Die Endzeitpropheten. Hermann Christen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hermann Christen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742730626
Скачать книгу
nickte anerkennend.

      "Gut – sie vergessen auch Kleinigkeiten nicht. Wichtig in unserem Job. Nein, es geht nicht um Globe. Eigentlich schon. Er und Objekt 5288 reisen zur Erde."

      "Ja?"

      "Ich will, dass die beiden eng beschattet werden."

      "Sir?"

      "Wir müssen herausfinden, was O5288 plant. Es könnte sein, dass er Einheimische kontaktieren will", behauptete Hirsch.

      Blanc zuckte zusammen. Kontakt zu den Einheimischen war wegen Seuchengefahr strengstens verboten.

      "Sie übernehmen diese Aufgabe."

      "Mit Freuden!", strahlte Blanc. Sie konnte ihr Entzücken über diesen Befehl kaum verbergen.

      Sie fing sich, räusperte: "Sir, darf ich fragen, warum die Beobachtung angeordnet ist? Weder Globe noch O5288 scheinen mir besonders verdächtig."

      "Was wissen sie über die Katholiken?"

      Wieder blitzten die scharfen Falten auf ihrer Stirn auf.

      "Ich habe recherchiert, Sir. Die Akten zeigen, dass die Katholiken eine Glaubensgemeinschaft sind, die einen gewissen Gott verehrt. Die Gemeinschaft ist durch die Väter anerkannt."

      "So steht es in den Unterlagen, korrekt."

      Hirsch blickte Blanc herausfordernd an: "Nun?"

      "Ich vermute, da steckt mehr dahinter. Sir."

      "Allerdings", nickte Hirsch zufrieden.

      Blanc räusperte: "Sir. Dieses Gott-Konzept habe ich nicht verstanden."

      "Gott ist ein übernatürliches Wesen und verlangt mit bestimmten Ritualen verehrt zu werden. Wenn sie so wollen, ist Gott die höhere Instanz mit Weisungsbefugnis."

      Blanc überlegte, ob Hirsch sie vorführte: "Sir?"

      "Gott ist das Synonym für die Blackbox, die alles enthält, was man nicht versteht und zu faul ist, es zu ergründen."

      "Billig", entfuhr es Blanc, "wo bleibt die Neugier und der Wissensdurst?"

      Hirsch lächelte hintergründig: "Ich sehe, sie haben die Grundsätze von Religion bereits verstanden. Darüber hinaus ist so ein Gott-Konzept auch äußerst effektiv, wenn man weiß, wie man damit umzugehen hat. Es genügt zu behaupten, dass es Gottes Wille sei, wenn man absurde Forderungen durchzusetzen will. Klappt immer, weil man bei Gott nicht nachfragen kann."

      "Kaum zu glauben, dass so etwas funktioniert, Sir."

      "Tat es. Tadellos – über Jahrhunderte – bis heute."

      Hirsch schloss abrupt den Mund als ihm einfiel, dass dasselbe Konzept auch bei den Kolonisten funktionierte. Keine Weisung der Väter wurde in Zweifel gezogen. Und alles, was irgendwer 'im Namen der Väter' von sich gab, hatte Gesetzescharakter. Er räusperte sich

      "Das funktionierte so gut, dass die Kirchen in der Altzeit mächtig und reich waren und munter im Weltgeschehen mitmischten. Keine Regierung, die sich von Gott und Religion abwenden konnte, ohne gleich abgewählt zu werden. Alle bekannten sich zu Gott und behaupteten, seinem Wort zu folgen. Absurd, wenn man weiß, dass verfeindete Lager denselben Gott anriefen, die Gegenseite zu vernichten."

      Hirsch lachte trocken auf.

      "Die Kirchen und ihre Führer beanspruchten die Deutungshoheit über die göttlichen Texte. Sie allein waren legitimiert, die Schriften zu interpretieren."

      Hirsch machte eine Pause und sprach weiter: "Die Priester verwandelten das sogenannte Wort Gottes in eine Waffe und führten diese geschickt, um ihre Ziele zu erreichen. Sie verlangten von ihren Anhängern Treue."

      "Sir, ich kann an Treue nichts Schlechtes finden."

      Hirsch lächelte hintergründig: "Treue – Treue ist nur ein anderes Wort für fehlende Abenteuerlust und Zukunftsvisionen. Und die 'Treuen' bemerkten nicht, dass sie nicht dem Geheiß ihres Gottes, sondern demjenigen seiner selbsternannten Lakaien folgten."

      "Und alle waren damals Katholiken, Sir?"

      "Nein, es gab Alternativangebote. Aber im Grundsatz war es immer dasselbe Schema", Hirsch erhob sich und baute sich vor Blanc auf, "Wissen sie, Blanc, dass das Wort stärker sein kann als jede Vernichtungswaffe? Maschinen können zerstört werden. Führungsfiguren kann man eliminieren. Aber eine Idee, einen Glauben, nicht. Vor allem, wenn man den Glaubenszwang mit ein paar Horrorgeschichten anreichert die erklären, dass jeder Abtrünnige den Höllenhunden zum Fraß vorgeworfen wird."

      Er setzte sich wieder: "Sie predigen wieder und träumen von alten Tagen. Wir wissen nicht, was sie planen. Vielleicht erfahren sie etwas während der Reise."

      "Sir", platze es aus Blanc heraus, "gemäß den Unterlagen leben in der Kolonie keine 1000 Katholiken und die haben kaum Kontakte außerhalb ihres Kreises. Lautere Bürger, die nicht auffallen und auch Drecksjobs klaglos erledigen."

      "Richtig. Aber wer sagt, dass das so bleibt? Vielleicht lauern sie nur darauf, dass wir unachtsam werden. Die Zeit spielt ihnen in die Hände."

      Es dämmerte Blanc, dass Hirsch den Katholizismus nicht nur als eine ausgefallene Manie einiger Weniger betrachtete. Leute, welche eine Macht anerkannten, die über derjenigen der Väter stand, waren gefährlich für das System. Und jetzt suchten sie womöglich Kontakt zu Erdgeborenen. Der Kommandant lag richtig, wenn er die Sache sehr ernst nahm.

      "Ich verstehe, Sir", sagte Blanc ernst.

      "Ich will, dass sie sich gründlich einarbeiten und die beiden direkt beobachten."

      "Verstanden!"

      Sie würde zur Erde reisen. Ein Ziel, für das sie seit dem Eintritt in die ÜKo arbeitete und schuftete. Ein Einsatz auf der Erde war die höchste Qualifikation. Die Einsatzkräfte auf der Erde bildeten die Elite. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.

      Hirsch beobachtete Blanc. Er wusste, dass sie begeisterungsfähig war, doch der Anflug von Emotion störte ihn. Er hatte sie ausgesucht, weil sein Freund an der Akademie bestätigte, dass sie aus dem richtigen Holz geschnitzt war. Strikt auf der Linie der Akademie, aber durchaus zu eigenen Gedanken fähig. Garniert mit einer absolut unkritischen Haltung gegenüber der ÜKo. Sie war formbar wie Plastiksprengstoff und in den Händen des richtigen Mentors ebenso gefährlich. Sie war die perfekte Mischung zwischen Obrigkeitsgläubigkeit, Eigeninitiative und Hartnäckigkeit. Trotz der gezielten, ständigen Nörgeleien und Gehässigkeiten seines Freundes hielt sie Kurs.

      Der bevorstehende Auftrag überstieg ihre Einstufung. Aber bei ihr bestand die Gewissheit, dass sie nichts mit der Kirche zu tun hatte.

      "Trauen sie sich das zu?"

      Blanc nickte. Beschattung war eines ihrer Lieblingsfächer und die ersten Feldtests hatte sie mit Bravour bestanden, als sie einen Litterer überführte. Hirsch nahm eine Plastikkarte von der Tischplatte, warf sie in die Luft und fing sie auf.

      "Das ist ihr Fahrschein. Ich entbinde sie ab sofort von ihren aktuellen Befehlen und dispensiere sie von der Akademie. Ich will, dass sie bestens vorbereitet sind, wenn die Reise losgeht. Wenn sie zusätzliche Agenten brauchen, melden sie sich."

      Er warf ihr die Karte zu. Sie fing sie mit der linken Hand auf.

      "Täglich 1100 Rapport hier in meinem Büro."

      Blanc salutierte: "Sir!"

      Die Tür zum Büro fiel ins Magnetschloss. Hirsch blickte starr auf die graue, matte Fläche.

      Es war nicht das erste Mal, dass er dachte, dass es ein Fehler gewesen war, den Kontakt zu den Erdlingen zu kappen. Während seines Dienstes auf der Erde sah er, dass sich die Erde von ihrem Trauma erholte. Die Kolonie hätte schon vor hundert Jahren den Planeten wieder in Besitz nehmen müssen, als der technische Vorsprung noch genügte, die Überzahl der Erdlinge zu kompensieren und eine nachhaltige Machstruktur mit den Vätern an der Spitze zu etablieren. Mittlerweile hatte die Kolonie den Überblick verloren und der Technologievorsprung war geschmolzen. Die wenigen, unterbesetzten