Abschiedsbrief an die Liebe. Patrick Sandro Nonn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Patrick Sandro Nonn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738039399
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rich­ti­gen Tö­ne. Die Ein­la­dung kam so gut an, das ich mir sag­te es gä­be einen Grund zum Träu­men, denn An­ja sag­te zu. Al­so stell­te ich mir vor, wie es wohl wä­re, mor­gens vor Son­nen­auf­gang ne­ben ihr auf­zu­wa­chen, sie sanft mit Strei­chel­ein­hei­ten zu we­cken, und ihr dann das Früh­stück, mit al­lem was Ge­nuss be­deu­tet, Kaf­fee, Oran­gen­saft, Bröt­chen, Mar­me­la­de, Kä­se, Wurst und Schin­ken (Ich bin sehr fürs Herz­haf­te zu ha­ben.), im Bett zu ser­vie­ren. Ge­nuss pur halt eben, be­vor ich ihr die höchs­te und vollen­dets­te Form von Ver­wöhnaro­ma, das ich für sie sein woll­te, zu­teil wer­den ließ: Sti­mu­lanz und Be­frie­di­gung. Let’s ma­ke love, sug­gar.

      Ja, es wa­ren phan­tas­ti­sche Ide­en. So pri­ckelnd wie das Le­ben sein soll­te. Ganz si­cher hät­te die­ser Ur­laub sie end­gül­tig von ih­rem Exfreund los­ge­ris­sen. Los­ge­ris­sen und fort­ge­weht, da­mit ich sie auf­fing. Wie je­de an­de­re Sei­fen­bla­se, die ich mir im Le­ben zu­recht ge­träumt ha­be zer­platz­te auch die­se. Sie ex­plo­dier­te schil­lernd bunt an der Ecke ei­nes Brief­um­schla­ges, der ei­ne schrift­li­che Ab­sa­ge ent­hielt. In die­sem Brief ent­schul­dig­te sie sich hun­dert­mal bei mir da­für, das sie zu ih­rem Exfreund zu­rück­ge­fun­den ha­be, er­klär­te, ihr sei die­ser Neu­an­fang wich­tig und dass sie es sehr be­daue­re, mich, der ich zu­erst da ge­we­sen sei, zu­rück­zu­wei­sen. Ich feg­te die Trüm­mer mei­ner Träu­me zu­sam­men und er­leb­te einen recht ein­dring­li­chen Tag­traum, in dem ich sie ge­nuss­voll er­würg­te. Kei­ne Pa­nik, sie lebt noch, ist mitt­ler­wei­le ver­hei­ra­tet und steht im Te­le­fon­buch. Ich träu­me halt zu ger­ne. Am Ran­de re­gis­trier­te ich, wie sie mit ih­rem Exfreund zu­sam­men­zog, sich ein hal­b­es Jahr spä­ter end­gül­tig von ihm trenn­te und einen neu­en Part­ner fand. Un­ter­des­sen war ich mir si­cher, dass ich sie viel lie­ber als Freun­din im für mich üb­li­chen Sin­ne an mei­ner Sei­te ha­be. Ich schät­ze sie viel zu sehr, um lan­ge nach­tra­gend zu sein.

      Au­ßer­dem bin ich ja fle­xi­bel und su­che ger­ne nach Er­satz. Da gibt es je­man­den, der zu ge­nau die­sem Zeit­punkt wie­der ins Zen­trum mei­ner wan­kel­mü­ti­gen Auf­merk­sam­keit rückt. Ein wun­der­schö­nes Mäd­chen, wel­ches noch ein paar Mo­na­te lang sieb­zehn sein wird und sich ge­ra­de von ih­rem Freund ge­trennt hat.

      Es ist nicht mehr lan­ge hin bis zur großen, ob­li­ga­to­ri­schen Par­ty. Denn bald steht mein acht­zehn­ter Ge­burts­tag vor der Tür.

      Auf die­ser un­aus­weich­li­chen Fe­te muss ich sie un­be­dingt auf die­se Tren­nung und auf mei­ne un­aus­lösch­li­chen Ge­füh­le zu ihr an­spre­chen. So ist es ge­plant. Ist doch klar, das bist du, lie­bes Stef­fi­chen.

      Die Par­ty an sich war ein vol­ler Er­folg. Al­le die ich ken­nen ge­lernt ha­be, ver­sam­mel­ten sich in un­auf­lös­li­chen Klümp­chen im Ju­gend­heim mei­nes Hei­mat­dor­fes. So et­was wie Stim­mung kam ab­so­lut nicht auf, und zu al­lem Über­fluss hat­te ich die gan­ze Zeit die be­klopp­te Idee im Hin­ter­kopf, dich un­be­dingt nach drau­ßen vor die Tü­re zu bit­ten, und dich mit mei­nen tief ver­wur­zel­ten, dich be­tref­fen­den Ge­füh­len zu kon­fron­tie­ren.

      Daraus er­wuchs sich, wie ge­habt, mal wie­der ein De­sas­ter. Ich dach­te, es freut dich viel­leicht zu hö­ren, dass es da je­mand gibt, der dich von gan­zem Her­zen so liebt, wie du bist, der oben­drein auch noch dein bes­ter Kum­pel ist. Fehl­an­zei­ge. Ganz im Ge­gen­teil. Schon bin ich wie­der der mie­se Ver­rä­ter. In die­ser Hin­sicht stellt sich lang­sam Rou­ti­ne ein.

      Der Früh­ling ver­ging, der Som­mer mit sei­ner elen­den Hit­ze nä­her­te sich. Im letz­ten Drit­tel des schöns­ten Jah­res mei­nes Le­bens muss­ten wahl­wei­se Ja­net­te, Dia­na I und II, Alex­an­dra (oh­ne et­was zu wis­sen, oh­ne das ich et­was sag­te) und trotz al­lem na­tür­lich du, für die Pro­jek­ti­on mei­ner ro­man­ti­schen Ge­füh­le her­hal­ten.

      Noch et­was lern­te ich gut und im­mer in­ten­si­ver ken­nen, weil du mich nicht woll­test. Die see­li­sche Nacht. Mei­ne dunkle Sei­te, die erst­mals im fünf­ten Schul­jahr mit höl­li­scher Wut auf­flamm­te, und jetzt, da ich noch öf­ter Tei­cho­sko­pie be­trieb und ernst­haft an ei­nem ra­che­durs­ti­gen Kri­mi schrieb, zu­neh­mend ei­ne deut­li­che­re Ge­stalt an­nahm. Ich mach­te die zwei­fel­haf­te Be­kannt­schaft von Wut, Bos­heit und Sa­dis­mus. Der Weg da­hin er­schi­en mir ganz lo­gisch. Darf die Lie­be nicht exis­tie­ren, muss sie durch ei­ne gleich­wer­ti­ge Emo­ti­on er­setzt wer­den. Ein­sam­keit kann das nicht leis­ten. Nur der Hass ist der Lie­be eben­bür­tig. Ich be­gann dich zu has­sen, bis aufs Blut. In mei­nem Kri­mi mal­te ich mir Sze­nen vol­ler Rach­sucht und Fol­ter aus und schrieb sie auf. Ich quäl­te und tö­te­te er­fun­de­ne Op­fer stell­ver­tre­tend für dich. Ich be­straf­te sie für ih­ren Hoch­mut und ih­re Schmä­hun­gen. Hass und Wut rausch­ten durch mei­ne Adern. Ich gif­te­te vor mich hin. Wenn das die ein­zi­ge funk­tio­nie­ren­de Art war, dich aus mei­nen Ge­dan­ken und aus mei­nem Le­ben zu til­gen, wür­de ich sie eben aus­üben. Ra­che. Ra­che hieß ei­ne je­ner mie­sen Ide­en, die ich in die kos­mi­sche Ur­sup­pe mei­ner ko­chend vor sich hin pu­ber­tie­ren­den, sich wan­deln­den und täg­lich neu for­men­den Per­sön­lich­keit warf. Da ich nichts lie­ber tue, als ler­nen, wach­sen und auf Per­fek­ti­on hin­ar­bei­ten, fest an die Not­wen­dig­keit des Gleich­ge­wichts al­ler Kräf­te und der Exis­tenz ei­nes Wel­ten­schöp­fers glau­be, ist das End­pro­dukt heu­te ein an­ders, als das, wor­über ich da­mals spe­ku­lier­te. Das höchs­te Ziel auf Er­den ist für mich, Schrift­stel­ler zu wer­den. Ehe ich dir mei­nen ers­ten Kri­mi vor­set­ze, sollst du doch we­nigs­tens wis­sen, warum ich so ger­ne Kri­mis schrei­be. Die krat­zen eben nicht nur an der Ober­flä­che, nein da­bei geht es um Ab­grün­de. Ab­grün­de, auf die je­der, der ein­mal sei­ne See­le er­for­schen muss, sto­ßen wird, ob es ihm ge­fällt oder nicht. Ich möch­te ger­ne span­nen­de Ge­schich­ten aus den ver­schie­dens­ten Gen­res er­zäh­len. Al­len vor­an die­se. Denn über die ers­ten, vom Zorn ver­spreng­ten Sei­ten, bin ich zur Schrift­stel­le­rei ge­kom­men. Die Phan­ta­sie hält so vie­les für einen be­reit. Man darf sie sich nur nicht ab­ge­wöh­nen. Schlus­send­lich ist die Idee der An­fang von al­lem. Die Idee, dich nach mei­ner Ge­burts­tagspar­ty aus mei­nem Le­ben ver­ban­nen zu müs­sen, um end­lich wie­der et­was Qua­li­tät in mein Da­sein zu be­rin­gen, war der schwers­te Fels­bro­cken, den ich je­mals in die Ur­sup­pe mei­ner Ge­fühls­welt fal­len ließ. Es bil­de­ten sich nicht bloß Wel­len, nicht bloß kon­zen­tri­sche Krei­se um ihn. Er brach­te das Meer zum Schäu­men und Ko­chen. Nie­mand kann sich vor­stel­len, wie be­frei­end ein Wu­t­an­fall ist, wenn man dem bren­nen­den, höl­li­schen Feu­er den Weg zur Ober­flä­che eb­net, wo es sei­ne Macht aus­tobt, um nichts als Wüs­te, Öd­nis, Asche und ver­brann­tes Land zu hin­ter­las­sen. Ja, ich mei­ne da­mit die See­le, die sich durch einen sol­chen Be­frei­ungs­schlag Luft und Raum ver­schafft, de­ren täg­li­ches Zit­ter­spiel um Sta­bi­li­tät und Aus­ge­gli­chen­heit einen Teil­sieg er­ringt, wenn bei­des, Tag und Nacht exis­tie­ren darf. Mei­ne Wut blieb sinn­los, um nie­man­dem ge­fähr­lich zu wer­den. Meis­tens war ich sau­er auf mich selbst. Heu­te, an die­sem Tag, da ich die­se Zei­len schrei­be, weiß ich, der Grund da­für war die un­s­terb­li­che Lie­be.

      Sie ließ al­le an­de­ren Sei­fen­bla­sen zer­plat­zen. Luft­bal­lons, die ei­ne spit­ze Na­del tref­fen. Peng. Wie ei­ne Na­del so gut wie je­des Ma­te­ri­al durch­dringt, dräng­te sich die Lie­be, mei­ne