Sonne satt. Roma Hansen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roma Hansen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738039245
Скачать книгу
meinen Koffer voll meines Schicksals auf der Suchtschiene und muss ehrlich in Allem werden. Oft springe ich nur auf an das Trittbrett von Usas intergalaktischen Zug.“

      In seinen Weitblick berücksichtigt Anton allerdings nicht Carels Bedeutung, die er abdrängt, hinter Usas Geräusche an der Nähmaschine. Die beeindrucken ihn, und kommen auch nicht gegen Leos Herumzappeln am Stuhl an, als hätte sie ihre Bereitschaft verloren. Trotzdem fällt er in friedliche Laune. Er spreizt die Finger, die Knöchel knacken ein Signal.

      „Weißt du, Leo“, beginnt er sanft, einen Finger rechts an ihre Schulter tippend. „Ich kenne psychosoziale Faktoren und anerkenne dein Recht auf deinen Blickwinkel. Aber auch du hast einen Happen von der Jägermanier. Nutze den, scheuche mich aus der Stagnation auf und rufe herbei das Web von Schamanen. Mit deren Denkstrukturen bin ich erfahren.“ Er rückt die Tastatur vor Leo, und vermeint, ihm schwebe ein Campfreund in den Sinn.

      „Kennst du alle großen Such- und Kommunikationsforen?“

      Nur flüchtig runzelt Leo ihre Stirn, aber seine helle Miene erneuert ihren Drang in die Tasten zu greifen. Bald blinkt eine Seite auf. Anton ging das viel zu rasch, er will es lernen.

      Früh am Nachmittag treffen des Nachbarn Jörg' Söhne ein. Tiefe Stimmen schallen, als Maik sie begrüßt und über den Kies führt. Anton tastet an seine vom Horchen auf Leos Hinweise rote Ohren, über die sie witzelt, bevor sie geht, um die Fremden kennen zu lernen. Doch zuvor, wie Anton hört, da zugleich das Nähgeratter schweigt, begeistert Leo Usas Anwendung von Ursache und Wirkung für einen neuen Sinn in der Zukunft, Usas Erfolgsaussicht mit einer bunten, in Blau gehaltenen Patchworkdecke.

      Nur einen Moment erregt Leos Entzücken über satte Blautöne Anton, laut genug zu ihm gedröhnt, und mit einem Bild. Sanfte klare blaue Wellen, transparent bis an den Sand am Ufer ferner Inseln. Jede rückläufige Welle am Strand trägt an der Krone die Worte Ursache und Wirkung. Bald schwappen in ihm nur diese zwei Worte. Andere Geräusche, die der endlosen Folge an Gepäck, von Fremden getragen und mit rüpelhaftem Slang belegt, versinken im Wasser wie hinter einer Wand, klar wie Glas. Vor Anton aber, am PC-Bildschirm, steht ein Suchforum. Beseelt noch, gibt er den Namen seines Freundes aus dem Schamanencamp ein. Er landet an einer Seite von aktiven Helfergruppen bei Katastrophen, und die wirft ihn um. Sehr lange betrachtet er ein Foto seines Freundes vor einem zerstörten Haus. Er zieht Parallelen zum Unwetter auf Madeira im Februar. Inmitten dessen, und im Vorgespür, erwartet Anton, ihm offenbare sich Ursache und Wirkung daran, und seine Sicherheit, denn ihn schütze seine Wand aus Glas. Darin jedoch schimmert bald das Gesicht seines Indianerlehrers, verrunt von Besorgnis, mit einem wilden Schwenken eines rotweiß gestreiften Absperrbandes in Händen. Anton interpretiert es fehl. Abenteuer treiben nach Übersee, weit weg der tausende Schritte im Garten. Die allein erschaffen keine neue Welt, nur absolute Trägheit! Im Ruck, setzt Anton seine Aktionen am PC fort, und unterdessen versinken die unwirklichen Farben des Tages im Westen.

      12

      Vom nächsten Morgen bis in den Nachmittag hinein forscht Anton im Internet. Längst klebt fader Geschmack im Mund. Zur Erlösung solcher Verbissenheit, stürmt ein lindgrüner Leinenhosenanzug ins Büro. Usa präsentiert sich.

      „Anton, wende deine Stimmung um hundertachtzig Grad!“

      Wer könnte sich dem und dem grünen Energieschub entziehen?

      Anton seufzt letztmalig vor seinem unbedingten Findenwollen dessen, was wäre, wenn aus ihm ein Katastrophenhelfer würde.

      „Ein wenig mehr, schaffst du doch!“, fordert Usa frohgemut, und beugt sich vor, kneift ihn zart in eine Wange. „Ich greife dir bei der Wahl des Tshirts unter die Arme. Wir Frauen tragen mehrheitlich Grün, und sehen unsere Kerle auch so aufgemotzt in Jörgs Lieblingsfarbe, dem festlichen Anlass entsprechend.“

      Am frühen, linden Abend gehen Margarita und Leo, Lian, Vera und Maik, Anton und Usa zur Quinta von Mona und Jörg. Oberhalb am Schotterweg, der als ausgefahrene Piste zu Bergweiden führt, parken etliche Kleinwagen. Teils blättert alternder Lack ab, so werden sie gefahren von genügsamen Residentes. Im Haus sind die Gäste, Gelächter hallt auf die Terrasse, gen Atlantik angelegt. Darüber spannen Girlanden ihre Farben, eine duftige Atmosphäre im Wind. Sitzkissen auf Mauern laden ein, später liegt der von Sternen übersäte Horizont im Nachtdunkel direkt voraus.

      Beim Betreten der Parkzone nähert sich Jörgs dunkler Anzug. Das Jackett zwischen den aufgekrempelten Ärmeln steht offen. So seine Arme, die sein Willkommen gestikulieren, eine Einladung.

      „Mögt ihr unseren sommerlich sattgrünen Hang besichtigen?“

      Er eilt voraus. Schon erwägt Maik bei sich, der Hang lenke kaum ab von Jörgs Erregung zur Feier des Ehejubiläums. Am Hang hinab sieht Maik noch zu dem vor Wochen verschütteten Haus, dem gekippten Mast. Seither zeigt er Zwei Uhr an, wie viele Uhren der Insel. Maik folgt nach, betrachtet alle Gruppenpflanzungen hinter den zwei brusthohen, sechs Meter langen Hügelbeeten in Permakultur. Das Gemüse steht üppig im Saft. Davor verweilen die Freunde, umstehen anerkennend Jörg.

      „Nichts an diesen Beeten zerstörten die Wasser des Februar. Das Gemüse strotzt vor Kraft, anheim gegeben den madeirischen Urgesteinen, und profitiert vom feuchten Wind.“

      Stolz grinsend streichelt Jörg die violettblauen Blätter an Kohlrabiknollen. Er hebt den Blick zu den sieben Nachbarn, und nistet den an Maiks Strubbelhaar ein. Wie getrieben reibt Jörgs Linke den Duft des Kohlrabis an seinen polierten Oberkopf, und offenbart den Lauschenden noch eine Erklärung.

      „Mir schenkt das Firmament den Siderischen Zyklenkalender, inzwischen vergleiche ich nichts mehr von dem, was an welchen Elementetagen in die Erde ging. Der Ertrag beweist es mir. Der siderische Mondzyklus zeigt beinahe einen Tierkreis zurück an, nicht den vor Jahrtausenden festgelegten Rhythmus von einst.“

      Zwar bewundern die im Halbkreis untergehakt Stehenden seine Erträge, unterscheiden sich jedoch in Begeisterte und Zweifler. Jörg verschränkt seine Gärtnerarme vor dem Bauch.

      „Anton, Maik erzählte, dich beschäftigen die Kabbeleien am Firmament. Seit ich mein Gemüse beobachte, sind mir Einflüsse von Planeten vertrauter, die Polaritäten von oben und unten.“

      Anton befreit sich aus Usas um seine Hüfte klammernden Arm, glättet sein Tshirt am Bauch und geht drei Schritte vor zu ihm.

      „Gestirne sind wie Inseln im Meer des Alls, in dem sie Ebbe und Flut bewirken, wie das Mondlicht für die Erde“, entfährt es ihm, mit weit offenen Augen. „Der Ertrag deines grünen Daumens nach dem Saatkalender erhöht meinen Gärtnerherzschlag!“

      An leisen Sohlen nähert sich sekundenschnell Usa nun Antons Rücken. Sie rückt ihre Sandalen am Erdweg hüftbreit auseinander und greift, damit er nicht entwische, um Antons Hände.

      „Weise gesprochen!“, billigt sie sein Lob. „Was sich oben anbahnt, lehrt mich, mit geerdeten Füßen zu verstehen.“ Jörgs, ob ihres Zugriffs baffe Miene, reizt sie. Sie legt ihr Kinn auf Antons Schulter, zirpt ihm ins Ohr: „Kommen Boden und Füße und Hände ohne einander aus? Gilt nicht nur für dich, den Gärtner!“

      Hinter sich hört Usa Lians vertrautes Kichern. Dem vollste Zustimmung entnehmend, denkt sie einen Moment an den nachts für Lian geschmiedeten Erfolgsplan, der auch ihr den Mut bietet für ihre öffentlich anzuschauende Zuneigung.

      Usas Umklammerung einen süßen Moment musternd, gesellt Leo sich den Dreien zu, aber reckt Vera eine zuckende Braue hin.

      An Lians Stirn kreuzen ahnungsvolle Falten auf, Leos Mimik gefällt ihr nicht. Leo hatte ihre vorausschauende Art bei der Erfolgsbestellung während der Nacht passender vorgeführt. Lian registriert auch, wie, irritiert von Usas Demonstration, Vera der Gruppe abrupt den Rücken zudreht.

      Margarita tritt hinzu, zupft Leo am grasgrünen Blusenärmel.

      „Wir haben etwas vor, und Anton ist sowieso diffus drauf.“

      Dies zu hören, zuckt an Jörg und Maik bis in die Füße. Ihre Blicke fliegen