Undercover. Manuela Martini. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Manuela Martini
Издательство: Bookwire
Серия: Ein Shane O'Connor Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742759382
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weiterzutragen. So pflegte sie sich zu verteidigen, wenn sich ihr Mann wieder darüber lustig machte.

      „Dann muss Josh ja auch sticken lernen“, hatte er darauf erwidert, worauf sie „häkeln“ gemurmelt hatte, und er, Josh, hatte voller Abscheu auf die Häkelnadel und das dünne, weiße Garn gestarrt und entschieden, diese Dinge niemals anzurühren.

      Weil er nicht Pilot werden konnte, wollte er gar nichts werden und jobbte in Supermärkten, an Tankstellen, in Pubs – und mähte jetzt Rasen, schnitt Hecken und Bäume.

      Als seine Eltern starben, und er das Haus und die, wenn auch bescheidenen Ersparnisse, erbte, dachte er für eine kurze Zeit daran, sich seinen Traum zu erfüllen, und Flugstunden zu nehmen. Doch er zögerte zu lang, und mit jedem Tag erschien ihm sein Vorhaben größer und verrückter, bis er seinen Traum begrub.

      Garbo sprang bellend auf und stürzte auf eine Katze zu, die schleunigst das Weite suchte. Draußen auf der Straße fuhr ein Wagen mit lauter Musik heran. Hupen. Wieder so ein Idiot, dachte Josh, der sich das Aussteigen und Klingeln sparen will. Erneutes Hupen, zweimal kurz hintereinander, so dass es klang wie Ha-llo. Das Auto musste vor seinem Haus stehen. Ha-llo, Ha-llo, Ha-llo, Ha-llo…

      „Ich komm’ ja schon!“

      Er lief zur Tür. In seiner Garageneinfahrt hielt ein blauer Daihatsu, aus dem die Musik wummerte. Das Seitenfenster war heruntergelassen. Chrissy rauchte und grinste ihn an.

      „Ich weiß, dass du bei Regen nicht arbeitest!“, schrie sie gegen die Musik an. Ein Gitarrensolo jaulte. „Sorry, gestern ist mir was dazwischen gekommen, steig’ ein!“ Sie klopfte auf den Beifahrersitz.

      Er zögerte.

      „Na, mach schon! Nur ein Spaziergang. Es hat aufgehört zu regnen, falls du’s noch nicht bemerkt haben solltest.“

      Ihr Mund war rot und ihre Augen waren blau - und er stieg ein. Aber als er die Autotür zuzog, war ihm klar, dass er sich auf etwas einließ, was er nicht wollte. Sie stieß rückwärts aus der Einfahrt, und lächelte ihn an. Er stellte fest, dass sie ein ähnliches Strandkleid wie im Supermarkt trug, es war dunkelrot, fast so dunkelrot wie ihr Haar.

      „Kannst du das ausmachen?“ Er deutete auf das Radio. Sie drückte die Zigarette im Aschenbecher aus und grinste.

      „Entspann’ dich, ja?“

      Ihre Antwort ärgerte ihn. Als ob sie mit ihm tun und lassen konnte, was sie wollte. Doch sein Mund war wie zugenäht. Er konnte nicht sagen: Halt’ an, ich steige aus. Und so rückte er von ihr ab an die Tür und sah zum Seitenfenster hinaus, und allmählich versiegte sein Ärger.

      Sie fand auf Anhieb den Weg durch das labyrinthische Straßengewirr der Wohnsiedlung und bog auf die Straße zur Esplanade ein. Touristen flanierten unter den Arkaden und saßen in den Cafés. Über dem Meer lag ein vom Regen gewaschener Himmel. Sie fuhr hinunter auf den schmalen, halbvoll besetzten Parkplatz direkt am Strand und stellte den Motor ab.

      „Ich hol’ mir einen Kaffee“, sagte sie beim Aussteigen, schloss den Wagen ab, und ohne seine Antwort abzuwarten, überquerte sie die Straße. Er blieb am Auto lehnen und sah ihr nach wie sie in einem der Cafés unter den Arkaden verschwand. Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, einfach die nächste Seitenstraße hinunter und nach Hause zu gehen. Aber ihm fehlte der Mut, es war ihm, als habe sie ihn hypnotisiert. Mutter und Tochter im gleichen Strandkleid gingen an ihm vorbei. Sichtbar unterschieden sich die beiden nur durch das Alter ihrer Haut. Ein junges Paar kam vorbei. Er schob einen behäbigen Kinderwagen vor sich her, und Josh ging rasch aus dem Weg. Chrissy kehrte mit einem großen Plastikbecher zurück. Ein Windstoß fuhr in ihr Kleid. Schmetterlingsflügel dachte er und konnte nichts gegen sein immer heftiger hämmerndes Herz und seine schweißigen Hände und Achseln tun.

      Schweigend stiegen sie die Treppe zum Strand hinunter und zogen die Schuhe aus. Vom Regen war der Sand noch feucht und kühl. Sie gingen bis zu dem schmalen Streifen Sand, über den die Wellen ausliefen und ihn härteten. Noch immer sagte Chrissy nichts, ja, sah ihn noch nicht einmal an. Gedankenverloren saugte sie im Gehen am Strohhalm ihres Kaffeebechers, auf dem eine weiße Sahnehaube trohnte. Auf einmal blieb sie stehen.

      „Hast du auch schon mal jemanden umbringen wollen?“

      Josh klappte der Unterkiefer herunter. Er wusste nicht, ob er lachen oder schockiert sein sollte.

      „Sag schon, hast du es schon mal machen wollen?“, wiederholte sie ungerührt.

      „Warum fragst du so etwas?“

      Sie wirkte enttäuscht, nahm den Strohhalm in den Mund und setzte sich wieder in Bewegung.

      „He, Chrissy, verdammt, warum fragst du mich so was?“

      „Warum, warum? Warum kannst du mir nicht einfach eine Antwort geben?“

      Er versuchte ein Lächeln, obwohl sie ihn gar nicht ansah.

      „Natürlich hab’ ich schon jemanden umbringen wollen. Meinen Mathelehrer und einen Typen aus meiner Klasse... und auch mal meinen Vater...“, sagte er.

      Sie lächelte, aber es erreichte ihre Augen nicht. In ihrem Blick lag Geringschätzung, da war er ganz sicher. Wellen umspülten ihre Füße, das Wasser war wärmer als der regennasse Sand.

      „Ich meine wirklich. Nicht nur so einen Kinderkram“, sagte sie.

      Sie trat mit den Füßen ins Wasser, dass es spritzte.

      „Wie würdest du es tun?“, fragte sie jetzt.

      „Was?“

      „Mensch!“ Ihre Augen funkelten, und an der Schläfe bemerkte er eine hervortretende Ader. Was für ein Spiel spielt sie, dachte er und sagte lässig:

      „Abknallen.“

      „Abknallen?“ Sie beeilte sich, ihm zu folgen, und darüber lächelte er befriedigt. Jetzt drehte er den Spieß um.

      „Klar, ist sauber und schnell.“

      Nachdenklich, mit gerunzelter Stirn, ging sie neben ihm her und saugte an ihrem Strohhalm.

      Er beobachtete zwei Surfer, die weit draußen rittlings auf ihren Bretter saßen und auf die richtige Welle warteten.

      „Aber...wo kriegt man einen Revolver her?“ Sie spielte das Spiel verblüffend ernsthaft.

      „Na ja, manche Leute haben einfach einen“, sagte er.

      Abrupt blieb sie stehen.

      „Hast du einen?“

      Allmählich war er nicht mehr sicher, ob sie es nicht doch ernst meinte.

      „Können wir nicht über was anderes reden?“ Er gab sich Mühe, gelangweilt zu wirken.

      Eine Welle brach sich und lief mit einem leisen Knistern auf dem Sand aus.

      Da sagte sie:

      „Du hast einen, stimmt’s?“

      Es war plötzlich still. Da krachte die nächste Welle. Noch nie war ihm der Zeitraum zwischen zwei sich brechenden Wellen so lang vorgekommen.

      „Stimmts?“, wiederholte sie.

      Ihre beharrliche Ernsthaftigkeit an diesem Thema verdarb ihm die Laune. Und er sagte:

      „Also, reden wir jetzt von etwas anderem?“

      Sie wandte den Blick ab.

      „Ich bin sicher, dass du einen hast.“

      Vielleicht wollte sie ihm ja auf diese Weise etwas über sich und ihre Probleme mitteilen?

      „He“, sagte er also, „nun rück’ schon raus mit der Sprache: Wen willst du umbringen?“

      Sie wandte sich ihm wieder zu. Ihre Augen blitzten. Wieder sich brechende Wellen. Die Stille dazwischen. Keine Antwort.

      Nach einer Weile, in der sie stumm nebeneinander hergegangen waren, sagte sie:

      „Okay,