Oblomow. Iwan Gontscharow. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Iwan Gontscharow
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753126463
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die Hände und das Gesicht wusch, so schien es doch, als tue er nur so, wie wenn er sich wasche; auch hätte man ihn mit keiner Seife rein bekommen können. Wenn er ins Badehaus ging, so wurden seine schwarzen Hände nur für ein paar Stunden rot, dann aber wieder schwarz.

      Er war sehr ungeschickt: wenn er das Haustor oder eine Tür öffnen wollte, so öffnete er den einen Flügel, und der andere ging dabei zu; lief er dann zu diesem hin, so schloß sich der erste wieder.

      Nie hob er ein Taschentuch oder einen andern Gegenstand mit einem Male vom Fußboden auf, sondern bückte sich immer ungefähr dreimal, wie wenn er es haschen wollte, frühestens beim vierten Mal hob er es auf und ließ es mitunter dann noch einmal wieder hinfallen.

      Wenn er eine größere Menge Geschirr oder anderer Dinge durch das Zimmer trug, so begannen gleich vom ersten Schritte an die obersten Gegenstände auf den Fußboden zu fallen. Zuerst fiel einer herunter; er machte plötzlich eine verspätete nutzlose Bewegung, um ihn am Fallen zu hindern, und ließ dabei noch zwei hinfallen. Verwundert den Mund aufsperrend, sah er nach den fallenden Gegenständen hin und nicht nach denen, die er noch in den Händen hatte, und hielt infolgedessen das Präsentierbrett schief, so daß immer noch mehr Gegenstände herunterrutschten, – und auf diese Art brachte er manchmal nur ein einziges Glas oder einen einzigen Teller an das andere Ende des Zimmers, und manchmal warf er schimpfend und fluchend auch noch das letzte Stück, das er in den Händen behalten hatte, absichtlich auf den Boden.

      Wenn er durch das Zimmer ging, so stieß er bald mit dem Fuße, bald mit der Seite an einen Tisch oder an einen Stuhl; nicht immer traf er geradewegs in den offenstehenden Türflügel hinein, sondern stieß mit der Schulter an den andern und schimpfte dabei auf die beiden Türflügel oder auf den Hauswirt oder auf den Zimmermann, der die Tür gemacht hatte.

      In Oblomows Wohnzimmer waren fast alle Gegenstände zerbrochen oder zerschlagen, namentlich die kleinen, die eine behutsame Behandlung verlangten, – und alles von Sachars Gnaden. Er brachte seine Fähigkeit, einen Gegenstand in die Hand zu nehmen, bei allen Gegenständen in gleicher Weise zur Anwendung, ohne in der Art der Behandlung zwischen dem einen und dem andern einen Unterschied zu machen.

      Wenn ihm zum Beispiel befohlen wurde, eine Kerze zu putzen oder Wasser in ein Glas zu gießen, so verwandte er darauf soviel Kraft, wie zum Öffnen des Haustores erforderlich war.

      Wehe, wenn Sachar von einem Eifer, es dem Herrn recht zu machen, ergriffen wurde und auf den Einfall geriet, alles aufzuräumen, zu reinigen, zurechtzustellen und alles flink und mit einem Male in Ordnung zu bringen! Die Beschädigungen und Zerstörungen nahmen dann gar kein Ende: ein feindlicher Soldat, der in das Haus eingedrungen wäre, hätte kaum soviel Unheil anrichten können. Es begann ein Zerbrechen und Hinwerfen der verschiedenen Gegenstände, ein Zerschlagen des Geschirrs, ein Umwerfen der Stühle; und das Ende vom Liede war, daß er aus dem Zimmer gejagt werden mußte oder von selbst schimpfend und fluchend hinausging.

      Zum Glück wurde er nur selten von einem solchen Eifer ergriffen.

      Alles dies kam natürlich daher, daß er nicht in der Enge und dem Halbdunkel eleganter, luxuriöser möblierter Wohnzimmer und Boudoirs, wo alles mögliche herumsteht, seine Erziehung empfangen und sich seine Manieren angeeignet hatte, sondern auf dem Lande, in aller Ruhe, in weitem Raume und in freier Luft.

      Dort hatte er sich daran gewöhnt, an massiven Gegenständen seinen Dienst zu tun, ohne sich in seinen Bewegungen irgendwelchen Zwang aufzuerlegen; er hatte immer mit kräftigen, haltbaren Werkzeugen hantiert, wie zum Beispiel mit Schaufeln, Brechstangen, eisernen Türklinken und solchen Stühlen, die man nicht umstößt.

      Manche Dinge, ein Leuchter, eine Lampe, ein transparentes Bild, ein Briefbeschwerer, befanden sich drei, vier Jahre lang auf ihrem Fleck, ohne daß ihnen etwas passiert wäre; kaum nahm er sie in die Hand, da waren sie auch schon zerbrochen.

      »Ach«, sagte er dabei manchmal erstaunt zu Oblomow.

      »Sehen Sie nur mal, gnädiger Herr, wie seltsam: ich habe das Ding nur in die Hand genommen, und da ist es gleich entzweigegangen!«

      Oder aber er sagte überhaupt nichts, sondern stellte den betreffenden Gegenstand heimlich so schnell wie möglich wieder auf seinen Fleck und suchte nachher dem Herrn einzureden, daß dieser ihn selbst zerbrochen habe. Manchmal rechtfertigte er sich auch, wie wir das am Anfange unserer Erzählung gesehen haben, mit der Ausrede, auch so ein Ding müsse endlich einmal ein Ende nehmen, selbst wenn es von Eisen sei; ewig könne es nicht dauern.

      In den beiden ersten Fällen war es noch möglich, mit ihm zu streiten; aber wenn er sich im Notfalle hinter das letzte Argument verschanzte, dann war jeder Widerspruch nutzlos, und er behielt ohne Appellation Recht.

      Sachar hatte sich ein für allemal einen bestimmten Wirkungskreis abgegrenzt, den er freiwillig nie überschritt.

      Er stellte morgens den Samowar auf, putzte die Stiefel und reinigte diejenigen Kleider, die der Herr verlangte, aber beileibe nicht diejenigen, die er nicht verlangte, und wenn sie zehn Jahre lang dahingen.

      Dann fegte er (aber nicht jeden Tag) die Mitte des Zimmers aus, ohne in die Ecken einzudringen, und wischte nur von demjenigen Tische den Staub ab, auf welchem nichts lag, damit er nicht irgendwelche Gegenstände wegzunehmen brauchte.

      Darauf hielt er sich dann bereits für berechtigt, auf der Ofenbank zu druseln oder mit Anisja in der Küche und mit anderen Dienstboten am Haustore zu schwatzen, ohne sich um etwas weiter zu kümmern.

      Wenn ihm befohlen wurde, über dieses Pensum hinaus etwas zu tun, so erfüllte er den Befehl nur ungern, nachdem er darüber hin und her gestritten und die Zwecklosigkeit des Befehles oder die Unmöglichkeit seiner Ausführung zu beweisen gesucht hatte.

      Durch kein Mittel ließ er sich dazu bringen, in den Kreis der Beschäftigungen, die er für sich festgesetzt hatte, eine neue ständige Tätigkeit aufzunehmen.

      Wenn ihm befohlen wurde, etwas zu reinigen, abzuwaschen oder dies fortzutragen und jenes zu bringen, so führte er den Befehl gewöhnlich mit Gebrumm aus; aber wenn jemand verlangte, daß er nachher dasselbe dauernd tun solle, so war das von ihm schlechterdings nicht zu erreichen.

      Am zweiten und dritten Tage mußte man ihm dasselbe aufs neue befehlen und sich mit ihm aufs neue in unerquickliche Erörterungen einlassen.

      Trotz alledem, das heißt obwohl Sachar gern trank, klatschte, seinem Herrn Fünfer und Zehner wegnahm, allerlei Dinge zerbrach und zerschlug und faul war, ergab sich dennoch als Gesamtresultat, daß er ein seinem Herrn tief ergebener Diener war.

      Er hätte sich keinen Augenblick bedacht, für ihn ins Feuer oder ins Wasser zu gehen, ohne daß er dies für eine Großtat gehalten hätte, die der Bewunderung oder irgendwelcher Belohnungen würdig gewesen wäre. Er sah das als etwas Natürliches an, das gar nicht anders sein könne, oder, richtiger gesagt, er dachte überhaupt nichts darüber, sondern handelte so ohne alle Überlegungen.

      Theoretische Ansichten über diesen Gegenstand hatte er keine. Es kam ihm nie in den Sinn, über seine Gefühle gegen Ilja Iljitsch und seine Beziehungen zu ihm eine Untersuchung anzustellen; er hatte diese Gefühle und Beziehungen nicht selbst erfunden, sondern sie von seinem Vater, seinem Großvater, seinen Brüdern und dem Gesinde, in dessen Mitte er geboren und aufgewachsen war, übernommen, und sie waren ihm in Fleisch und Blut übergegangen.

      Sachar wäre für seinen Herrn gestorben, weil er das für seine unweigerliche, angeborene Pflicht hielt, und hätte sich sogar, ohne sich irgendwelche Gedanken darüber zu machen, für ihn in den Tod gestürzt, gerade wie ein Hund beim Zusammentreffen mit einem wilden Tier im Walde sich auf dieses stürzt, ohne darüber nachzudenken, warum er sich auf dasselbe stürzen muß und nicht sein Herr.

      Andrerseits, wenn es zum Beispiel notwendig gewesen wäre, die ganze Nacht am Bette des Herrn aufzusitzen, ohne ein Auge zu schließen, und davon die Gesundheit oder gar das Leben des Herrn abgehangen hätte, wäre Sachar sicher eingeschlafen.

      Äußerlich bekundete er nicht nur keinen sklavischen Respekt vor seinem Herrn, sondern war sogar im Verkehr mit ihm grob und familiär, wurde über ihn um jeder Kleinigkeit willen ernstlich ärgerlich