Blutiger Aufstieg - ein außergewöhnlicher Fiesling. Walter Ernsting. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Walter Ernsting
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847683384
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abgesägt!" Er kaufte sich ein Exemplar der 'Dresdner Volkszeitung' und nahm sich ein Zimmer im Hotel 'Schiller' in der Sidonienstraße. Im Zimmer angekommen, überflog er die Meldung auf der Titelseite

      Trampe dachte nach der Lektüre: hat es jetzt den auch erwischt? War das alles eine von Moskau aus eingefädelte Intrige, um diesen in der KPD populären Funktionär kaltzustellen?

      Innerlich kopfschüttelnd las Trampe beim Frühstück die neuen Meldungen und die Hintergrundinformationen der Redaktion über diesen spektakulären Vorfall und fuhr anschließend mit der Linie 11 nach Bühlau. Wenige Minuten zu Fuß, dann stand er vor der Wallbourgschen Villa. Im ehemaligen Pförtner- und Kutscherhaus war die 'WALLBOURG-HOLDING', die Verwaltungsspitze des großen Wallbourg-Konzerns, untergebracht. Von hier aus wurden die zahlreichen zum Konzern gehörigen Unternehmen im In-und Ausland gesteuert und kontrolliert.

      Richard Wallbourg hatte nach dem Weltkrieg die Konzernzentrale von Düsseldorf nach Dresden verlegt, da ihm die dort stationierten Französischen Offiziere und Soldaten, die sich als die neuen Herren aufspielten, auf die Nerven gingen. Er war gewohnt, Befehle zu erteilen und nicht zu gehorchen

      Drei Schlaganfälle ihres Mannes hatten Yvonne Wallbourg mit Hilfe listiger Anwälte auf ´seinen’ Stuhl gespült.

      Yvonne Wallbourg hatte keine Ahnung, wie man einen Konzern führt, das hatte sie auch nie interessiert, ihr Mann hatte in den vergangenen Jahrzehnten die Gunst der Stunde genutzt und einen immer größer werdenden Konzern zusammengezimmert, immer größer, immer mächtiger wollte er werden, bis der totale Zusammenbruch kam, nun dämmerte er im Sanatorium vor sich hin. Die Ärzte meinten, er könne noch sehr alt werden, aber er würde jahrzehntelang dahinsiechen.

      Yvonne trug stets dunkelblaue Schneiderkostüme, die ihre Figur dezent verhüllten. Jede Woche stand sie mindestens einmal nackt vor dem großen Spiegel, um ihre Figur zu begutachten. Sie beschäftigte ein Heer von Masseusen, Masseuren, Kosmetikerinnen, die dafür zu sorgen hatten, dass ihre Stromlinienfigur erhalten blieb.

      Statt Männern stellte sie jüngere Damen, gut aussehend und ebenso gut gebildet ein, die sie genauso wie sie selbst einkleiden ließ.

      Im Konzern nannte man die Konzernholding bald den „Harem“(es fehlte allerdings der männliche Herrscher).

      Sie hatte Gefallen an dem schneidigen Offizier Major Trampe gefunden und ihn in den vergangenen Monaten öfters als Beischläfer benutzt, wenn sie das gewisse Kribbeln im Unterleib gespürt hatte, denn sie schätzte seine Manneskraft, die nicht so schnell erlahmte. Sie ließ ihn dann am Abend kommen, gab sich ihm hin und wenn sie genug hatte, musste er wieder gehen.

      Nachdem dieser widerliche Baron Hugo ihren Mann zu einer Aktion verleitet hatte, die ungesetzlich war, hatte auch sie nolens volens zustimmen müssen, um nicht auf ihren aufwendigen luxuriösen Lebensstandard verzichten zu müssen. Nun saß sie fest im Sattel, jetzt war der Zeitpunkt gekommen, um ihn loszuwerden. Trampe sollte ihr dabei als `Werkzeug’ dienen!

      Als sich Trampe im Vorzimmer der Konzernchefin meldete, winkten ihn die Vorzimmerdamen sogleich zu Yvonne Wallbourg durch.

      Trampe begrüßte sie förmlich. „Guten Tag, gnädige Frau."

      „Lass die gnädige Frau, berichte mir, was vorgefallen ist." Im geschäftlichen Verkehr duldete sie keine Vertraulichkeiten. Trampe erstattete ihr ausführlich Bericht.

      Sie schwieg eine Weile.

      „Sooooh? Man hat Dich also in Moskau 'abgesägt' und jetzt lässt Dich die Reichswehr und auch Deine Frau fallen? Du Armer! Bist Du in finanziellen Schwierigkeiten?"

      Trampe druckste herum, er suchte auf diese direkte Frage, die ihn bis ins Mark traf, eine ausweichende Antwort, fand aber keine.

      „Lassen wir das! Vielleicht finden wir gemeinsam eine Lösung. Etwas ganz anderes - sage mir bitte ehrlich, wie viel Menschen hast Du im Kriege umgebracht?"

      „Ich habe sie nicht gezählt."

      „Hast Du auf sie geschossen?"

      „Ich bin Offizier. Beim Militär lernt man schießen, exerzieren, nach unten Befehle erteilen, nach oben gehorchen. Das Töten war Aufgabe der gemeinen Soldaten, man hat sie zum Töten erzogen, sie haben geschossen, mit dem Bajonett zugestoßen, manche auch mit dem Messer....

      Früher war der Krieg ein Kampf Mann gegen Mann, da zog der Heerführer höchst persönlich an der Spitze seiner Soldaten gegen den Feind, er hat sich in das Schlachtgetümmel gestürzt, mit dem Schwert um sich geschlagen, also selbst feindliche Soldaten niedergemacht und häufig wurde er selbst ein Opfer, verwundet oder getötet. Es war ein blutiges Gemetzel. Im modernen Krieg ist es die Aufgabe der Offiziere, Befehle, die von oben kommen, weiterzugeben an die ihnen unterstellten Soldaten und die Ausführung dieser Befehle zu überwachen.“

      „Du schleichst um die Sache herum wie die 'Katze um den heißen Brei' ....ich will wissen, wie viel Menschen hast Du persönlich im Krieg erschossen oder sonst wie umgebracht?“

      „Ich habe es Dir bereits gesagt. Ich weiß es nicht, ich habe sie nicht gezählt, ich stand bei den Kämpfen nicht immer in der vordersten Linie, das war nicht meine Aufgabe.“

      „Waren es eine Handvoll, oder zehn oder einhundert, so ungefähr musst Du das doch wissen, musstest Du überhaupt welche töten?“

      „Ja, das konnte ich nicht vermeiden, um nicht selbst von feindlichen Soldaten getötet zu werden, aber ich war keine Tötungsmaschine, wie manche meiner Untergebenen, die unseren Befehlen gehorchend, viele feindliche Soldaten getötet haben.

      Wenn ein Sturmangriff auf die feindlichen Linien befohlen worden war, musste ich als Offizier voran laufen. Plötzlich steht ein feindlicher Soldat oder auch gleich mehrere vor Dir, was machst Du? Da gab es nur eins, ich oder der andere. Oft endeten solche Angriffe in einem blutigen Gemetzel, dann lagen viele Tote und Verwundete auf dem Schlachtfeld, eigene und Gegner, die Verwundeten schrieen um Hilfe, die nicht immer möglich war, dann verreckten diese armen Schweine elendiglich

      Das Gewissen hat man uns dabei durch Erteilen der Befehle von oben abgenommen, sonst hätten viele von ihnen das nicht gekonnt. Ich habe etliche Nahkämpfer in meiner Truppe gehabt.

      Wozu willst Du das alles wissen?"

      „Ich befinde mich auch im Krieg - gegen diesen Baron Hugo von Sticknitz. Er versucht, unseren Konzern unter seine Kontrolle zu bringen, nachdem mein Mann durch seine Krankheit ausgefallen ist. Ich kann das nicht zulassen, Du kennst ihn ja auch, er ist ein ganz hinterhältiger 'krummer Hund', ein widerlicher Fiesling. Ein machtversessener Parvenü und Weiberheld, der häufig von einer Frau zur nächsten wandert.“

      „So, ist er auch über Dich hinweggewandert?“ konnte sich Trampe nicht verkneifen.

      „Ein schrecklicher Kerl, ich hasse ihn!

      Schaff’ mir diesen windigen Baron vom Hals. ´Baron’, dass ich nicht lache. Ich kenne seine Herkunft: Er hat seinen Titel seinem Schwanz zu verdanken, denn er hat in jungen Jahren eine verwitwete Gutsherrin, die wohl im dankbaren Alter war, so bezirzt, dass sie ihn adoptiert hat. Seine Frau hat man vor einigen Monaten ermordet aufgefunden, er hat sie sicher auch auf dem Gewissen, nur konnte die Polizei ihm das bisher nicht nachweisen.

      Er muss weg.... für immer. Wenn Du das für mich erledigst, hättest Du für Dein Leben ausgesorgt.

      Denke darüber nach, was aus Dir werden soll. Den Posten in Moskau hast Du verloren, Du hast dem falschen vertraut, für diesen 'Baron' bist Du wertlos, er kann Dich nicht mehr gebrauchen - oder willst Du wieder als Nachtpförtner in einem seiner Werke enden?

      Ich kann Dich fürstlich entlohnen. Möchtest Du reich werden, ganz reich?"

      „Wer will das nicht, zumal ich Moskau verlassen musste, man hat mir dort den Stuhl vor die Tür gesetzt. Ich weiß auch noch nicht, wie es bei der Reichswehr weiter geht."

      „Dieser Baron von Sticknitz ist ein infamer Lügner und Betrüger," schimpfte sie ungehalten, „er versucht ständig, mich über den Tisch zu ziehen; er denkt, weil Richard