Paulo bereist die Seidenstraße (4). HaMuJu. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: HaMuJu
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847652465
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Bus fahren konnte. Ich umarmte Fuat und sagte ihm, dass ich mich melden würde, er würde auf jeden Fall Post von mir bekommen. Wir hatten Schlimmes zusammen erlebt, das würde ich so schnell nicht vergessen. Vielleicht käme ich mal zum Duschen in seinem neuen Badezimmer vorbei, scherzte ich. Dann kam der Bus, Fuat hatte Tränen in den Augen, ich auch. Wir winkten uns noch zu. bis der Bus hinter einer Kurve verschwand.

      Ich dachte noch lange Zeit an das schreckliche Erdbeben, der Blick aus dem Busfenster zeigte lange noch die Schäden an den Häusern. Ich holte meine Kladde aus dem Rucksack und schrieb die Erlebnisse der letzten Tage auf. Die Fahrt verlief völlig problemlos, zog sich aber mal wieder in die Länge. Wir fuhren zunächst nach Mus, wo wir eine kleine Pause einlegten, ich setzte mich in den Schatten und aß einen Sesamkringel mit Ziegenkäse, meine Wasserflasche füllte ich noch einmal auf. Es war um die Mittagszeit sehr heiß. Mus zeigte reichlich Zerstörungen, aber längst nicht so viele wie Bingöl. Mus lag 1000 m hoch, in der Nähe vereinigten sich der Karasu und der Murat zum Euphrat. Unser nächster Stopp wurde in Tatvan am Van-See gemacht. Dort gab es so gut wie gar keine Verwüstungen. Von Tatvan gab es eine Eisenbahnfähre nach Van. Im Ort wehte ein angenehmes Lüftchen vom See herüber, das die Hitze erträglich machte. Auch lag der See 1729 m hoch, das ließ die Temperaturen nicht ganz so stark ansteigen. Tatvan war ein touristischer Ort, man konnte mit der Fähre zur Insel Akdamar fahren, die Insel wurde gerne zum Grillen und Baden angesteuert. 12 km westlich von Tatvan lag der 3050 m hohe Vulkan Nemrut, er war seit 600 Jahren inaktiv und bildete einen sehr großen Kratersee. Wir fuhren nach unserer Pause weiter nach Van, das waren noch hundertdreißig Kilometer, wozu wir zweieinhalb Stunden brauchten. Van lag auf 850 m Höhe ganz im Osten der Türkei. Wir kamen am späten Nachmittag im Ort an.

      Van

      Vom Erdbeben war in Van nichts zu sehen, Van hatte aber eine eigene Erdbebengeschichte, die Stadt war 1957 zerstört worden. Van lag als Neugründung ungefähr vier Kilometer vom Seeufer entfernt. Der See war riesig, er hatte eine Länge von hundertzwanzig Kilometern, ein Breite von achtzig Kilometern und war 457 m tief. Er war über siebenmal so groß wie der Bodensee. Die Regulierung des Wasserstandes erfolgte ausschließlich über die Verdunstung, die Höhe des Wasserstands schwankte um bis zu vier Meter. Van war eine große Stadt mit 332000 Einwohnern, sie war Hauptstadt der gleichnamigen Provinz und wurde zu über neunzig Prozent von Kurden bewohnt. Ich stieg aus dem Bus und hatte zum ersten Mal das Gefühl, allein zu sein. Ich hatte meine „Raichle“ und die „Northface“-Jacke an und lief in die Stadt. Ich war dann ganz im Osten der Türkei, hundert Kilometer von der iranischen Grenze entfernt. Ich kam an ein Reisebüro und überlegte nicht lange. Ich ging hinein und fragte, wie ich denn wohl am besten nach Täbriz käme. Man war sehr entgegenkommend und zeigte mir mehrere Möglichkeiten auf. Die für mich günstigste Möglichkeit wäre der Zug nach Teheran über Täbriz. Es führen aber auch Busse über Saray in den Iran. Ich könnte sofort ein Ticket kaufen und am nächsten Tag in den Iran reisen. Ich könnte aber auch noch einen Tag in Van bleiben, das Ticket behielte seine Gültigkeit. Ich kaufte ein Zugticket.

      Es war schon früher Abend geworden und ich fragte nach einem billigen Hotel. Die nette junge Dame vom Reisebüro schickte mich zum Hotel ihres Bruders gleich um die Ecke. Ich sollte nach Birol fragen und sagen, dass Ayse mich geschickt hätte. Birol könnte auch ein paar Brocken Deutsch, Ayse hatte viele Jahre in Deutschland gelebt und eine Ausbildung zur Reisebürokauffrau absolviert. Birol hätte ebenfalls in Deutschland gelebt und bei Thyssen in Duisburg gearbeitet.

      Ich dankte Ayse für ihre Hilfe und lief zu Birols Hotel. Es hieß „Hotel Van“ und war klein, aber sehr gemütlich, wie ich schnell feststellen konnte. Birol erwies sich als ausgesprochen gastfreundlicher Mensch und begrüßte mich sehr herzlich. Als ich ihm sagte, dass ich aus Essen käme, war er sehr erfreut. Duisburg wäre Essens Nachbarstadt gewesen, sagte Birol. Er wäre einmal auf einer PKK-Versammlung in Essen gewesen, in Altenessen, um genau zu sein.

      Wir kamen schnell ins Gespräch. Birol zeigte mir erst einmal mein Zimmer, er würde auf mich beim Essen warten. Ich war froh, so schnell wieder Anschluss gefunden zu haben. Zum ersten Mal seit längerer Zeit ging ich mal wieder duschen, das tat gut. Dann zog ich frische Sachen an und ging wieder runter in den Gastraum. Da saß Birol schon am Tisch und erwartete mich. Er erzählte sofort von Thyssen, wie gut seine Arbeit dort gewesen wäre und vor allem, wie viel Geld er dort verdient hätte. Das ganze Geld steckte in seinem Hotel, er hätte zehn Jahre in Deutschland gearbeitet, das wäre eine schöne Zeit gewesen. Er hätte in Duisburg-Ruhrort gewohnt, in der Nähe des Friedrichsplatzes und wäre immer mit der Linie 901 bis zum Tor 30 gefahren. Er hätte viele Arbeitskollegen aus der Türkei gehabt, er träfe sich noch mit ihnen, viele kämen nach Van, um Urlaub zu machen und wohnten dann in seinem Hotel.

      In der Ecke lief der Fernseher, es wurde eine Statistik gezeigt, wie viele Tote welche Stadt bei dem Erdbeben von vor zwei Tagen zu beklagen gehabt hätte., Bingöl hatte 462 Tote, die Stadt war zu siebzig Prozent zerstört.

      Ich erzählte Birol, dass ich zum Zeitpunkt des Erdbebens in Bingöl gewesen wäre. Birol sagte, dass es in Van kaum spürbar gebebt hätte, die Hunde der ganzen Stadt hätten wie verrückt gekläfft. Er hätte schon mehrere Berichte im Fernsehen gesehen, das wäre ziemlich schrecklich gewesen, was da in mancher Stadt geschehen wäre. Auch Van läge in einem Erdbebengebiet, er hätte zwar noch nie eines erlebt, rechnen müsste man aber jederzeit damit. Dann wurde das Abendessen serviert, Birol lud mich ein. Das fand ich sehr nett und entgegenkommend. Es gab, wie bis dahin eigentlich immer, reichhaltige Kost, Birol und ich aßen und redeten. Um 20.30 h kam Ayse von der Arbeit vorbei, das Reisebüro schloss um 20.00 h. Ayse setzte sich zu uns an den Tisch und aß mit uns. Sie nickte, wenn Birol erzählte, manchmal ergänzte sie seine Erzählungen. Auch Ayse hatte in Duisburg-Ruhrort gelebt, zusammen mit ihm wohnte sie bei ihrer Familie. Damals waren sie beide noch Jugendliche, das war fünfzehn Jahre her. Ayse wusste auch nur Gutes zu erzählen. Ich wollte wissen, ob sie auch Kontakt zu Deutschen gehabt hätten.

      Das wäre zum Teil problematisch gewesen, insgesamt wären die Deutschen aber sehr in Ordnung. Der Fehler, den viele Türken in Deutschland machten, wäre, dass sie die deutsche Sprache nicht lernten. Wenn ich mich längere Zeit im Ausland aufhielte, müsste ich doch auch die Sprache des Gastlandes sprechen können. Wir aßen die leckeren türkischen Speisen und tranken Bier und Raki dazu. Nach zweieinhalb Stunden war unser gemeinsames Abendessen beendet. Wir hatten viel erzählt, ich mochte Birol und Ayse, sie waren so unvoreingenommen ehrlich und aufrichtig. Sie wollten mich beide am nächsten Tag zum Van-See begleiten, ich wollte noch einen Tag bleiben.

      Um 22.30 h ging ich auf mein Zimmer und schlief sofort ein. Der nächste Tag war ein Sonntag, Ayse musste nicht arbeiten und Birol nahm sich nach dem Frühstück frei.

      Wir frühstückten zu dritt, nicht allzu zeitig. Es würde ein herrlich warmer Tag werden. Ich packte ein Bündel Schwimmzeug zusammen, nahm Sonnenbrille und Sonnencreme mit und wir fuhren gemeinsam zum Van-See. Birol und Ayse waren ungefähr fünfundzwanzig Jahre alt, besonders Ayse sah sehr gut aus und wusste sich auch in Szene zu setzen. Sie hatte langes glattes Haar, war für eine Türkin relativ groß gewachsen und hatte eine Superfigur. Die kam erst recht zur Geltung, als sie am See im Badeanzug zu sehen war. Ayse hatte eine Sonnenbrille auf und lief am Strand entlang. Alle Männer schauten ihr nach, manche verstummten im Gespräch, das sie gerade führten. Ayse wusste natürlich, dass die Blicke der Begehrlichkeit an ihrem Körper hafteten.

      Sie wurde deshalb aber nicht überheblich oder zickig, sondern blieb ganz natürlich. In ihrem körperbetonten Badeanzug wurde ihr Busen stark betont, man hatte Schwierigkeiten, die Augen abzuwenden. Wenn sie lief, schwang ihr Po hin und her, das konnte einen schon verrückt machen. Für die Osttürkei war Ayses Verhalten frivol, alle Frauen, die sich am Strand befanden, waren nicht gerade verhüllt, aber doch in weite umhangähnliche Kleidung gesteckt, sie blickten zornig auf die sich frei bewegende Ayse. Ayse lege sich dann zu Birol und mir auf die Decke. Der Blick über den Van-See war fantastisch, wie ein Meer breitete sich der See vor uns aus. Am Himmel war kein Wölkchen zu sehen. Viele Kinder plantschten im am Ufer knietiefen Wasser. Als ich ins Wasser ging, merkte ich, dass es doch recht kühl war, es aber gut tat. Das Wasser war sehr sauber und wenn man einmal drin war, machte das Schwimmen Spaß. Ayse kam plötzlich hinterher