bernsteinhell. Roma Hansen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roma Hansen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738043129
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reservierte starre Haltung.

      „Vernachlässigt Helena uns wegen der Zeitverschwendung für die Näherei, dann verpasst sie den Anschluss an die angenehmen Stunden mit uns. Sie sollte sich ohne das plumpe Gestricke als eine würdevolle Gläubige des Allmächtigen sehen, so, wie wir alle.“

      Schon spreizt sie den kleinen Finger, hebt einen Bissen Streuselkuchen in ihren Mund.

      „Mir wär es auch lästig, mich derart anzustrengen, wenn ich mir eine Idee zurechtnähe“, zischelt Hanna quer über den Tisch. „Deshalb werde du nicht ausfallend, Eugenia. Ja, Helena braucht gigantische Kräfte, will sie das leere Bett übersehen.“

      Helena stöhnt auf, legt ihre Kuchengabel nieder. Trocken liegt ihr Mund. Von der Abweisung steigt ihr ein Schwindel in den Kopf. Die Welle geht aus von Emilie und Eugenia. Deutlich wie nie fühlt sie die Distanz zu ihnen, derer Gezeter um den eigenen Seelenfrieden, der sie nichts angeht. Klar im Gespür und sicher, vertreibt ein warmes Flattern in der Stirn den Schwindel. Saubere Begeisterung dringt machtvoll in ihr Herz. Derjenigen beim Ausstopfen gleichend, wenn sie das Heu fest einpresst, dann den Bauch des hübschen Zwergen zunäht. Gelassen lächelnd, wendet sie sich an Emilie.

      „Meinen Optimismus stören eure Kommentare aber gründlich! Nun ja. Gerne agiere ich auch nach meinen Fähigkeiten bei anderem Tun. All das verbraucht viel Zeit, womit Eugenia schon Recht hat. Ich beehre dein nächstes Kränzchen nun wohl eher nicht.“

      „Fehle bitte nicht sehr oft. Martha ist schließlich schon abwesend.“

      Insgeheim stimmt Emilie erleichtert zu. Das Gespräch bislang trug kaum geistigem Austausch in sich. Plötzlich hakt sie nach, und dies keineswegs mit leichteren Gemütsbewegungen.

      „Andere Aufgaben? Nähst du noch etwas?“

      „Bernsteine bearbeite ich!“ Helena tippt an den Stein an ihrer Bluse, der unter dem Finger sein goldenes Licht erstrahlen lässt. „Der ist mein Kraftspender in Hingabe an Handarbeitskünste! Überlieferungen sagen, er reinige und lenke eine schöpferische Anlage, passe sie in die große Welt ein, schenke Eingebungen.“

      Was sie offenbart, verpufft zu einem Nichts. Jedoch Emilie schnauft und öffnet empört den Mund.

      „Humbug! Glaubst du, du bist eine besonders Mutige? Ständig gibt es Übergriffe auf Sammler!“

      „Ja, ja, ja!“ Um innerlich nicht gar so zu brodeln wie ein überkochender Milchtopf, hält Helena ihren Bernsteinanhänger hoch und sich daran fest, nur nicht ihre Zunge. „Weise Dichter sagen, der größte Kampf ist, Talente freizusetzen. Ich bin offen für allen Lichtzauber an der Ostsee! Sie macht neugierig auf Schätze im Sand. Mein Schmuck sagt mir wahrhaftig, ich werde sehen, was er anregt!“

      „Deine Wahrheit!“, erschrillt, stechend wie bei einem Ferkel, Eugenias Stimme. „Neugierde macht unglücklich. Du stürzt in Illusionen, und erfüllst nicht demütig die wertvollen Anforderungen eines normalen Frauenlebens!“

      Schon reckt Hanna die Tasse, fuchtelt hoch und kreischt: „Normales hänge an das Kreuz! Spucke es nicht in unsere Tassen! Kritisiere ich dich, wie du an den Platz, an den du dich stelltest, Aufgaben bewältigst? Die antiquierte Sicht auf die Frauenrechte erschüttert mich zutiefst! Außerdem, der Bernsteinhandel gehört längst nicht nur Danziger Kaufleuten. Bedenke die Unsrigen, Eugenia!“

      Ermattet vom Tumult ihrer Gedanken, lehnt Hanna im Stuhl, ihre Teetasse klirrt am Untersatz. Helena beißt die Zähne fest zusammen, legt kurzum und gewollt in ihre Stimme Irrelevanz.

      „Hinter Klagemauern verkriechen sich Frauen ohne Courage und ohne Format, wenn ein Schnitt das Normale zerreißt. Genüge es mir, nur einem Haus vorzustehen, würde ich es erfüllen.“

      Tine sieht mitfühlend zu Helena, faucht sodann Eugenia an.

      „Helena erträgt ihre Lage, heiße ihr Tun gut! Tätige Hände schmücken das Leben couragierter, sehr talentierter Frauen. Was ist nur los! Hast du vor lauter Etepetete bei Bertholds den Glauben an dich verloren? Versuchst du, nüchtern den Schein zu wahren?“

      „Na, na!“, wirft Emilie ein, und murmelt nach einer Sekunde gen Eugenia: „Auch mir erscheinst du ein wenig missgünstig. Gib dein Bestes, liebe Freundin! Ist es an dir, Streit auszulösen?“

      Am Hals reibend, fixiert Eugenia das Wandgemälde. Angefacht von deren analytischem Betrachten, durchblickt sie, was sie bedrückt. Noch beleidigt klingt ihre Antwort.

      „Generell nahm ich an, unter uns aussprechen zu dürfen, was ich zu allem an Wichtigem meine.“

      Tine lächelt ironisch, von den Wangen bis zu den Ohren. Uns so spricht sie auch. „Brennen dir etwa respektvolle Worte auf der Zunge?“

      „Oh nein! Keine soll Anerkennung in Frage stellen! So oder so ticken unsere Herzen gutwillig.“

      Für diesen Hinweis Emilies verschließt sich Eugenia. Sie fühlt geradeso, wie sie es ihr auszureden versuchte, aber lenkt ein.

      „Nun, sollte ich übers akzeptable Maß hinaus getreten sein, dann bitte ich sehr, vergesst ihr alle es!“

      Hanna rückt am Stuhl, knirscht über die Dielen. Sie hüstelt ins Schweigen, tastet dezent an die Rolle ihrer braunen Haare, befingert dann am Ohr den in Silber gefassten Bernsteintropfen.

      „Emilie, kann Bernstein denn mehr als nur schmücken?“

      „Ein Thema, bei dem ich nichts zur Unterhaltung beitrage.“ Emilie drückt einen Zeigefinger vor die Brille an der Nase. „Johann plädiert dafür in lächerlicher Weise. Er findet bei mir keine verwandte Seele, erwartet er auch nicht mehr.“ Erröten steigt ihr ins Gesicht. Sie sinkt in nachdenkliches zum Fenster hinausschauen, lässt sich eine Minute, um Eugenias Blick einzufangen. „Bei Bertholds wirken sich Rangunterschiede aus. Selten nur ist sinnvoll, was die einreden: An dieser Klippe zu straucheln, zu stürzen, das wahre Sehnen zu verlieren. Jede Frau sollte dem Allerbesten folgen. Nichts wissen wir davon, was künftig Helena bestimmt ist. Sieh doch, die eigentliche Reiberei läuft im eigenen Inneren, wir sollten es miteinander unterlassen.“

      Zufrieden, dem Gespräch ihren Stempel aufgedrückt zu haben, blickt Emilie in die Runde. Für sie ist das Spektakel am Ende. Leider bemerkt sie, wie interessiert Helena Eugenia bei einem Schluck Likör trinken beobachtet. Und schon lauscht sie Helenas Kommentar.

      „Trinkst du andachtsvoll, dann kann dein Mund nicht beißen, Eugenia. Also ist auch dir nichts unmöglich. Nur deine Vernunft verhindert, dir etwas Abwegiges ans Herz zu legen.“

      Tine entfährt helles Lachen und sie neigt den Kopf anerkennend.

      „Über belanglose Kleckse zu schmunzeln, gäbe Fröhlichkeit!“

      Vor ihrem breiten Grinsen duckt Hanna sich ein wenig im Rücken. Um so lockerer wird ihr Mund.

      „Manchmal in diesem Winter wurde mir eigenartig zumute, von Ereignissen, die im Grunde mir den Humor gründlich verdarben.“

      „Der Zahn der Wintermelancholie nagt an allen“, meldet Eugenia. „Eingesperrt in die vier Wände, ist mir Haus Berthold auch oft sehr eng von deren Ansichten. Hin und wieder verbleibt eine Minute für meinen Abstand. Die aber schmeckt bitter. Kein Gedicht gäbe die angemessene Ablenkung für mein Gemüt. Was mag ich groß anderes finden. Ach, ach.“

      Eugenia seufzt schwer zu den Bergfelsen im grünen Almbild hinauf. Emilie lässt sich nicht täuschen, spricht eindringlich.

      „Anhand der Güter der Freigeister tauschen wir übermächtige Gedanken aus gegen bereichernde. Entgegen aller Verbote, stelle die, die dich aufhalten wollen, Eugenia, in eine andere Ecke.“

      Sich selber hört Emilie reden, so, als lege sie ein Gebot an den Teetisch, an dem die Teetassen ohne ein Klirren nacheinander gehoben und wieder abgesetzt werden. Rasch murmelt sie, damit sich die von ihr gepäppelte Harmonie nicht verflüchtigt:

      „Martha nützen bereichernde Gedichte auch nichts. Weißt du, Eugenia, was Martha so alles schon zugestoßen ist?“

      Hanna schnellt