Verlorenend - Fantasy-Epos (Gesamtausgabe). S. G. Felix. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: S. G. Felix
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738095289
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verfüge, dann werde ich sie als Erstes vernichten. Wenn sie etwas im Schilde führen würden, hätte mich das Flüsternde Buch gewarnt.«

      Antilius rollte übertrieben grüblerisch die Augen: »So? Bist du sicher? Ist es nicht ein wenig merkwürdig, dass deine Allmacht noch nicht komplettiert ist? Glaubst du, das wäre ein Zufall?«

      »Es wird nicht mehr lange dauern und dann ...«

      »Ja, ich weiß. Aber könnte es nicht sein, dass jemand nicht wollte, dass du vollständige Kontrolle über die Macht der Transzendenz bekommst? Kann es nicht sein, dass du getäuscht worden bist? Kann es nicht sein, dass das Flüsternde Buch dir nur das gesagt hat, was du hören wolltest?«

      »Nein, das ist absolut unmöglich. Niemand kann mich aufhalten!«, rief Koros angsterfüllt.

      »O, doch! Die Späher. Sie können es. Und sie werden es tun. Sie haben schon auf dich gewartet. In deiner grenzenlosen Gier nach der Macht hast du das Offensichtliche völlig ignoriert.«

      »Das Offensichtliche?« Der Transzendente war verstört.

      »Die Späher benötigten jemand, der eine endgültige Verbindung von einem fernen Ort im Universum in diese Welt herstellt. Und du bist jetzt genau der Richtige dafür. Du bist diese Verbindung.«

      »Verbindung? Wofür?«

      »Um jemanden aus dem fernen Ort die Rückkehr nach Thalantia zu ermöglichen. Und dein geliebtes Flüsternde Buch hat alles gewusst. Es hat dich die ganze Zeit belogen.«

      »Du lügst! Du bist ein feiger Lügner!«, schrie Koros jetzt der Panik nahe. Seine halb durchsichtige Gestalt flackerte wie eine Fackel.

      »Die Wahrheit ist das Einzige, was uns verbindet. Das waren deine Worte. Und ich sage jetzt die Wahrheit.«

      »Nein! Du lügst! Du bist ein erbärmlicher Lügner!«

      »Dann finde es doch heraus! Lies meine Gedanken! Das kannst du doch jetzt, da du allmächtig bist. Oder soll ich dir die Wahrheit zeigen? Soll ich in deine Gedanken eindringen?«, fragte Antilius, ohne darüber nachzudenken, was er gerade sagte. Doch in diesem Moment wusste er, dass er es können würde. Dass er in Koros' Gedanken eindringen konnte, wenn er es nur wollte. Es war dieses Mal aber mehr als nur eine Intuition. Es war absolute Gewissheit. Es war der Bruchteil, den Antilius über sich selbst erfahren hatte, der Koros aus der Fassung bringen konnte.

      »LÜGNER!«, kreischte Koros.

      »Sieh dir die Wahrheit an!«

      »NEIN!«

      »DIE WAHRHEIT!«

      »NEIN! Ich will nicht!«

      »SIEH, WAS ICH GESEHEN HABE!« Mit diesem Satz sprang Antilius auf Koros zu. Er durchbrach seine Aura, die ihn wie ein Schild umgeben hatte, und fasste ihn an seine verschwommene Stirn.

      »SIEH, WAS ICH GESEHEN HABE!«

      Und Koros musste sehen. Mit einer Brutalität, die Koros noch nie im Leben erfahren hatte, drang Antilius in Koros' Gedanken ein. Es war dem Transzendenten unmöglich, sich zu wehren. Er sah das Portal. Er sah den Sandling, der unter dem Sternenhimmel starb. Und Brelius, wie er seinen Verstand verlor. Er sah das Orakel mit den drei Gesichtern, und was diese Gesichter zu Antilius gesagt hatten. Er erfuhr von der Existenz des Dunkelträumers und von den Lügen des Flüsternden Buches.

      Er sah die Wahrheit, und er zweifelte nicht an ihr.

      Es gelang ihm irgendwie doch, sich aus Antilius' telepathischem Griff zu lösen (aber nur, weil Antilius es zuließ) und ihn von sich zu stoßen. Seine Aura wurde schwächer. Seine Konturen wurden wieder deutlicher. Er begann wieder mehr und mehr wie ein natürlicher Mensch als ein übernatürliches Wesen auszusehen. Er schien sich wieder in einen normalen Menschen zurückzuverwandeln. Die Attacke hatte ihn erheblich geschwächt.

      Er strauchelte. Seine Knie wurden weich.

      »Du musst dich irren! Ich habe nichts übersehen. Ich habe keine Fehler gemacht. Und selbst wenn. Jetzt bin ich unfehlbar geworden! Ich bin der Transzendente! Daran wirst du mit deinen Lügenmärchen nichts ändern können! Akzeptiere, dass du verloren hast! Akzeptiere es endlich!«, schrie er, obwohl er doch eingesehen hatte, dass er betrogen wurde. Er zitterte am ganzen Körper. Er musste sich auf seine Knie stützen, sonst wäre er zusammengebrochen.

      »Ich irre mich nicht. Zu mir hat das Flüsternde Buch nicht gesprochen. Meinen Verstand hat es nicht vernebelt«, sagte Antilius.

      »Unsinn! Was weißt du schon über das Buch? Du hast keine Ahnung, worüber du redest. Du weißt nicht, wie es ist, diese schwere Bürde zu tragen. Du weißt ja nicht einmal, wer du eigentlich bist, du Bastard!«

      Während Koros noch mit seinem Gleichgewichtssinn kämpfte und Antilius anbrüllte, flammte ein zartes Licht im rotierenden Kristall des Portals auf. Es war wieder schwarz, nur dieses Mal nicht so intensiv. Eher unscheinbar.

      »Ich mag zwar keine Vorstellung von den kranken Fantasien haben, die dir das Buch eingeflößt hat, aber ich kann immerhin noch klar denken. Und klar sehen.

      Schau auf den Kristall und beurteile dann, ob ich Lügenmärchen erzählt habe«, sagte Antilius und zeigte zum Portal.

      Koros fuhr erschrocken herum. Sein Blick war getrübt. Er sah nur einen undeutlichen düsteren Schein an der Stelle, an der er den Kristall vermutete. Etwas Weißes löste sich aus dem dunklen Leuchten. Ein greller weißer Punkt. Koros rieb sich hilflos die Augen, aber das Bild wurde nicht schärfer. Im Gegenteil, es wurde sogar noch verschwommener. Koros fühlte sich plötzlich einer Ohnmacht nahe.

      Die grell leuchtenden Punkte vermehrten sich, und sie wurden größer. Sie kamen auf ihn zu. Ihre Helligkeit bereitete ihm ein mörderisches Stechen hinter den Augen.

      Koros schrie vor Schmerzen auf. »Was geschieht hier? Antilius! Was ist das?«

      »Es ist das, was du heraufbeschworen hast. Sie kommen, um dich zu holen. Sie haben auf dein Kommen gewartet. Und sie werden nicht ohne dich zurückkehren. Sie haben schon einmal einen Transzendenten aufgeben müssen. Sie werden diesen Fehler nicht noch einmal begehen. Sie wollen die Macht zurück. Du bist nicht der Richtige für die Aufgabe des Transzendenten.« Antilius' Stimme klang in den Ohren des Herrschers wie das Aufeinanderprallen von Stahlklingen.

      »Das kann nicht sein!«

      Die leuchtenden Sphären schlugen ins Violette um, so wie Antilius es im Stein der Zeit erlebt hatte. Mit einer zerstörerischen Ruhe glitten sie über die kalte Erde, wie Gespenster, die des Nachts durch finstere Korridore schwebten.

      Koros taumelte zurück. Seine Aura war nun vollends zerfallen. Er fühlte, dass er die Macht der Transzendenz noch besaß, er konnte sie aber nicht mehr beherrschen. Die Macht war es, die Kontrolle über ihn bekam.

      Die violett leuchtenden Sphären der Späher kamen immer näher und begannen Koros langsam einzukreisen.

      »Geht weg! Fort mich euch!« Koros schlug wie wild um sich, so als wolle er Stechfliegen verscheuchen. Sinnlos.

      Die violetten Lichter umzingelten ihn. Dann sprachen Stimmen zu ihm. Die Lichtpunkte sagten etwas zu ihm. Er konnte sie aber nicht verstehen. Es war eine fremde Sprache. Eine ganze Wolke von Lichtern umgab ihn inzwischen. Alle sprachen sie zu ihm. Sie stellten Fragen. Was war das für eine Sprache?

      »Ich verstehe euch nicht! Hört auf! Oh, bitte! Hört auf! Es tut mir in den Ohren weh. Oh bitte! Aufhören!« Koros hatte das Gefühl, sein Schädel würde anschwellen und jeden Moment platzen.

      »Aufhören!«

      Als ob der Lärm, den die schwebenden Lichter in seinem Kopf machten, nicht schon genug sei, fingen sie auch noch an, ihn mit kleinen Energieblitzen zu quälen. Jeder so schmerzhaft wie eine glühende Nadel, die in seine Haut eindrang.

      »Nein! Aufhören!«

      Doch Aufhören war wohl das Letzte, was die Späher im Sinn hatten. Vielleicht nicht mal das Letzte. Den ersten Transzendenten als Übergangsmedium für den Dunkelträumer zu missbrauchen,