Eliza Haywood, Horst Tran
Liebe im Exzess
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Inhaltsverzeichnis
ERSTER TEIL - Die Abenteuer des Count D´Elmont
Die Geschichte des Chevalier Brillian
ZWEITER TEIL - D´Elmonts große Liebe
DRITTER TEIL - D´Elmont in Rom
Die Geschichte des Monsieur Frankville
ERSTER TEIL - Die Abenteuer des Count D´Elmont
Während des jüngsten Krieges zwischen den französischen und den Vereinigten Armeen standen zwei Brüder, die einen besonderen Ruf erworben hatten, unter dem Kommando des großen und furchtlosen Luxembourgh. Da sie durch den Friedensabschluss keine Gelegenheit mehr hatten, ihre Tapferkeit unter Beweis zu stellen, kehrte der ältere von ihnen, mit Namen Count D´Elmont, nach Paris zurück, von wo er zwei Jahre lang abwesend gewesen war, während sein Bruder in St. Omer verblieb, bis seine leichten Verletzungen ausgeheilt waren.
Die Nachricht über die tapferen Taten des Count eilte ihm voraus, und er hatte die Genugtuung, vom König und vom Hof in einer Weise empfangen zu werden, die auch den Ehrgeiz der Stolzesten befriedigt. Seine schöne Erscheinung, seine heitere Ausstrahlung und der unvergleichliche Charme seiner Konversation erwarben ihm die Bewunderung beider Geschlechter. Während die von seinem eigenen Geschlecht bemüht waren, möglichst viel von seiner Freundschaft zu ergattern, ergingen sich die vom anderen Geschlecht in fruchtlosen Wünschen und verfluchten im Geheimen die Sitte, die Frauen verbietet, ihre Absichten offen zu erklären. Zu diesen Frauen gehörte Alovisa, die väterlicherseits von der edlen Familie der D´La Tours, ehemals Lord von Beujey, und mütterlicherseits von dem gleichermaßen illustren Haus von Montmorency abstammte. Der kürzliche Tod ihrer Eltern hatte ihr, zusammen mit ihrer Schwester, die Erbschaft eines riesigen Vermögens beschert.
Alovisa, deren Leidenschaft noch größer war als ihr Stolz und die hohe Meinung, die sie von sich selbst hatte, konnte das nicht ertragen; sie seufzte, sie schnaubte und sie tobte, als sie bemerkte, dass der bezaubernde D´Elmont ihr gegenüber keine Anzeichen einer besonderen Zuneigung zeigte.
„Tausend Verehrer“, sagte sie, „habe ich mir zu Füßen liegen sehen, ohne mir Mühe zu geben, und nun soll ich dem einzigen Mann, den ich jemals entflammen wollte, gleichgültig sein? Wozu haben meine Bewunderer sich mit meinem trügerischen Spiegel vereint, um mich in den eitlen Glauben zu wiegen, dass meine Reize unwiderstehlich sind? D´Elmont sieht sie nicht! D´Elmont ist für sie unempfänglich.“
Dann bekam sie Wutausbrüche und verfluchte einmal die eigene Ohnmacht und ein andermal die Kälte von D´Elmont. Viele Tage verbrachte sie in diesem aufgewühlten Zustand, und jedes Mal, wenn sie ihn sah, was häufig vorkam, entweder am Hof, in der Kirche oder bei gesellschaftlichen Anlässen, fand sie neue Nahrung für ihre düsteren Gedanken: Wenn er gelegentlich mit ihr sprach, geschah es mit dieser Sanftheit in seinem Blick und dieser teilnahmsvollen Zärtlichkeit in seiner Stimme, die sie beinahe glauben machten, dass Gott sein Herz gerührt hatte, welches das ihre so machtvoll in Bann hielt; wenn aber das Aufschimmern solcher Hoffnung ihr unvorstellbare Freude bereitete, wie groß war dann die anschließende Qual, wenn sie erkannte, dass diese Blicke und diese Stimme nur die Wirkung seiner angeborenen Freundlichkeit waren, und dass er jeden Mann und jede Frau mit der gleichen Art seines Verhaltens bedachte, woraus man ersieht, dass er noch nicht soweit war, die Schmerzen wahrnehmen zu können, die er anderen Menschen zufügte. Und falls die leidenden Schönen einen Trost fanden, dann im Gedanken, dass es keine triumphierende Rivalin gab, die sich mit einem Sieg hätte brüsten können, denn alle waren gleichermaßen verzweifelt und sieglos.
Die ungeduldige Alovisa aber, die es verabscheute, mit denen auf einer Stufe zu stehen, die sie in ihrer Eitelkeit als unendlich unterlegen ansah, steigerte sich fast bis zum Wahnsinn in die beiden Extreme von Liebe und Empörung hinein; tausend Phantasien gingen ihr durch den Kopf und drängten sie zuweilen, ihm ihre Gefühle zu offenbaren, die sie für ihn hegte. Sie nahm diese Entschlüsse aber fast genauso schnell zurück, wie sie gefasst wurden, und konnte sich auf keinen für längere Zeit festlegen; bis endlich die Liebe, reich an erfinderischer Kraft, sie zu einer Idee inspirierte, die ihr wahrscheinlich Zugang zu den Geheimnissen seines Herzens ermöglichen würde, und das ohne die Schande, ihre eigenen Geheimnisse zu enthüllen.
Als die Feier des Geburtstags der Herzogin von Burgund bevorstand, die mit großer Pracht begangen werden würde, schrieb Alovisa am Abend davor dieses Billett an ihn:
´An den Count D´Elmont.
Unwiderstehlich wie Ihr im Krieg seid, seid Ihr noch viel mehr in der Liebe: Hier erobert Ihr, ohne anzugreifen, und wir ergeben uns, bevor Ihr uns dazu auffordert. Das Wappenrecht verpflichtet Euch, einem sich ergebenden Feind Gnade zu erweisen, und gewiss kann der Hof nicht weniger Großmut bei Euch erwecken als das Schlachtfeld. Der kleine Gott legt seine Pfeile Euch zu Füßen, gesteht Eure überlegene Macht ein und bittet um eine freundliche Behandlung; er wird Euch morgen Abend auf dem Fest begegnen, in den Augen seiner leidenschaftlichsten Priesterin; sucht Ihn darum in derjenigen, in welcher, inmitten dieser fröhlichen Gesellschaft, Ihr Ihn am liebsten finden würdet. Ich bin zuversichtlich, dass Euer Erkenntnisvermögen zu groß ist, um ihn zu verfehlen, falls Ihr nicht durch eine frühere Liebe befangen seid, und in dieser Hoffnung werde ich so geduldig, wie meine Erwartung es mir erlaubt, die öden Stunden bis dahin verbringen.
Lebt wohl.´
Dies gab sie einem vertrauenswürdigen Diener, der sich so verkleidete, dass er unmöglich zu erkennen war, und wies ihn streng an, die Nachricht dem Count persönlich auszuhändigen und sofort zurückzukehren, noch bevor dieser sie las. Der Bursche führte seinen Auftrag wie befohlen aus, und als der Count, nicht wenig überrascht beim Lesen der Nachricht, nach dem Boten fragte und befahl, dass er bleiben solle, sagte ihm sein Diener, der Bote sei im höchsten Tempo die Treppe hinabgerannt, gleich nachdem seine Lordschaft die Nachricht erhielt. D´Elmont, der an sich selbst die Macht der Liebe nie erfahren hatte, verstand nicht sofort, was ihm da geschah; zunächst glaubte er, einer seiner Freunde stecke hinter dem Brief, entweder um seine Vorlieben zu erkunden oder um ihm seine geringe Bereitschaft zur Galanterie unter die Nase zu reiben. Bald aber gingen seine Überlegungen in eine andere Richtung, und obwohl er nicht sonderlich eitel war, fiel es ihm nicht schwer, sich zu der Meinung durchzuringen, dass eine Dame ihn durchaus vor anderen Männern auszeichnen konnte. Er fand diesen Gedanken auch nicht so unangenehm, dass er versucht hätte, ihn abzuwehren; je mehr er über seine eigenen Vorzüge nachdachte, desto plausibler erschien ihm diese Annahme. Doch wer den Brief verfasst haben könnte, war ihm so rätselhaft