Seefahrt in den 1960-70er Jahren auf Bananenjägern und anderen Schiffen. Klaus Perschke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Klaus Perschke
Издательство: Bookwire
Серия: maritime gelbe Buchreihe
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783742705839
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Oben an jeder Laderaumpforte wurden diese Burschen von je einen bulligen deutschen Laeisz-Bootsmann erwartet, also Angestellte der Reederei Laeisz, die sich im Auftrage der Reederei auf ein Jahr für diesen Kontroll-Job in Guayaquil verpflichtet hatten. Und ihr spezieller Job war, jede Bananenstaude, die an Bord getragen wurde, genau auf den Reifegrad zu kontrollieren. Man wollte unter allen Umständen verhindern, dass bereits reife bzw. überreife Stauden heimlich übernommen wurden. Jeder Bananenträger musste an der Pforte vor dem Bootsmann stoppen, damit dieser mit einem scharfen Messer eine flache Scheibe vom Strunk abschneiden konnte. Hatte der Bananenstrunk bereits eine bräunliche Verfärbung, dann war sie reif oder sogar überreif und wurde von den deutschen Bananenkontrolleuren rücksichtslos über Bord in den Fluss geschmissen. Grund: Durch diese überreifen Bananenstauden, die vielleicht versehentlich an Bord gekommen wären, bildeten sich in den Laderäumen während der Rückfahrt nach Hamburg sogenannte Reife-Nester, und das musste unter allen Umständen verhindert werden. Das betrübliche an dieser Prozedur war, jeder einzelne Bananenträger bekam oben an der Ladepforte vom Bootsmann eine sogenannte Entlohnungsmarke, wenn seine Staude im echten „Unreife-Zustand“ akzeptiert und verladen werden konnte. Flog seine Staude dagegen außenbords, ging der arme Kerl leer aus und durfte sich unten auf der Schute wieder in der Schlange neu einreihen. Wieso konnte es passieren, dass bereits reife Stauden mit an Bord geschleust wurden?

      Ganz einfach: Alle Bananenstauden kamen von unterschiedlichen Plantagen-Besitzern, die teils auf Grund der Größe ihrer Plantage, die sie bewirtschafteten, mit der Bananenernte bereits einige Tage früher vor Ankunft des Schiffes beginnen mussten. Etliche Plantagenbesitzer waren Griechen, die mit allen Wässerchen gewaschen waren. Die verfrühte Ernte der Stauden, weiter der Transport der vorgereiften Bananen zum Hafen, eins greift ins andere. Hatte ein Schiff zufällig Verspätung, dann saß der betroffene Plantagenbesitzer im Hafen auf seinen Stauden fest und konnte nur durch Schmieren des Verladers eine Schute zum Transport der eigenen Stauden bis an Bord mieten. Also ein gutes Geschäft für alle Verlader! Verlierer waren in diesem Fall immer die Empfänger der Bananenladung.

      Sobald eine Staude geerntet ist, beginnt der Reifeprozess. Rechnet man mit zwei Transport-Tagen von der Plantage zum Hafen, weiter mit dem Verladen von Land auf eine Schute, die dann endlich längsseits des Bananenjägers verholt und entladen werden kann, dann kann man als Laie, der ich in diesen Fall war, während der Überfahrt nach Deutschland sein Wunder erleben. Die deutschen Bootsleute von der Reederei Laeisz waren gnadenlose Experten, sehr zum Wohle der Ladungsempfänger in Dieppe und in Hamburg. Herr Hagenah und ich staunten nur so über diese wohldurchdachte Organisation des Ladebetriebs. Theoretisch konnte bei solch strengen Kontrolleuren eigentlich nie etwas schief gehen. Die Bananenfahrt ist international ein knallhartes Geschäft, bei dem der deutsche Reeder, in diesem Fall Herr Bruns, natürlich auch mitverdienen wollte.

      Beinahe noch etwas vergessen, so eine Art nette Nebenerscheinung im Bananengeschäft. Mit den Bananenstauden kam auch so allerlei Getier an Bord. Das stellten wir aber erst während der Rückreise fest, wenn wir alle vier Stunden unsere Kontrollgänge in den runter gekühlten Masthäusern an den Fernkühlüberwachungsgeräten absolvierten. Auf jeden Fall hatten wir etliche Bananenschweinchen in den Ladeluken. Das sind eine Art lustige kleinere Ratten, die sich hauptsächlich von Bananen ernähren und sich innerhalb der Stauden verstecken und sie selbstverständlich auch anfressen. Dementsprechend sahen einige angeknabberte Bananen innerhalb der Stauden aus. Sind sie jedoch erst einmal angenagt, kann der Empfänger in Dieppe oder Hamburg sie nicht mehr verkaufen, sondern nur noch als Futter für zoologische Gärten abgeben. Dazu kommen des Weiteren noch die grünen Bananenschlangen, die sich auch innerhalb der Stauden versteckten und sich vermutlich nur von Bananenschweinchen ernährten. Ich hatte meiner Schwester eine dieser bei den herunter gekühlten Temperaturen erstarrte Schlange gefangen, sie in einer mit Alkohol gefüllten Urinflasche ertränkt und sie mit nach Cuxhaven gebracht. Und zu guter Letzt hatte ich auch noch eine erstarrte Vogelspinne im Masthaus mit meinen Festmacherhandschuhen gepackt, auch sie im Alkohol ertränkt und für meine Schwester konserviert. Ich bildete mir ein, die junge Mademoiselle hätte Interesse an meiner Bananenstaudenausbeute und würde sie in ihrer Oberschule im Biologieunterricht dem Klassenlehrer demonstrieren. Offenbar hatte ich danebengelegen mit meiner Vermutung betreffs „großes Interesse“ an den Mitbringseln von den Bananenplantagen aus Südamerika, wie ich durch Zufall später herausfand!

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      Rückreise durch den Panamakanal nach Europa

      Etwas über 12 Stunden hatten wir doch zum Laden benötigt. Nachdem alle unsere unteren Zwischendecks mit unreifen Bananenstauden aufgefüllt waren, wurden alle Ladepforten in der Schiffsbordwand von unseren Seelords von innen seefest verschlossen. Natürlich war in der Zwischenzeit kurz vor „Ladeende“ auch unser 1. Lord wieder an Bord erschienen. Fragen wie „Na, wie war das Laden verlaufen? Gab es irgendwelche Schwierigkeiten?“ uns gegenüber hatte er nicht. Er fragte auch nicht nach dem Tiefgang bei Ladeende! Das juckte ihn auch nicht. Aber der war ja auch bereits auf Kapitän Melzers Anordnung abgelesen und ins Schiffstagebuch eingetragen worden. Spät abends am 1. April 1964 waren wir seeklar. Nachdem alle leeren Bananen-Schuten abgelegt hatten, wurde der Anker gehievt. Also: „Anker auf“, und als er in den Klüsen fest gelascht war, kam das Kommando: „Maschine ganz langsam voraus“ und schon steuerten wir anschließend ohne Lotsen den Rio Guayas hinunter in den Golfo de Guayaquil, wo Kapitän Melzer den Maschinentelegrafen auf „Voll Voraus“ legte und später die „BRUNSKOOG“ auf dem 80. westlichen Längengrad wieder nordwärts Richtung Panamakanal brausen lies, wo wir am 3. April ankommen sollten. Kapitän Melzer rechnete mit der Passage des Kanals am 4. April. Weiterhin war ein Bunkerstopp in Willemstad – Curacao um den 5./6.April herum vorgesehen.

      Wir waren nachts am 3. April gegen 02:00 Uhr im Golfo de Panama angekommen und hatten ziemlich dicht unter Panama-City in der Nähe von Balboa-Pilot-Station den Anker fallen lassen. Man muss sich vorstellen: pechschwarze Nacht, am Horizont erstrahlte Panama-City in allen Lichtern, sogar die Panamerican Bridge über den Kanal war hell erleuchtet, hin und wieder sah man nur die Positionslichter kleinerer Fahrzeuge über das fast spiegelglatte Wasser flitzen. Ein schöner Anblick, obwohl es Nacht war. Die Pilot-Station war von Kapitän Melzer bereits über unsere Ankunft unterrichtet worden. Wir gingen weiterhin Seewache oben auf der Brücke. Also der Wachoffizier, der Rudersmann und der Ausgucksmann. Der Kapitän rechnete mit der Ankunft des Lotsen gegen 06:00 bis 07:00 Uhr, aber das war auch nur eine Vermutung. Für alle Canal-Pilots wurde zunächst der in Richtung Pacific laufende Schiffskonvoi beobachtet, wie schnell er zum Beispiel die Miraflores-Locks bei Balboa erreichen und dann das letzte Schiff seewärts verlassen würde. Jedenfalls früher würde kein Pilot bei uns in Erscheinung treten bzw. über die Gangway an Bord klettern. In der Seefahrt muss man geduldig sein. Tatsächlich tauchte in der Früh gegen 07:00 Uhr ein Speedboat auf und der „Canal-Pilot“ enterte die „BRUNSKOOG“. Er meldete dem Kapitän, dass es sich höchstens noch um eine Stunde hinziehen würde, bis das letzte westwärts fahrende Schiff die Schleuse verlassen würde. Kapitän Melzer lud ihn zum Frühstück in den Salon ein, doch während des Frühstücks kam über sein UKW-Gerät die Order, den Anker zu hieven und das Schiff bis vor die Schleuse zu bewegen. Also „Stand-by“ zum Schleusen. Kaum war der Anker in die Klüse gehievt und wieder zum Fallen klargemacht, ging es schon mit „Maschine ganz langsam voraus“ weiter, die „BRUNSKOOG“ kam wieder in Bewegung. Als nächstes steuerte ein weiteres Speedboat mit der Festmacher-Crew von Balboa kommend auf uns zu und ging an Steuerbord-Seite neben der herabgelassenen Gangway längsseits, wo dann die panamesischen „wireboys“ zustiegen und sich an Bord auf ihren Stationen vorn auf der Back und achtern auf dem Achterdeck verteilten.

      In der Zwischenzeit war Wachwechsel gewesen, ich musste mit dem Zimmermann zusammen auf die Back spurten, sicherheitshalber bis vor die Schleuse „stand-by“ für eventuelle Ankermanöver, bis die „wireboys“ die Festmacherdrähte von den E-Loks an Bord gehievt und die Augen der gewaltigen Festmacher-Trossen über die Poller gelegt hatten. Wieder einmal je 3 E-Loks-Paare an Backbord- und an Steuerbordseite fest, die uns dann durch alle drei Schleusenkammern zogen.

      Auf jeden Fall passierten wir nach dieser Methode alle Loks (Schleusen) von Miraflores in Richtung