„Also hast du keine Idee aber dir wird was einfallen.“ Stellte sie fest, nicht ohne zu denken ob er irgendwann mal Bekanntschaft mit der Waldorfschule gemacht hatte lange vor dem Gymnasium. „Was soll dir denn einfallen?“, fragte Isa.
„Wie ihr die Bauruine wieder los werdet.“
„Ruine?“ empörte sie sich. „Was ich sehe ist ein wunderschönes Grundstück im Grünen, mit einem Keller für Tiefgaragenplätze und einer gegossenen Bodendecke.“ Etwas nass dachte sie, aber bei dem sintflutartigem Regen war alles nass.
„Eine Bodendecke mit einseitiger Absenkung, eine Tiefgaragenausfahrt die nicht nutzbar sein wird.“
„Sorry, du spinnst, jetzt - etwas.“
„Danke, ich mag Komplimente. Spätestens in einem Jahr wird hier die Umgehungsstraße gebaut, dazu wird die Trasse um zwei Meter angehoben und mit einem Lärmschutzwall umgeben. Das Ganze endet hier.“ Er sprang von der Kellerdecke direkt vor die Tiefgarage, so, dass ihr der Matsch bis auf die Schuhe spritzte.
Sie hüpfte verärgert zurück.
„Wie du siehst es ist sehr nass hier.“
„Es gießt in Strömen. Was soll da trocken bleiben?“
„Es ist ein Feuchtgebiet, vermutlich auf einer Torflinse. Von der Torflinse abgesehen hätte hier eine Betonbodenwanne hingehört und auf keinen Fall eine Tiefgarage. OK auf die Garage kann man verzichten, und auf nasse Keller auch. Hier hat sich einer vermessen, Das Objekt steht mindestens zwei Meter zu weit rechts. Aber das macht ja nichts, die Kellerdecke ist eh Bauschutt, der Keller muss neu hochgezogen werden, am besten gegossen. Die Kosten erhöhen sich damit, und vorher müssen Rüttelstopfpfähle oder Schachtringe in den Boden. Je Ring kannst du mit sechs Tausend rechnen. Außerdem würde mich eine Bodenprobe interessieren.“
„Bist du wahnsinnig?“
„Hast du mich gefragt, weil ich der Depp bin?“
„Und jetzt?“ fragte sie.
„Ich frage mich was will eine Handvoll Senioren hier auf dem platten Land? Das sind doch Städter. Die nächste Bushaltestelle ist weit weg, hier kannst du nicht einkaufen und auch nicht in die Oper gehen. Wo sollen sie hier die Rentner Bravo bekommen? Hier kannst du nur bei der Spargelernte helfen.“
„Und jetzt?“
„Das ist das was ich fürs Erste sehe. Und nun frage ich dich wer die Hütte entworfen hat und was er sich dabei gedacht hat.“
„Keine Ahnung. Wieso?“
„Die Treppe ist zu eng, kein Fahrstuhl, Bäder zu klein, Barrieren ohne Ende.“
„Wenn ich dich richtig versteh, fällt das hier Buchstäblich ins Wasser und ist zum Scheitern verdammt.“
Ins Wasser fallen? Hier ist kein Fluss und kein See in der Nähe, dachte Lev, dann hatte er die Idee, was ins Wasser fällt und nicht schwimmen kann stirbt. „Das Haus, so und hier, ja unbedingt. Das Projekt nicht.“
„Meine Tante und ihre Bekannten haben da schon zu viel investiert. Da gibt es doch kein zurück. Was meinst du mit dem Projekt nicht?“
„Wie ich schon sagte das Projekt muss nicht scheitern.“ Tatsächlich hatte er das Gefühl, dass nicht er auf den Zug sprang, sondern der Zug sprang auf ihn. Eine Vision machte sich breit.
Gerne folgte sie seinem Vorschlag die nasse Baustelle zu verlassen und im Nachbarort Glen im Kirchen-Café einen Tee zu trinken.
Am Nachbartisch saß eine Gruppe Damen im mittleren Alter bei Frühstück und Sekt.
„Bekomme ich das alles schriftlich?“, erkundigte sie sich nachdem sie lange in ihr Teeglas gestarrt hatte.
„Mit Brief und Siegel, sobald ich das Ergebnis der Bodenprobe habe. Schick die Herrschaften zu mir. Ich spreche mit ihnen, ich rede ihnen das hier aus.“
„Das würdest du machen?“
„Mein Job.“
„Scheiß Job.“
„Nein, es ist ein Job der den Menschen hilft zu ihrem Recht zu kommen. Sieh es doch so, ob eine schwarze Katze Unglück bringt hängt doch davon ab ob du eine Maus bist oder ein Mensch.“
Zweifellos war er der Mensch, wer war Katze und wer die Maus?
Lev hatte sich bequem zurückgelehnt. Die Vision griff immer mehr Raum in ihm. Ja er spürte eine Flutwelle im Gehirn und je mehr er das Potenzial, was sie ihm eröffnen könnte erkannte, umso mehr verlor er die Einsicht über Recht und Gesetz. Marionetten, er wird sie dazu machen. Marionetten ihrer Eitelkeit und er hält das Spielkreuz in der Hand. Doch dazu benötigte er viel mehr Informationen, über ihre Eitelkeiten, Leidenschaften, Unvollkommenheiten, Geheimnisse, Fehler, Sucht.
Im selben Moment bewegte sich ihr Blick auf absurde Abwege, seine Hände. Kein Ehering! Er saß da wie eine Tiger zum Sprung bereit. Und es bewegte sich das kleine Glöckchen der Auferstehungskapelle, ping, ping, sie hörte es nicht.
Sie sagte: „Ich hätte dich nie erkannt.“
„Ich dich sofort. Hast dich nicht verändert. Schon die Autonummer D-IM, Isa Maree, plus Geburtsjahr. Wie blöd ist das denn?“
Wieder traf sie so ein Blick als hätte sie der Schwachsinn überfallen. Ab wann hatte er sie gesehen am Samstag? Verfolgt? Wenn sie jetzt sagen sollte, sie sei nicht sauer, dann wäre das eine glatte Lüge. Jedoch nun saß er vor ihr, Beherrschung sollte die Devise sein, hier wollte sie etwas von ihm! Seine Dienstleistung. Na ja, eigentlich Tante Klara benötigte Hilfe. Sie war nur Vermittler. Schon ging es ihr etwas besser. Sie plagte die Erinnerung, genau der Teil an den sie sich nicht so gut erinnerte. Wie war sie damals zu ihm? Wie war ihre Beteiligung an den vielen Mobbing-Attacken? Hatte sie bis heute gedacht, dass sie sich gemäßigt verhalten hatte, so kamen jetzt gewaltige Zweifel auf. Viel zu auffällig sah sie ihm dabei in die Augen. Sah tiefer und sah den jungen Mann mit den Raspel kurzen Haaren. Wo war die starke Brille?
„Das leasert man heute“, unterbrach er ihre Gedanken.
Ja er hatte sie ertappt, denn genau die Frage nach der starken Brille stellte sie sich momentan. Noch etwas bemerkte sie, heute hatte er grüne Augen. Später wird sie bemerken er trägt blaue und grüne Shirts und wechselt die Kontaktlinse passend.
Isa ärgerte sich insgeheim,
was sie wiederum mächtig störte. Sie wird Lev sicher nicht wiedersehen, denn sie hatte es aus der Hand gegeben. Sie musste sich eingestehen, dass sie es bedauerte. Alles Weitere regelt der Herr Architekt mit den Senioren. Klara und Hannes suchten nicht mehr nach einer Hypothek, es war ruhig um die Senioren geworden, also zog sie das Resümee das Projekt Alten WG sei geschlossen.
Sie gönnte sich an diesem sonnigen und recht milden Herbsttag einen Bummel durch die Stadt, kehrte bei Breuniger ein und verließ genauso schnell wieder den Kö-Bogen, denn es war nicht ihre Welt. Gelangte bald zur Königsallee. Die Straßencafés waren voll und überall wurde Prosecco geschlürft. Düsseldorf konnte so dekadent sein. Obdachlose kauerten mit ihren Hunden vor Prada oder H & M Fenstern. Auf der Straße parkten die Nobel Cabriolets. Die ersten Pelze wurden ausgelüftet und stolz ausgeführt.
Dann sah sie ihn. Er war so auffallend anders, nicht billig aber schlicht gekleidet unspektakulär, Cargo Hose, T-Shirt. Im Sonnenlicht sah sie, dass er mehr grau als blond war. Lev hatte eine Tüte von Saturn in der Hand und steuerte direkt auf sie zu. Und neben ihm ging, sie stutze, ein älterer Mann. Jedoch, sie traute ihren Augen nicht. Hannes, sie hatte ihn beinahe nicht erkannt. Hannes trug die grauen Haare, die seit Jahren keine Schere gesehen und ihn so wie ein zu groß gewachsenes Rumpelstilzchen aussehen ließen kurz gestutzt. Nicht genug, da war auch Klara, mit flottem Kurzhaarschnitt und Föhnfrisur. Sie hatte das ewig alte und langweilige rosa Ajour-Muster abgelegt und gegen blauen Strickblazer und Jeans ausgetauscht. Ausgelassene Laune ging mit