Verlorenend - Fantasy-Epos (Gesamtausgabe). S. G. Felix. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: S. G. Felix
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738095289
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obwohl sie nicht die richtigen Mittel zur Verteidigung besaßen.«

      »Und wie ist dieser Konflikt ausgegangen? Ich meine, wenn sie gegen die Invasoren machtlos waren, dann ist Ilbétha wahrscheinlich entführt worden. Habe ich recht?«, fragte jetzt Gilbert, der genauso wenig wie die anderen etwas über die wahre Geschichte des Krieges wusste.

      »Nein. Von den wenigen Quellen, die wir haben, geht relativ eindeutig hervor, dass Ilbétha starb und deshalb für die Invasoren keinen Wert mehr besaß. Sie war geschwächt auf unsere Welt gekommen und überlebte den Krieg nicht.«

      Antilius musste daran denken, was das Orakel in Verlorenend ihm anvertraut hatte. Nämlich, dass Ilbétha noch irgendwo auf Thalantia sein würde, und er mit niemandem darüber sprechen dürfe. Aus diesem Grunde behielt er diese Information erst einmal für sich. Wenn Ilbétha noch leben würde, dann wären die Folgen kaum auszudenken.

      Die Präfektin fuhr fort: »Die Geschöpfe, die unsere Welt überfallen hatten, zogen sich nach und nach zurück. Einige kehrten in ihre Heimatwelten zurück. Andere jedoch konnten oder wollten nicht mehr zurück. Nach dem Tod Ilbéthas muss ein heilloses Durcheinander geherrscht haben. Die zurückgebliebenen Fremden verkrochen sich in die dunkelsten Ecken und Winkel Thalantias, weil sie sich vor Vergeltungsmaßnahmen der Thalantianer fürchteten. Viele sind in ihren Verstecken verendet. Aber einige haben überlebt. Wie zum Beispiel das Sandwesen, von dem Antilius erzählt hat. Oder die Späher, die im Turm der Zeit leben. Das vermuten wir zumindest.«

      »Und der Dunkelträumer ist dann vermutlich auch einer der Übriggebliebenen, nur mit dem Unterschied, dass er nicht hier auf diesem Planeten ist«, folgerte Pais.

      Die Präfektin nickte.

      »Verzeiht«, begann Antilius, »aber der Sandling, dem ich begegnet war, schien mir kein aggressives Wesen zu sein. Er hatte mir bei meiner Suche geholfen, kurz bevor er starb.«

      »Nicht jedes Geschöpf von außerhalb war von Grund auf böse. Es war vielmehr so, dass Ilbétha auf alle eine magische Anziehungskraft ausübte, der sich keiner widersetzen konnte. Es muss eine Art Besessenheit gewesen sein, die in einen gewalttätigen Konflikt mündete.«

      »Und welche Rolle spielte dabei der Dunkelträumer?«, fragte Haif.

      Die Präfektin schaute den kleinen Sortaner verschwörerisch an: »Der Dunkelträumer war von allen fremden Wesen das gefährlichste und hinterhältigste. So jedenfalls ist es uns überliefert. Aber um Euch die Gefahr, die von ihm ausgeht, zu verdeutlichen und Euch zu erklären, wie es zu seiner Verbannung kam, werde ich Euch in die Stadt der Ahnen mitnehmen. Im Zentrum, tief unter der Erde, haben wir eine Pinakothek. Vielleicht werdet Ihr dann auch besser verstehen, warum unsere Vorfahren beschlossen hatten, nach dem Ende von Ilbétha all das zu vernichten, was an jene Zeit erinnern könnte, und das wenige Verbliebene geheim zu halten.«

      »Eine Pinakothek? Das heißt, Ihr besitzt Gemälde, die von jenen finsteren Tagen berichten? Gemälde, die über tausend Jahre alt sind?«, fragte Antilius, völlig perplex.

      »Arcanum, die Stadt der Ahnen!«, seufzte Haif. »Ich werde die Stadt der Ahnen betreten. Das ich das noch erleben darf!«

      Die Präfektin kam gar nicht dazu, Antilius' Frage zu bejahen, da Pais als Nächster das Wort ergriff.

      »Dann sollten wir sofort aufbrechen. Ich habe ein ungutes Gefühl bei dem Gedanken an diesen Dunkelträumer. Was immer er vorhat bei seiner geplanten Rückkehr, es ist bestimmt nichts Gutes. Jeder noch so kleine Hinweis, den wir in Arcanum erhalten, kann sich als nützlich erweisen. Ihr, Präfektin, würdet uns nicht die Ehre erweisen, die Stadt der Ahnen zu betreten, wenn Ihr nicht von einer noch größeren Gefahr für uns alle ausgehen würdet. Eine Gefahr, die sich unserer Kontrolle entziehen könnte, meine ich.«

      Die Präfektin sah Pais scharf an. Entweder mochte sie es nicht, dass ihre wahren Befürchtungen offengelegt wurden, weil sie als Anführerin eine beruhigende Wirkung auf ihre Untergebenen haben sollte, oder sie mochte solche Analysen nicht gerade von Pais hören, weil er in ihren Augen ein Deserteur war. Aber Pais war es gleich, was sie über ihn dachte.

      »Ich hoffe, dass keine unmittelbare Gefahr droht. Aber ich stimme Euch zu. In knapp zwei Stunden können wir schon dort sein, wenn wir zügig laufen«, sagte sie.

      »Laufen? Zu Fuß?«, fragte Haif verdutzt, der sich eigentlich schon auf ein opulentes Mittagessen auf dem Landgut gefreut hatte.

      Pais stand von seinem Stuhl auf und fasste Haif an seine fellbedeckte Schulter. »Abenteuer werden wir nicht erleben, wenn wir hier bleiben und uns die Bäuche vollschlagen«, sagte er mit einem ungewohnt gutmütigen Lächeln.

      »Du hast wohl recht«, sagte Haif wehmütig. »Ich werde diese ruhigen Tage hier vermissen. Und das Essen.«

      Ganz besonders das Essen, dachte er ergänzend.

      Antilius brannte noch eine Frage auf der Seele, weshalb er als Letzter von seinem Stuhl aufstand und sich dann nach anfänglichem Zögern doch an die Präfektin wandte.

      »Eine Frage hätte ich noch«, begann er. »Ihr erzähltet uns soeben von der Wortherkunft des Namens Ilbétha.«

      »Ja?«

      »Ich frage mich, ob Ihr mir etwas über die Herkunft meines Namens sagen könnt. Wie Ihr bereits wisst, ist Antilius dem Anschein nach nicht mein richtiger Name. Es wurde mir nur geraten, diesen Namen fortan zu verwenden, weil er einzigartig sei. Ich weiß zwar, dass wir jetzt wichtigere Dinge zu erledigen haben, aber es würde mir sehr viel bedeuten, wenn Ihr etwas darüber wisst.«

      Die Präfektin nickte verständnisvoll. »Ich wollte es Euch eigentlich unter vier Augen sagen, aber ich kann es auch hier tun, wenn Euch das recht ist.«

      »Was meine Person betrifft, so habe ich vor meinen Freunden keine Geheimnisse«, sagte er.

      Haif schwoll ein wenig die Brust. Freund, dachte er stolz.

      »Der Name Antilius ist, soweit ich das sagen kann, in der Tat einzigartig. Wenn ich mich aber nicht irre, dann steckt in Eurem Namen ein Begriff aus der alten Sprache, der sich eindeutig übersetzen lässt.«

      »Welcher?«, fragte Pais, der Antilius zuvorgekommen war, denn so wie alle anderen im Raum war auch er sehr gespannt auf eine Antwort.

      »Es gibt nur das Wort Antil, das ich kenne und welches das Einzige ist, das sich aus Ihrem Namen eindeutig ableiten lässt.« Sie machte eine kurze Pause und Antilius bekam ein ungutes Gefühl in der Magengegend.

      »Antil bedeutet in der alten Sprache soviel wie ausgestoßen oder vertrieben«, sagte die Präfektin. »Hilft Euch das weiter?«

      Antilius schüttelte den Kopf.

      Alle machten nachdenkliche Gesichter, nur Gilbert, dessen Spiegel immer noch auf dem Tisch stand, versuchte sich an einer Bemerkung, die an alle gerichtet war. »Merkwürdig, findet ihr nicht? Ich meine, dieser Begriff würde doch eher auf diesen Dunkelträumer passen. Schließlich ist er der Ausgestoßene, aus welchen Gründen auch immer das geschehen sein mag.«

      Pais wollte barsch etwas erwidern, unterließ es dann aber, weil er zu dem Schluss kam, dass Gilberts Gedanke alles andere als dumm war.

      Die Präfektin wandte sich an Antilius, der über die Bedeutung seines Namens grübelte. »Es ist zu schade, dass Ihr Euch nicht erinnern könnt. Augenscheinlich gibt es eine Verbindung zwischen Euch, dem Dunkelträumer und den außergewöhnlichen Ereignissen.«

      »Niemand bedauert meinen Zustand mehr als ich«, sagte Antilius enttäuscht.

      »Das sollte keine Kritik sein«, entschuldigte sich die Präfektin. »Ich will damit nur sagen, dass Ihr möglicherweise der Schlüssel seid, um die Bedrohung durch den Dunkelträumer endgültig zu beenden.«

      »Und um diese Bedrohung besser zu verstehen«, mischte sich Pais ein, »solltet Ihr uns jetzt zur Stadt der Ahnen führen, Präfektin. Es eilt.«

      Alle packten ihre wenigen Habseligkeiten zusammen.

      Antilius steckte den Spiegel von Gilbert mit dem Griff