„Wer zu mir will hat meine Telefonnummer.“
Idiot!
„Du hast mich doch gefunden“, sagte er.
„Zufall!“
„Das Leben ist ein einziger Zufall.“
„War das auch ein Zufall am Samstag an der Bleibergquelle?“
„Ja, ich war zufällig noch da.“
„Wieso?“
„Ich wollte wissen was aus meinen lieben Mitschülern geworden ist, doch dann dachte ich wozu.“
„Weil es interessant ist“, meinte sie.
„Zu wissen, wer in welchem Reihenhaus wohnt, wie viele Kinder er hat, ob er seine Frau betrügt, wie er auf dem Gang Fahrrad gefahren ist um Amtsrat zu werden, ob er sein Personal tritt oder die Kunden betrügt, welches Auto er sein nennt obwohl er den Brief nicht hat oder die Steuern nicht zahlt. Nee wollte ich nicht.“
Damit hatte er die Hauptthemen angerissen die den Samstag beherrschten.
„Und was wäre dein Beitrag gewesen?“
„Weiß nicht, war ja nicht da.“
Egal eine Frage musste raus, denn eine weitere schlaflose Nacht wollte sie umgehen. Die Frage marterte sie, seit sie seine Visitenkarte gelesen hatte. „Du warst damals nicht auf dem Abschlussfest?“ Wie platt, geradezu ungeschickt. Sofort verfluchte sie die Frage. Schlaflose Nächte waren nichts gegen seinen Blick, mit den Augen eisig, wie ein zugefrorener See. Sie kam sich vor wie eine vorschnelle Schnappschildkröte.
„Ich hatte keinen Anzug, damals.“ Er schmunzelte jetzt mild. „Nein, ich saß im Flieger, ich hatte ein Praktikum in den USA. Außerdem wollte ich zu gar keinem Treffen kommen. Das ist nicht so meine Sache, alte Zeiten und so. Warum bist du gekommen, sicher nicht um mir den Pullover zu bringen.“
Pullover, den hatte sie vergessen, dabei hätte es jetzt die Stimmung auflockern können und sie hätte das eigentliche Ansinnen verwerfen können. Pulli in die Hand gedrückt und weg hier. Weg, für immer, nie wieder in seiner Nähe, die ihr so unheimlich vorkam. War unheimlich das richtige Wort? Pulli? So ein Quatsch, woher sollte sie gewusst haben, dass sie ihn hier triff? Oder hatte er sie schon lange am Stand erkannt? Sie schnappt unmerklich nach Luft. Verdammt der hat eine Art sie in die Irre zu führen. Woher sollte sie wissen, dass sie ihn hier zufällig trifft? Womit sie das Wort Zufall auch wieder in Frage stellte. Also gut, warum ich hier bin. Erlaubt dein Terminplan ein Gutachten, für mich zu erstellen, also für meine Tante?“
„Da kommst Du zu mir?“
„Mir ist nichts Besseres eingefallen.“
„Aha!“
Na super, er hat wieder was ganz anders verstanden als sie gesendet hat. Doch es ging um ihre Tante und einen schäbigen Ex da rappelten sich ihre Gedanken unwillkürlich auf. Er war nicht nur ein Architekt er war ein Regisseur des Momentes. Seine Gegenwart nahm ihr das Selbstbewusstsein. Sie wusste nicht warum und ärgerte sich gleich wahnsinnig.
„Branchenbuch, da gibt es genug!“, sagte er.
„Ja, aber …“
„Was ja oder aber?“
An seiner Körperhaltung erkannte sie, dass er nicht ablehnend war eher amüsiert, bereit ein Spiel zu spielen, das er als Spielmacher in der Hand hielt. Das wollte sie sicher nicht!
„Aber jede Bausparkasse oder Bank bietet das an, wenn man eine benötigt. Für Gefälligkeiten bin ich nicht zu haben,“ sagte er.
„Nein, das sicher nicht. Wie kommst du darauf, dass es eine Gefälligkeit sein soll?“
„Da ist doch ein Hacken, wenn ihr nicht die Bankeigenen Gutachter bemüht. Würdest du da anders denken?“ Er lächelte, sicher sein schönstes was er hatte. „Oder wolltest du mich wiedersehen?“
Ehrlich gesagt musste sie mit ja antworten, das kam ihr schlagartig in den Sinn, und sofort war sie betroffen von ihren Gedanken. Sie war viel zu neugierig und hatte sich auf der gesamten Rückfahrt von Velbert gefragt was aus ihm geworden ist und jetzt sitzt sie hier. Völlig perplex, das hätte sie nie und im Traum nicht gedacht. Jetzt sollten ihr schleunigst ein paar gute Argumente einfallen! Aber sie hörte nur das Rauschen der langsamen Gedanken. Doch plötzlich half er ihr damit sie nicht ganz über den Rand in den Abgrund fiel.
„Lassen wir Sentimentalitäten. Nenne wir es Zufall und zufällig benötigst du einen Gutachter. Ob du bei mir richtig bist, ist noch fraglich. Was ist passiert?“
„Ich weiß nicht wirklich viel. Meine Tante und ihre Freunde wollten ein Haus bauen, Barrierefrei und großzügig, nicht so kleine Zimmer wie sie in den Heimen sind, aber auch nicht so teuer wie der Rosenhof oder Haus Lörick. Und…“ Mist! „Sie haben wohl fehlinvestiert. Das Alter hat sie wohl leichtsinnig gemacht. Es ist Baustopp und der Architekt ist verschwunden.“
Er hatte ihr schweigend zugehört. Nicht eine Zwischenfrage, keine Mimik. Er wollte wissen wo der Bauplatz war.
Irgendwo zwischen Korschenbroich und Liedberg lag die Baustelle. Der Standort entlockte ihm einen Blick als hätte sie ihn auf eine rooftop Party eingeladen, die nun wirklich nicht sein Ding war.
„Unser Bürgermeisterkandidat, meinst du der hat eine Chance?“, wollte er wissen.
Was für eine Wendung im Gespräch?
„Bernd, er war immer schon ein Drahtzieher, ein Macher, wenn er sich was in den Kopf gesetzt hat dann wird er das Ziel erreichen und wenn er über Leichen geht.“
„Der alte Bernd Steiner“, sagte er stimmlos.
„Früher verdammt eitel heute umso mehr. Hast du verpasst am Samstag.“
Das wird jetzt nicht der Einstieg in die Frage was aus ihr geworden ist? Kunststudium erfolgreich, ohne nennenswerten Erfolg, aber ehrliche Arbeit die ihr Spaß macht, ganz ohne Alltagstrott. Da hatte sie gerade verdrängt, dass sie für ihn nur eine Gemüse Marktfrau ist, die Cipolle Rosse di Tropea nicht von Braunschweiger unterscheiden kann.
Er sah auf die Uhr. Fünf Uhr am Nachmittag. Stand auf, zahlte den Espresso. „Schick mir alles was du hast in mein Büro auf den Kaiser-Wilhelm-Ring.“
Er hing am Hacken. Ihm gefiel das Projekt private Altenresidenz, jedoch die Lage, der Bauplatz mitten in der Pampa, was sollen denn rüstige Rentner auf den Kappesfeldern?
Isa sagte. „Ich frage mich, ob ich mir dich leisten kann?“
„Ich weiß nicht ob ich eine Rechnung schreibe. Immerhin habe ich dir das Abitur versaut.“
Lev hatte sich akribisch alles besorgt
was man über dieses Fleckchen Land wissen musste. Isa hatte ihm per Fahrrad-Kurier die Pläne zukommen lassen, die er nur oberflächlich in Augenschein nahm, denn das Projekt war für ihn so schon gestorben er musste nur noch einen Grund für den endgültigen Todesstoß finden.
Das wird er davon war er überzeugt als er im strömenden Regen mit Gummistiefeln durch den Schlamm watete. Er betrat lange vor der Verabredung mit Isa den Bauplatz. Da er ein Mann der Ruhe war wollte er diese nutzen. Frauengeplapper, das auf vermeintliche Fehler hinzuweisen versuchte, konnte er nicht gebrauchen.
Als sie mit ihrem Wagen vorfuhr, schaute er konzentriert über die Gemüsefelder, visierte den Kirchturm von Korschenbroich an.
Er hatte wieder diesen praktischen Parker aus Wachs Cotten an, während sie sich mit einem Schirm abquälte, den, der Wind versuchte ihr zu entreißen.
Tölpel! Kein Grußwort! Sie war augenblicklich sauer auf seine Kinderstube. Hellweg, Pflegekind einer Familie die sich mit der Pflege Geld verdiente. Ja seine Wurzeln verliert man nie, dachte sie. Umgehend verlor er alle Sympathie. Gekränkt tat