Schattenwelten. Richard Baker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Richard Baker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847612056
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er auf und wollte sie fragen, ob er sie nachhause begleiten solle, denn draußen trieben sich üble Kerle herum. Er wollte behaupten, es sei die Pflicht eines Legionärs der Cohorte Urbanae das zu tun. Er könnte so zumindest ihren Namen und ihre Adresse erfahren und welchem Stand sie angehörte.Er kam nicht dazu, Quintus Metellus rief von der Tür her seinen Namen.„Faustus lass uns einen Becher Wein trinken und uns dann beeilen. In der Subura wartet Arbeit auf uns, Vetter. Du weißt, die verdammten Hausverwalter legen die Leichen einfach in den Straßen ab und diesmal werden wir ihnen ein saftiges Bußgeld abverlangen.“Faustus nickte, war aber mit den Gedanken noch immer beim Mädchen, das eine Münze auf den Tisch legte und verschwand. Er schaute ihr hinterher und fragte dann den Wirt: „Wer ist das Mädchen?“„Das ist die Tochter von Liborius dem Schneider.“„Aber warum lässt der Mensch sie abends allein auf die Straße?“, rief Faustus mit verärgerter Stimme.Der Wirt sagte: „Von wegen allein, hast du nicht den bulligen Soldaten, ihren Bruder vor der Tür bemerkt? Jeder aus Subura weiß das man die Leichen von denen findet die Liborius Tochter nicht mit Respekt behandeln. Selbst der schlimmste Wüstling selbst der Arzt Lucinius hält sich mit Blicken und Taten zurück, wenn das Mädchen mit dem grünen Schulterumhang kommt.“„Weißt du auch, wo sie wohnt?“„In der Nähe frage am Tempel.“„Arzt Lucinius?“ Quintus Metellus war plötzlich hellhörig geworden. „Was hatte denn der hier zu suchen?“„Er soll im Auftrag des Senats die Armen behandeln, er lässt sich manchmal hier sehen aber behandelt nur diejenigen, die ihn üppig bezahlen und die ansehnlichen Frauen unter den Armen mit dem, was sie eben haben.“Quintus nickte und bezahlte den Wein für Faustus. „Komm die Pflicht, lässt sich nicht länger umgehen.“Draußen auf der dunklen Straße tanzten die Schatten. Holzscheite der Straßenbeleuchtung brannten in den eisernen Dreibeinen, die an den wichtigsten Straßenkreuzungen standen. Es roch nach verrottetem Abfall und irgendwo aus einer Seitengasse drang das Knurren von wilden Hunden. Vor ihnen verengte sich die Straße und der Mond reflektierte sich auf unzähligen Stellen als gelber Punkt auf dem seifigen feuchten Basalt. Quintus schaute hoch in den sternenlosen Himmel. „Kein Windhauch bringt Besserung“, klagte er. Seltsam und schwer lastete die ungewohnte Stille auf den beiden Männern.„Als sei Rom in sein Leichentuch gewickelt“, meinte Faustus. „Nachts werden die Waren auf ungezählten Fuhrwerken und Marktkarren in die Stadt gebracht, die die Stadtbewohner am Morgen verlangen. Die mit Eisenringen bespannten Wagenräder poltern wie eine steinerne Lawine über das Straßenpflaster, es ertönen Schreie, Kommandos ...“„Und die nie versiegenden Flüche, Faustus. Du vergisst das Fluchen die Zweitsprache unserer Stadt.“Faustus lächelte, „genau Quintus und genau diese Geräusche vermisse ich nun.“Quintus nickte: „Ja man vermisst den Atem Roms erst, wenn man es eine Weile nicht mehr hört.“ Quintus sah in die dunkle Straße. Roms Bewohner schliefen in dieser Stille nicht viel besser als zuvor im Lärm denn es war der Schlaf des Toten.„Irgendetwas Neues vom Gericht?“, fragte Faustus merkwürdig still und versonnen.Quintus, der einige Jahre älter als sein junger Vetter war, kannte die typischen Symptome der Krankheit Eros gegen die es nur ein Heilmittel gab mit der Angebeteten zu schlafen.„Das Übliche wie seit Wochen aber die Todesfälle gehen langsam innerhalb der Mauern zurück und steigen dafür stetig in Transtiber. Dieser schmierige Arzt, von dem uns der Gastwirt erzählte, hat dem Prätor ein sehr nachlässiges Zeugnis vom Ableben des Ädilen Fuser gegeben. Eine komische Geschichte denn er verschwieg die blaue Zunge des Leichnams, die nur im Bericht des Bestatters vermerkt ist.“Ein Karren rumpelte einsam auf dem Kopfsteinpflaster dahin, nachdem der Wagen, der von einem Esel gezogen wurde, dicht bei ihnen war erkannten die beiden Männer die Fracht. „Der Zug des Apollo bedeckt die Häupter – der Zug des Apollo bedeckt die Häupter“, rief ein Sklave in monotonem Stakkato wie ein gelangweilter Marktausrufer. Er lief mit dem Totenglöckchen klingelnd vor dem Wagen dahin. Leichen lagen kreuz und quer darin, wie weggeworfen und achtlos übereinandergestapelt. Die Staatssklaven der vom Ädilen beaufsichtigten Müllabfuhr würden die namenlosen Leichen aus dem aventinischen Stadttor hinausbringen und dann in die riesigen Müllgruben werfen. Es waren verbittert wirkende Männer mit dem Schicksal nach ihrem tot selbst in die bestialischen Gruben geworfen zu werden, die ihre Schicksalsgenossen dorthin brachten. Sklaven, Bettler und Tierkadaver wurden nachts eingesammelt und vor die Stadtmauer gekarrt und weggeworfen.Faustus und Quintus traten schnell nach hinten, weg von dem schrecklichen Wagen. Sie mieden den Anblick der Toten, denn Geister können nachtragend sein. Sie zogen sich schnell ihre Umhänge über den Kopf, aus Zeichen des Respekts und um die Toten nicht zu beleidigen, obwohl auf dem Karren nur Sklaven und Bettler, wie Brennholz geschichtet lagen.„Ein schlechtes Omen für die heutige Nacht“, sagte Faustus.Als der rumpelnde Marktkarren vorübergezogen war, meinte Quintus Metellus in besorgtem Ton: „Der Prätor hätte mit dem Senat die Stadt verlassen sollen. Für einen guten Beamten kann diese Situation nicht gut für die Laufbahn sein!“„Dann rate es ihm, er hält viel von dir!“, sagte Faustus. „Capua ist um diese Jahreszeit wunderschön. Der Prätor legt seine Amtsbefugnisse sehr großzügig aus, der Präfekt der Cohorte murrt schon.“„Du kennst ihn. Er ist halsstarrig und gibt sein Amt nicht wegen der Seuche auf und sein Vater berät ihn in Amtsdingen. Caecilius Lucullus ist ein schlauer alter Fuchs, der dir Gesetze hervorzaubert, die nur noch die Bibliothekare der Senatsbibliothek kennen.“Schweigend gingen sie langsam nebeneinander die menschenleere Straße dahin. Die Trinkwasserbrunnen plätscherten. Am Ende der Straße bewegte sich eine menschliche Gestalt torkelnd über das Straßenpflaster. Er unterbrach seinen Lauf immer wieder, um schwankend an einer Mauer gestützt zu verschnaufen. Er schrie etwas Unverständliches vor sich hin und drückte sich von der Mauer ab und schwankte dann weiter in Richtung einer der schwarzen Gassen.„Idiot!“, brüllte ihm Faustus hinterher. „Der schafft es nicht bis nachhause. Selbst Hercules hätte in unseren Straßen des Nachts Furcht erregende Gefahren zu erwarten als Nemëische Löwen.“„Ja unsere römischen Raubtiere sind immer auf Beutezug. Zu den Dieben und Straßenräubern kommen neuerdings die Verrückten, die nicht mit der Wimper zucken, wenn sie dir ihren Dolch ins Herz bohren.“Faustus sah dem betrunkenen Mann hinterher: „Wenn wir bei Tagesanbruch seine ausgeplünderte Leiche finden, wird es unmöglich sein seinen Mörder zu finden, dafür ist die Gegend hier viel zu bevölkert und alle schweigen, aus Angst sich mit einer Aussage in Gefahr zu bringen.“Sie bogen in eine breite Hauptstraße ein, in der kleine Häuser neben hohen Insulas dicht an dicht standen. Sie gingen weiter nach Westen in Richtung des aufragenden Circus Maximus, der wohl nie fertiggebaut werden würde. Abwässer rannen in breiten Kanälen die Straße entlang. Das Wasser der Trinkbrunnen plätscherte über das Becken hinaus und verwandelte die Straße in einen See.„Ein Glück das Rom auf Hügeln erbaut ist.“Quintus nickte, „ein Glück das Wasser abwärtsfließt.“Beide grinsten für einen kurzen Moment. Bald errichten sie die Hinterseite des monumentalen Circus Maximus. Der größte Circus der Welt mit einer Gesamtlänge von 600 Metern und eine Breite von 140 Metern. Konsul Gaius Iulius Caesar ließ im Jahr seines ersten Konsulats 145.000 Plätze aus Stein und Marmor errichten und die alten Holztribünen herausreißen. Die Holztribünen des Circus waren nun in zu windschiefen Anbauten und Balkonen an den acht stöckigen Mietshäusern verwandelt, einsturzgefährdet und feuergefährlich.Faustus starrte abwesend zum Bauwerk er legte seine Hand zum Schwur auf sein Herz und verkündete: „Ich werde bald heiraten, Quintus!“Der Liktor grinste und sein von den Schnitten der Mörderklingen entstelltes Gesicht strahlte plötzlich Wärme und eine lebenslustige Güte aus. „Die Frau, die dir dein Vater auf dem Sterbebett ausgesucht hat oder das Mädchen nach, dem du dich bei dem Wirtsmann erkundigt hast?“„Diesmal ist es Liebe“, schwur Faustus. „Sie schreibt mir einmal die Woche und mein Vater war ein guter Freund ihres Vaters. Er hat ein kleines Weingut in Apullia.“„Das klingt bekannt in meinen Ohren, versuche dein Eheglück mit der Tochter eines geizigen Bauern. Ich bin kein Patrizier und die Stellung eines Menschen ist mir im Prinzip egal, aber erkundige dich, ob sie das römische oder latinische Bürgerrecht besitzt. Sonst macht dir vielleicht diese Heirat unmöglich deine Laufbahn fortzusetzen und du hast noch zehn Jahre vor dir, mögen die Götter verhüten das aus dir ein neureicher Emporkömmling wird. Du kennst Zenturio ...“Ein Ruf unterbrach Quintus Gedankengänge. Genagelte Soldatenstiefel knallten auf dem feuchten Straßenpflaster. Quintus drehte sich um. Ein junger Soldat kam angerannt. Er blieb stehen und donnerte mit seiner Faust gegen sein bronzenes Brustharnisch und salutierte vor Zenturio Faustus. „Der Arzt ist erschlagen!“, keuchte der junge Legionär außer Atem.Quintus grinste, der junge Soldat war zu hübsch, um ein guter Legionär zu