Sonne satt. Roma Hansen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roma Hansen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738039245
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Usas Gesicht und Kinn, aufgelegt an Antons Schulter. Leo lächelt.

      „Gut, ich zügle Spitzfindigkeiten, aber meine, Anton sollte in eine zweckdienliche Assimilation mit Bauern einsteigen.“

      Anton Züge werden hölzern. Ihm missfällt ihr Vorschlag für ein Einswerden mit der Dorfkultur. Zumindest dies bewirkt zu haben, befriedigt Leo in ihrem Ansinnen. Einlenkend grinst sie zu Lian, hakt sich bei ihr ein, und hört Jörg den Rat geben:

      „Oder nur in Permakultur anbauen. Unvorstellbare Rottehitze brutzelt in den Beetkernen. Jedoch was deine Prognose betrifft, Margarita, so hoffe ich, unser Fest gefällt euch allen!“

      Im Nu sieht er nach Vera, abgekehrt steht sie da. Ihm, dem Gastgeber, behagt das nicht. Mitnehmen könnte er sie. Bevor er noch daran entlang gedacht hat, stört ihn ein im Nachbargelände aufgellendes Geschrei. Schnelle Laute, mit nichts vergleichbar.

      „Was ist da los?“, brummt Maik, entfernt sich zur Einfahrt.

      Dort erwischt ihn Jörg am grüngestreiften Hemdärmel, stoppt seinen Gang und tritt dicht vor ihn, leise sprechend.

      „Da eskaliert das Resultat der Polizei, die Verwandtschaft krakeelt. Der uns befragende Beamte vermutet keine Bluttat in dem ungeklärten Fall, obgleich ein Vöglein ihm zwitscherte, der Verschwundene hätte Schulden, hat sich aus dem Staub gemacht.“

      Jörg mustert Maiks unter der Sonnenbräune fahl werdende Miene, und ergänzt zögerlich: „Verhagelt dir ein unglücklicher Abgang die Petersilie? Kriminalistischen Spürsinn wecke, wäre besser.“

      Maik spult seine vormalige Beobachtung im Blick nach drüben ab. Ruckartig spielt mit den Schultern. Dann nickt er, den Kopf bedauernd zur Seite geneigt.

      „Von solchen Zuständen lernen Kinder keinen Respekt. Nichts dort sollten wir mit unserer Lebensweisheit bewerten, uns nicht einmischen. Vermutlich beendet der Flegel Jacko sein erlerntes und ebenso berechtigtes Bockigsein von selber irgendwann.“

      „Beide Jungs brauchen ein Regulativ, sie werden ohne eines zu gestörten Psychopathen“, erklärt Jörg gereizt, und nimmt die Hand von Maiks Ärmel. „Der Polizist informiert das Sozialamt, da die Alte die Kinder nicht abgebe, sie dann allein wäre. Das Amt behandelt die Jungen so normal wie alle, dann wirkt in dem Alter Anderssein nicht wie Pickel auf der Nase. Das erinnere ich vom Aufwachsen meiner Söhne, und zeitnaher aus dem Zorn des Beamten wegen der Kindesmisshandlung: Die sei aufgeflogen, der barbarischen Familie dürfen die Kinder des Verschwundenen nicht egal sein. Vor allem müssen die Verwandten der rabiaten Oma die Wichtigkeit ihres Daseins absprechen.“

      Horchend hinüber zu den einander jagenden Schreien, steckt Jörg sich die Zeigefinger in die Ohren.

      „Darüber streiten die also“, knurrt Maik. Langsam kehrt in sein Denken eine Struktur ein, und die rüttelt an dem unlängst mutmaßten Verdacht. Um Jörg eine Frage verständlich zu machen, hebt er seine Stimme an in lautes Dröhnen.

      „Nichts anderes wurde über den Vermissten berichtet?“

      Jörg schüttelt den Kopf, samt der Finger in den Ohren. Sein Jackett bauscht sich im üblen Wind, dem zänkischen Geschrei.

      „Inzwischen“, hebt Maik an, und brüllt ebenfalls, „schließe ich ein Gewaltverbrechen nicht mehr aus. Oder stürzte der etwa im Suff zu Tode? Was sagt der Spezi?“

      „Nichts. Wie ein rechtschaffen Trauriger. Ich höre nur das lästige Krakeelen der Alten, sobald sein Fischwagen vorfährt.“

      Jörg gibt den Versuch wegzuhören auf, tippt an seine Stirn in der Geste für Unterbelichtete, kreuzt dann die Arme am Leib. Schon sieht er Leo und Lian näherkommen, kommentiert fix noch:

      „Die drüben haben einen Defekt an gutem Benimm.“

      „Nach unseren Wertenormen!“, stößt Lian aus.

      Sie weiß nicht wohin mit ihren zappligen Fingern, legt sie vorerst an ihre vor keimendem Mitleid schmal gewölbten Lippen.

      Leo schürzt den Mund zu einem festen Knoten, kurz nur.

      „Unsere Gene verbergen noch Geheimnisse über die Anlage zu übermäßig aggressivem Schreien, auch übers Alkoholsaufen.“

      „Könnte Ursache sein, muss ja nicht“, zischt Lian durch die Zähne. Ihr Genick versteift sich, es reibend mit einem Finger, fügt sie an: „Die Oma überfordert das Verschwinden ihres Sohnes und seine Ableger. Einen Stresstest braucht die nicht!“

      „Willst du denn gar nicht wissen, was geschah?“, fragt Maik eifrig, wendet alsdann ein bettelndes Gesicht an Jörg.

      „Der ist schlau, den findet keiner“, erwidert Jörg sofort.

      Dem entgegen wedelt Maik mit den Armen den aggressiven Wind von gegenüber zu ihm, da er den Rest der Freunde kommen sieht.

      „Der war nicht schlau, Jörg!“

      Usa, und Anton mit Vera und Margarita an den Armen verhakt, nähern sich wie ein sehr grüner Wall. Usa hält zu den Dreien eine kleine Distanz, aber den Lamentierenden einen Tadel hin:

      „Nun beendet eure Diskutierfreude, ja, ihr Lieben?“

      „Die geht mir gehörig auf den Senkel. Wir wollen ungestört feiern, muss doch unbedingt sein!“, verstärkt es Anton.

      Vermeintliche Herzlosigkeit durchzuckt Jörg. Er findet auch über die Streiter ein Resümee.

      „Eigentlich ist der Mensch gut, hat nur schwache Nerven. Du bekommst dafür von Mona gleich deinen Champagner, der macht dir deine Hacken leicht, Anton!“

      Antons kleine Augen weiten sich perplex.

      „Geht's eine Nummer cleaner? Ich schwor dem Suff ab!“

      Jörg hebt seine Arme entschuldigend.

      „Ah, mein Fehler! Beim Lärm der Proleten, sieh es mir nach, wie arg mir mein Festgemüt durcheinander geriet.“

      „Proleten wissen genau, was sie tun!“, schnauft Margarita kehlig, ihrem täglichen Umgangston verfallen. Sie löst sich von Anton. Lahm hängen ihre Arme. Nicht jedoch ihre Stimmung. „Ganz gleich, was sie brüllen, hört nicht hin! Sie fliehen in ihre Realität wie stachelige Igel, und tragen obenauf ihre niedrige Frustgrenze. Kommt, sonst sinkt meine Feierlaune gegen Null!“

      Gegenüber, im Gelände der alten Hütte, flutet nochmals ein vielstimmiges Kreischen. Es brandet herüber und bestürzt Anton. Unumwunden fällt er in seine alte Arena, orientiert sich daran, wie jeder mit der Prägung es täte, der zu früh zu viel erlitt. In der Sekunde seines Verdrängens entschlüpft ihm ein tristes „Ups!“ Die Umstehenden horchen auf.

      „Neid betäuben die im Gebrüll und bezeugt uns Fremden! Aber denke ich nach, sehe ich über denen sieben Todsünden schweben, um deren Vollkommenheit sich nicht nur diese Schreier bemühen, für ihre Initialzünder noch etlicher anderer Grausamkeiten.“

      „Du kennst dich aus? Deine Auslegung, nicht alle sind so!“

      Vera entzieht sich seinem Arm, aber fixiert seine schnelle Bauchatmung unterm waldgrünen Tshirt. Ebenso Lian.

      „Wer will feiern können, wütet auch ihr zwei euch an? Denen da drüben fehlen doch nur die Erfahrungen, die wir aus den uns üblichen heilsamen Sichtweisen heraus haben.“

      Vera rückt an Lians Seite, kämpft zeitgleich ihren Brasst im Beruf nieder. Streng bleibt ihr Ton, wenngleich er kaum Lian meint, die sie ansieht. „Kein Mensch aus unserer Realität kann denen helfen, die mit Augen wie Kakerlaken sehen. Denen erklärt sich niemals unser sozialverträgliches Miteinander.“

      An Veras Nasenspitze stupst kurz und zart nun Lian.

      „Die da drüben schlafen ja bloß wie Kinder, sind Nachahmer, streiten ungefiltert um ihre kindlichen Vorrechte. In mir aber knurrt der Mutterinstinkt. Demzufolge, stören wir die Schläfer nicht länger.“ Spontan winkt sie mit einer Hand Maik und Jörg heran, und dreht sich schon halb weg. „Das Fest soll beginnen.“

      Um