Die Spinne. Jean-Pierre Kermanchec. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jean-Pierre Kermanchec
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847608516
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p99 infrage kommen, mit Zielfernrohr“, ergänzte Henri, den soeben von Roby begonnen Satz.

      „Das wäre dann aber schon ein Profi.“

      Roby war sich sicher, dass auch Henri in diese Richtung dachte. Ein Profi als Täter, das hat es in Luxemburg schon lange nicht mehr gegeben. Sollte der Tote zur Mafia gehört haben? War er ein Mitglied einer kriminellen Bande? Es gab jede Menge Fragen, die es zu klären galt.

      „Ich wollte einmal wieder an einem Wochenende zum Fischen und jetzt dieser Fall, Roby ich vermute, dass wir länger brauchen werden, den Fall zu lösen.“

      „Sehe ich genau so, wir sollten nicht lange zögern und gleich eine Sonderkommission einrichten. Was meinst du?“ Roby sah seinen Freund und Chef an.

      Henri Medernach nickte stumm und betrachtete den Toten.

      „Was sagt die Spurensicherung, gibt es weitere, verwertbare Ergebnisse?“ Die Frage richtete er an Roby, denn er selbst war bis jetzt noch nicht dazugekommen, sich den ganzen Tatort anzusehen.

      „Nein, absolut nichts, bis jetzt. Ich werde aber veranlassen, dass auch die weitere Umgebung in Augenschein genommen wird. Wenn der Schuss wirklich aus einer größeren Entfernung abgegeben worden ist, dann finden wir vielleicht noch einige brauchbare Hinweise.“

      Roby Weis ging auf die Kollegen von der Spurensicherung zu und wechselte einige Worte mit ihnen. Als er wieder zu Henri zurückkam sah er, wie sein Freund gerade einen Zettel aus der Sakkotasche des Toten herausfischte. Roby trat näher. Henri, der inzwischen ein paar Handschuhe übergestreift hatte, hielt ein Blatt von einem gelben post-it Block zwischen seinem Daumen und Zeigefinger. Auf dem Blatt war eine Spinne aufgestempelt. Seltsam, dachte sich Medernach. War der Zettel dem Toten in die Tasche gesteckt worden oder trug dieser ihn bereits in der Tasche, als er hier eintraf?

      „Wie ist der Mann denn hier hergekommen?“, fragte er Roby und sah von dem kleinen Blatt auf.

      „Vermutlich mit dem Auto. Wir haben zwar noch keine Schlüssel gefunden, aber ich nehme fast an, dass es sich um den blauen BMW 530 handelt, der dort drüben steht. Es ist eher unwahrscheinlich, dass der Wagen hier nur parkt.“ Roby sah Henri an.

      „Möchtest du nicht mit dem Mann sprechen, der den Toten gefunden hat? Er steht schon seit geraumer Zeit dort drüben.“

      „Du hast Recht Roby, ich befrage ihn gleich einmal.“ Henri drehte sich um und ging zu dem Rentner, der geduldig am Rande des Tatortes wartete.

      „Henri Medernach, von der Mordkommission“, stellte er sich dem Herrn vor.

      „Erzählen Sie mir doch bitte, wer Sie sind, und wie Sie den Toten gefunden haben.“

      „Jean Molitor, ich wohne etwa achthundert Meter weit entfernt von hier. Wie jeden Tag, spazierte ich auch heute hier entlang. Dann sah ich den Toten da liegen und habe sofort die Polizei informiert.“

      „Haben Sie irgendetwas gesehen oder gehört?“

      „Nein nichts, der Tote lag auf dem Seitenstreifen, so wie er jetzt noch immer daliegt. Die Straße ist nicht sehr stark befahren um diese Zeit, und so nehme ich an, dass ich bestimmt der erste war, der ihn entdeckt hat.“

      „Sie haben auch keine Schlüssel gefunden?“ Medernach sah dem Mann ruhig in die Augen.

      „Nein, gar nichts, ich habe bestimmt nichts weggenommen.“

      „So war das auch nicht gemeint“, erwiderte Medernach, „manchmal vergisst man aber in der Aufregung, etwas zu erwähnen, und dann ist es hilfreich, wenn wir danach fragen. Wenn Sie dem Beamten noch ihren Namen und ihre Anschrift geben, falls wir noch Fragen haben. Dann können sie nach Hause gehen.“

      Jean Molitor nickte und sah, wie der junge Polizist, den Medernach herbeigewunken hatte, zu ihm trat.

      Medernach ging zurück zu Roby Weis und versuchte ein kurzes Resümee zu ziehen.

      „Wir haben einen Toten, vermutlich aus größerer Entfernung, mit einer neun Millimeter Pistole erschossen. Der Mann sieht wie ein Geschäftsmann aus, was seine Kleidung betrifft, kein auffallender Schmuck, und es sieht auch nicht nach einem Raubmord aus. Seine Identität müssen wir klären, da sowohl sein Personalausweis als auch Kreditkarten fehlen, die uns Hinweise geben könnten. In seinem Sakko befand sich ein post it, mit dem Abbild einer Spinne. Nicht gerade sehr viel.“ Medernach sah Roby fragend an.

      „Nein, wirklich nicht, aber wir hatten auch schon manchmal weniger.“ Roby grinste ein wenig, als er Henri ansah. Henri nickte zustimmend.

      Kapitel 2

      Es blieb Wollmann noch etwas Zeit, bevor er seine Wohnung verlassen musste, um zu dem vereinbarten Treffpunkt zu fahren. Er hatte den Anruf gegen einundzwanzig Uhr erhalten. Der Anrufer wollte sich mit ihm, kurz nach dreiundzwanzig Uhr, treffen. Als Ort hatte er ihm nur die Einmündung, der Rue de Stavelot in die Rue Saint- Mathieu, genannt. Er sollte seinen dort Wagen parken und an genau dieser Stelle auf ihn warten. Wollmann kannte weder den Namen des Anrufers noch seine Identität. Er wusste nur, dass er von diesem Mann wichtige Dokumente erhalten würde. Wollmann hatte sich seit Monaten mit den EU Subventionen, im Agrarbereich, an die verschiedenen Mitgliedsstaaten der Union, beschäftigt. Dabei waren ihm einige Ungereimtheiten aufgefallen, denen er jetzt, in seiner Eigenschaft als Journalist, nachging. Seine Story sollte der absolute Knaller werden, kurz vor den Wahlen zum neuen EU Parlament. Die Kommission und die Kommissare würden es sehr schwer haben, dem neuen Parlament, die Zustimmungen zu den Subventionen in dieser Höhe, abzuringen. Ihm fehlten noch verschiedene Dokumente, die den Missbrauch eindeutig belegten. Einen Teil würde er wohl nachher erhalten.

      Seltsam war es schon gewesen, als dieser Unbekannte angerufen und ihm die Dokumente angeboten hatte. Der Mann wollte weder seinen Namen noch die Abteilung nennen, für die er arbeitet. Er sagte nur, dass das Material mehr als brisant sei, und er es nur persönlich übergeben würde.

      Er war jetzt schon seit mindestens einem Jahr dabei, die Informationen zu sammeln. Drei kurze Artikel waren in der Zwischenzeit bereits von ihm erschienen. Stets wurden die entsprechenden Vorwürfe umgehend dementiert. Sie betrafen vor allem den Kommissar Alain Brieuc de Montfort, zuständig für die Landwirtschaft.

      Seit mehr als sechs Jahren war de Montfort nun schon Kommissar in diesem Bereich. Sein Subventionsbudget war das größte des gesamten EU-Haushaltes. Frankreich dachte nicht daran, seinen Kommissar abzulösen, für das Land waren die Zahlungen an ihre Bauern von größter Bedeutung, und da konnte es nur von Vorteil sein, wenn der zuständige Kommissar, Franzose war. Zumal jetzt, nachdem die ganzen Staaten aus dem Osten zur EU gestoßen waren. Dort war die Landwirtschaft bei weitem nicht so produktiv, wie in den westlichen Ländern. Die Subventionen müssten für diese Länder eigentlich noch höher ausfallen, wenn, ja, wenn es nicht die Interventionen der alten EU-Länder geben würde und die entsprechenden Vorarbeiten durch die Kommissare. Brieuc de Montfort war nicht nur ein Altgedienter, in der Garde der Kommissare, sondern auch einer der Einflussreichsten. Er hatte nur wenige echte Gegenspieler. Einer seiner schärfsten Widersacher war der Abgeordnete Pierre Melling, von der Volkspartei. Dieser genoss sehr großes Ansehen im Parlament, weit über die Parteigrenze hinweg. Er war einer der wenigen, die Brieuc de Montfort wirklich gefährlich werden könnten.

      Wollmann hatte sich in den letzten Monaten eine Menge neuer Beziehungen aufgebaut, auch zu den Abgeordneten und speziell zu Melling. Seine Kontakte reichten inzwischen beinahe bis ganz nach oben. Aber eben nur beinahe. Der Kontakt zu Kommissar Brieuc de Montfort war, aufgrund seiner kritischen Artikel, nicht zustande gekommen. Brieuc de Montfort hatte es abgelehnt, mit ihm zu sprechen oder auch nur eine Stellungnahme zu seinem Artikel abzugeben. Für Wollmann war klar, dass eine schlechte Presse für Brieuc de Montfort`s Karriere nicht förderlich wäre. Es war ein offenes Geheimnis, dass er auf den Stuhl des Kommissionspräsidenten schielte, und es wurden ihm mehr als nur gute Chancen eingeräumt, falls der aktuelle Präsident, Brondello zurücktreten würde. Sollten die Recherchen seine Vermutungen bestätigen, dass Brieuc de Montfort persönlich Nutznießer dieser Subventionszahlungen war, dann