oder etwas weiter entfernt, zuweilen auch als offenbar ausgedehnte Wälder auftauchten, war es eine ausgesprochene Steppenlandschaft – mehr oder weniger übersät von dicken Grasbüscheln und vereinzelten Sträuchern und Büschen, die in einem harten, von feinen Rissen durchzogenen Boden staken. Alles war verdorrt und stand regungslos und stumm in der Landschaft, wie Mahnmale einer vergangenen Zeit. Vereinzelt erhoben sich in der Ferne Berge. Auf manchen von ihnen standen jene dunklen Rauchsäulen, die Kishou schon bemerkt hatte, und die den Berg gradlinig mit dem Himmel verbanden. Mit zunehmender Höhe breiteten sie sich aus, bis sie sich mehr und mehr im Blau des Himmels verloren.

      „Es ist schön, mal was anderes zu sehen, als nur Steine und Sand – aber auch ziemlich unheimlich, wie das alles hier aussieht!“, stellte Kishou fest, die an der Seite des Unteren Squatsch hinter Mo und Boorh herschritt. „Wieso haben die Stämme, die hier leben, eigentlich so komische Namen?!“, ging es ihr durch den Kopf. „,Lange Schatten’ ... und ,Grabenmacher’...?!“

      „Nun ja – also, die vom Stamme der Langen Schatten verdrängen eine hochgewachsene Gestalt vom Allsein. Ziemlich hochgewachsen. Aber ihr Umfang verdrängt nicht besonders viel vom Allsein. Nein – nein, nicht sehr viel!“ Er deutete mit seinen patschigen Händen in etwa den Umfang an. „Vielleicht so ... nicht mehr. Nein – mehr nicht. Die Sonne ... verdrängt zuweilen einen sehr langen Schatten vom Allsein, ... sehr lange Schatten, wenn sie den Lauf ihres Lichtes begrenzen. Sehr lange Schatten!“

      Kishou gluckste etwas amüsiert. „So einfach ist das? – und die Grabenmacher? Sag’ nicht, die machen Gräben!“, belustigte sie sich.

      „Ja. Ja. Wie Kishou entscheidet, so verdrängt es das Allsein!“

      „Echt?!“, lachte Kishou. Sie stellte sich Wesen vor, die mit einem Spaten herumliefen und immer nur damit beschäftigt waren Löcher zu buddeln ... „Und was soll das – ich meine, wieso machen die das?“, wollte sie nun auch wissen.

      „Nun ...,!“, bemühte sich das Untere Squatsch zu erklären, „Als die großen Wasser noch flossen in der Zweiten Ebene des Zweiten Tals des Zweiten Droms, mussten viele Gräben und Tunnel vom Allsein verdrängt werden. Viele Gräben und Stollen ... mussten sie. ... damit die Wasser überall diesen Ort bemessen konnten. ... ja, sehr viele Stollen und Gräben waren nötig in jener Zeit. Sehr viele!“ Er wiegte, sich erinnernd, seinen rundlichen Kopf. „Und sie waren auch sehr hilfreich gegen die Rjuchhus ... durchaus sehr hilfreich!“

      „Wie – Rjuchhus ...?“

      „Nun ja – also ... Die Tunnel und Gräben verdrängten durchaus einen Schutz vom Allsein …gegen die Rjuchhus ... und in diesen Zeiten selbstverständlich auch gegen die Korks!“

      Kishou kratzte sich nachdenklich den schwarzen Schopf. Sie meinte, den Namen schon einmal gehört zu haben. ... Boorh hatte ihn erwähnt, als sie Schutz vor dem rollenden Berg in einem Krater gesucht hatten, erinnerte sie sich nun. Aber was das war ...?. „Was ist ein Rjuchhu?“

      ~*~

      Die Prüfung

      Durch die Tücher vor den Augen der Grabenmacher war die weitere Szene kaum mehr zu verfolgen. Zu schnell ging alles. Tek wirbelte um seine Achse, dass ihn die erste Salve knapp verfehlte, um die zweite mit seinem Spinschuh abzufangen. Und im Ausweichen vor der Dritten lag bereits die Körperdrehung, mit der er die gefangenen Pfeile in den Kopffortsatz des Ungeheuers lenkte. Fast geräuschlos drangen die spitzen Stäbe in das hypnotische Auge des Untiers ein. Die Kugel erhob sich, um dann mehrmals hart auf den Boden aufzuschlagen. Sie wirbelte herum, und hatte offenbar keine Orientierung mehr.

      Tek war bereits auf dem Weg. Mit schnellen Schritten war er bei dem Rjuchhu, sprang zwischen dessen