»Vom Fleischer, vom Gemüsehändler, von der Waschfrau, vom Bäcker: alle verlangen sie Geld.«
»Immer nur Geldsorgen!« brummte Ilja Iljitsch. »Warum gibst du mir denn die Rechnungen nicht nach und nach, sondern alle mit einem Mal?«
»Sie haben mich ja immer hinausgejagt. ›Morgen‹, sagten Sie, ›morgen!‹«
»Na, kann man es denn also nicht auch jetzt bis morgen lassen?«
»Nein. Die Leute sind schon sehr dringlich; sie wollen nichts mehr auf Kredit geben. Heute ist der Erste.«
»Ach!« sagte Oblomow verdrießlich. »Eine neue Sorge! Na, was stehst du noch? Lege die Rechnungen auf den Tisch. Ich werde gleich aufstehen, mich waschen und sie durchsehen«, sagte Ilja Iljitsch. »Also zum Waschen ist alles bereit?«
»Jawohl!« antwortete Sachar.
»Na, jetzt . . .«
Er begann stöhnend, sich im Bette aufzurichten, um aufzustehen.
»Ich habe vergessen, Ihnen zu sagen«, begann Sachar: »vorhin, als Sie noch schliefen, hat der Hausverwalter den Hausknecht hergeschickt; er läßt sagen, wir müßten unbedingt ausziehen . . . er brauche die Wohnung anderweitig.«
»Na, was ist denn? Wenn er die Wohnung anderweitig braucht, so ziehen wir selbstverständlich aus. Warum quälst du mich damit? Es ist schon das dritte Mal, daß du davon mit mir zu reden anfängst.«
»Er quält mich auch damit.«
»Sage ihm, wir würden ausziehen.«
»Er sagt: ›Ihr habt schon vor einem Monat versprochen auszuziehen, zieht aber immer noch nicht aus; ich werde es der Polizei anzeigen‹, sagt er.«
»Mag er es anzeigen!« sagte Oblomow in entschiedenem Tone. »Wir werden von selbst ausziehen, sobald es ein bißchen wärmer sein wird, so in drei Wochen.«
»Was heißt: in drei Wochen! Der Verwalter sagt, in zwei Wochen würden die Arbeiter kommen und alles einreißen. ›Zieht morgen oder übermorgen aus‹, sagt er . . .«
»Oh, oh, oh! Das ist doch gar zu eilig! Nun sehe einer so was an! Am Ende wird er uns noch befehlen, sofort auszuziehen! Daß du dich aber nicht unterstehst, mich noch einmal an die Wohnung zu erinnern! Ich habe es dir schon einmal verboten; und nun hast du es doch wieder getan. Nimm dich in acht!«
»Was soll ich denn aber tun?« fragte Sachar.
»Was du tun sollst? Also auf diese Art möchtest du von der Sache loskommen!« antwortete Ilja Iljitsch. »Mich fragst du! Ist das etwa meine Sache? Belästige mich nicht damit, sondern richte alles ein, wie du willst, nur daß wir nicht auszuziehen brauchen. Kannst du dir denn für deinen Herrn nicht ein bißchen Mühe geben?«
»Aber wie soll ich es denn einrichten, Väterchen Ilja Iljitsch?« begann Sachar, indem er seiner heiseren, zischenden Stimme einen milden Klang zu geben suchte. »Das Haus gehört doch nicht mir; wie soll man es denn anfangen, daß man aus einem fremden Hause nicht auszuziehen braucht, wenn man hinausgejagt wird? Wenn das Haus mir gehörte, dann würde ich mit dem größten Vergnügen . . .«
»Kann man ihn denn nicht irgendwie überreden? Sage ihm doch: ›Wir wohnen hier schon so lange und haben die Miete immer pünktlich bezahlt.‹«
»Das habe ich ihm schon gesagt«, antwortete Sachar.
»Nun, und was hat er darauf erwidert?«
»Was er erwidert hat? Immer dasselbe: ›Zieht aus‹, sagte er; ›wir müssen die Wohnung umbauen.‹ Sie wollen aus der Wohnung des Arztes und dieser hier eine einzige große Wohnung machen, weil der Sohn des Wirtes sich verheiratet.«
»Ach, du mein Gott!« sagte Oblomow ärgerlich. »Es gibt wirklich solche Esel, die sich verheiraten!«
Er drehte sich auf den Rücken.
»Sie sollten an den Hauswirt schreiben, gnädiger Herr«, sagte Sachar. »Vielleicht würde er Sie dann in Ruhe lassen und anordnen, daß zuerst jene Wohnung umgebaut wird.« Sachar zeigte dabei mit der Hand irgendwohin nach rechts.
»Na gut; wenn ich werde aufgestanden sein, werde ich schreiben . . . Geh auf dein Zimmer; ich werde darüber nachdenken. Du verstehst doch aber auch nichts zu machen«, fügte er hinzu; »auch um diesen Quark muß ich mich selbst kümmern!«
Sachar ging hinaus, und Oblomow begann nachzudenken. Aber er war in Verlegenheit, worüber er nachdenken sollte: ob über den Brief des Dorfschulzen oder über den Umzug in eine neue Wohnung, oder sollte er sich an die Durchsicht der Rechnungen machen? Dieser Andrang materieller Sorgen machte ihn ganz fassungslos, und er lag noch immer da und wälzte sich von einer Seite auf die andre. Nur von Zeit zu Zeit wurden abgebrochene Ausrufe vernehmbar: »Ach, mein Gott! Das Leben läßt einem doch gar keine Ruhe; überall faßt es einen an.«
Es läßt sich nicht sagen, ob er noch lange in dieser Unentschlossenheit verharrt wäre; aber im Vorzimmer ertönte die Klingel.
»Da kommt schon jemand«, sagte Oblomow und wickelte sich in seinen Schlafrock. »Und ich bin noch nicht aufgestanden; es ist geradezu eine Schande! Wer mag das so früh sein?« Und daliegend blickte er neugierig nach der Tür.
II
Der Eintretende war ein junger Mann von etwa fünfundzwanzig Jahren; sein Gesicht strahlte nur so von Gesundheit; seine Backen, seine Lippen und seine Augen lachten. Man wurde neidisch, wenn man ihn ansah.
Er war tadellos frisiert und gekleidet und blendete den Beschauer durch die Frische seines Gesichtes und durch die Schönheit seiner Wäsche, seiner Handschuhe und seines Fracks. Auf der Weste hing eine geschmackvolle Uhrkette mit einer Menge kleiner Anhänger. Er holte ein sehr feines batistenes Taschentuch hervor, zog das orientalische Parfüm ein, fuhr dann damit lässig über sein Gesicht und über den glänzenden Hut und schlug sich damit den Staub von den Lackstiefeln.
»Ah, guten Tag, Wolkow!« sagte Ilja Iljitsch.
»Guten Tag, Oblomow«, sagte der schmucke Herr, indem er näher an ihn herantrat.
»Kommen Sie nicht so nah heran, kommen Sie nicht so nah heran: Sie kommen aus der Kälte!« sagte dieser.
»O Sie Zärtling, Sie Sybarit!« erwiderte Wolkow und sah sich um, wo er seinen Hut hinstellen könnte; aber da er überall Staub sah, so stellte er ihn nirgends hin. Dann machte er seine beiden Frackschöße auseinander, um sich hinzusetzen; nachdem er aber den Lehnstuhl aufmerksam betrachtet hatte, blieb er stehen.
»Sie sind noch nicht aufgestanden! Und was haben Sie denn da für einen Schlafrock an? Solche trägt man ja schon längst nicht mehr«, schalt er Oblomow.
»Das ist ein orientalischer Schlafrock«, erwiderte Oblomow und wickelte sich liebevoll in die weiten Schöße dieses Kleidungsstückes.
»Wie steht's mit Ihrer Gesundheit?« fragte Wolkow.
»Gesundheit ist das gar nicht zu nennen!« antwortete Oblomow gähnend. »Es geht mir schlecht: meine Kongestionen haben mir arg zugesetzt. Und Sie, wie befinden Sie sich?«
»Ich? Oh, es macht sich: ich bin gesund und munter – sehr munter!« fügte der junge Mann offenbar aufrichtig hinzu.
»Von wo kommen Sie denn so früh?« fragte Oblomow.
»Vom Schneider. Sehen Sie mal, ist mein Frack nicht schön?« sagte er und drehte sich vor Oblomow hin und her.
»Vorzüglich! Er ist mit vielem Geschmack angefertigt«, versetzte Ilja Iljitsch; »aber warum ist er hinten so weit?«
»Es ist ein Reitfrack: zum Ausreiten.«
»Ah! Sehen Sie mal an! Reiten Sie denn?«
»Gewiß! Ich habe mir den Frack gerade für heute machen lassen. Heute ist ja der erste Mai; da reite ich mit Gorjunow nach Jekateringof.