Die Spinne. Jean-Pierre Kermanchec. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jean-Pierre Kermanchec
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847608516
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lächelte Clara zu, er war schon wieder in seinen alten Eifer verfallen. Sie war noch nicht einmal richtig angekommen, und er stand schon in den Startlöchern zur ersten Besichtigung.

      „Du wohnst sehr schön!“, sagte Clara, als sie aus dem Auto ausgestiegen war und das Haus und die Umgebung in Augenschein genommen hatte.

      „Ich bin auch sehr zufrieden hier“, meinte Medernach. Er geleitete Clara ins Haus. Er zeigte ihr das Gästezimmer, das er bereits für sie hergerichtet hatte.

      „Das ist sehr hübsch.“

      „Kein Vergleich mit deiner Villa, aber ich hoffe, dass es dir für die drei Tage genügt.“

      „Ich brauche nicht immer eine Villa Henri, liebe Menschen um mich herum bedeuten mir mehr.“

      Henri wurde verlegen und ging nicht weiter darauf ein. Nachdem er ihr das restliche Haus gezeigt hatte, ließ er Clara Zeit, sich von der Reise zu erholen und sich zu erfrischen.

      Zur Begrüßung hatte er, schon am Vortag, eine Flasche luxemburgischen Crémant kaltgestellt. Der Crémant wird in Luxemburg nach der gleichen Methode wie der Champagner hergestellt. Es gibt noch kleine Kellereien, die sogar die Flaschen mit der Hand rütteln. Der Unterschied und damit auch der Geschmack, bestehen in den verwendeten Trauben.

      Clara kam nach einer guten halben Stunde in den Salon. Die Sektkelche standen bereits auf der Rauchglasplatte, des runden Sofatisches vor dem Kamin. Nachdem Clara Platz genommen hatte, holte Henri den Crémant und öffnete gekonnt die Flasche. Henri reichte Clara ein Glas und prostete ihr zu.

      „Nochmals, herzlichst willkommen in meinem bescheiden Haus. Ich freue mich, dass du hier bist.“

      „Prost!“, sagte Clara, „ich bin auch froh, es endlich einmal hierher geschafft zu haben.“

      Sie erzählten sich noch ein wenig, was sie in den letzten Monaten so alles erlebt hatten und fuhren danach in die Stadt Luxemburg.

      Der Spaziergang, den Henri sich vorgenommen hatte, sollte Clara einen ersten Eindruck von der Weltkulturerbestadt Luxemburg vermitteln. Henri führte Clara über die Corniche, ein Weg hoch über dem Tal der Alzette, der über die ehemaligen Stadtmauern führt. Er zeigte ihr die St. Michaels Kirche, aus dem dreizehnten Jahrhundert und die Kasematten auf dem Bockfelsen. Danach führte er Clara von der Oberstadt hinunter nach Clausen, dem aktuellen Zentrum des luxemburgischen Nachtlebens, über den Wenzelweg zu den Bauten von Vauban und durch das Petrussetal zurück ins Zentrum.

      Am späten Nachmittag kehrten sie nach Oetrange zurück und setzten sich auf die Terrasse. Die Sonne schien, und die Temperaturen waren sommerlich.

      Henri holte eine Flasche Weißwein aus seinem Keller. Er wollte Clara, die seiner Meinung nach, besten Weißweine der luxemburgischen Mosel näherbringen.

      Nachdem sie sich über alles Mögliche unterhalten hatten, bemerkte Clara, dass sie nur sehr wenig aus seinem früheren Berufsleben kannte.

      „Erzähl mir doch etwas mehr von deiner früheren Tätigkeit. Was waren das für Fälle, die du bei der Polizei zu lösen hattest? Gab es auch manchmal außergewöhnliche Verbrechen?“

      „Nun, die gab es sicherlich auch, aber die meisten Fälle hatten ähnliche Hintergründe. Eifersucht, Diebstahl, Unterschlagung, Erpressung und Betrug waren die häufigsten Auslöser für einen Mord. Nur einmal lag die Sache völlig anders, und war sehr verworren, damals hatten wir es mit einem Auftragskiller zu tun.“

      „Das interessiert mich, erzählst du mir davon?“

      „Das wird aber eine lange Geschichte“, meinte Henri. „Ich bin nicht sicher, ob die drei Tage, die du hier verbringen willst, ausreichen.“

      „Egal, erzähl einfach, wenn es mir zu lang wird, werde ich dich bremsen, einverstanden?“ Clara sah Henri an und nippt an Ihrem Wein, der ihr ausgezeichnet schmeckte.

      Henri nickte zustimmend und begann zu erzählen.

      Kapitel 1

      Es hätte ein wunderschöner Tag werden können, wenn da nicht dieser Anruf gewesen wäre. Medernach wollte gerade seine Angel und das vor drei Wochen begonnene Buch nehmen und für einige Stunden in die Gegend der Goebelsmühle fahren und seiner Leidenschaft, der Angelei nachgehen. Seit mehr als drei Monaten hatte er keine Gelegenheit mehr gehabt, sich an das Ufer eines Baches zu setzen, seinen Köder ins Wasser zu werfen und, während er auf den ersten Biss wartete, ein wenig zu lesen. Er hatte sich sehr darauf gefreut und jetzt dieser Anruf.

      „Chef, wir brauchen Sie, möglichst sofort, im Pfaffenthal, wir haben einen Toten in der Rue de Stavelot“, teilte ihm sein Kollege, Roby Weis telefonisch mit.

      „Ich komme sofort, gib mir zwanzig Minuten“, antwortete Medernach und stellte seine Angel wieder in die Ecke der Garage zurück, warf sein Buch, das er immer noch in der Hand hielt, auf den Rücksitz, verließ seine Garage und fuhr ins Pfaffenthal.

      Um diese Uhrzeit dauerte es nur wenige Minuten, um über Moutfort und Sandweiler in Richtung des Verteilers Irrgarten zu gelangen. Er nahm den Weg über den Kirchberg und nicht durch die Stadt. Die Strecke war vielleicht etwas weiter, aber dafür schneller. Als er die Val des Bons Malades hinunterfuhr, sah er bereits die Absperrung der Polizei.

      Medernach musste nicht einmal seinen Ausweis vorweisen, jeder schien Medernach, den langjährigen Chef der Mordkommission, zu kennen. Er war ja auch schon seit mehr als dreißig Jahren dabei. Chef der Mordkommission war er seit dem plötzlichen Tod, seines Freundes und Kollegen Düsseldorf, der bei einem Autounfall in Spanien, vor einigen Jahren, ums Leben gekommen ist. Medernach fuhr seinen schwarzen Mercedes an die rechte Straßenseite und stieg aus. Roby hatte seinen Chef kommen gesehen und kam ihm entgegen.

      „Ein unbekannter Toter, vermutlich wurde er mit einer neun Millimeter Waffe erschossen. Das Alter des Mannes liegt etwa bei vierzig Jahren. Es handelt sich wohl nicht um einen Raubmord, er hatte über tausend Euro in seinem Portemonnaie. Außer Kreditkarten und seinem Ausweis fehlt nichts.“

      Roby hatte seinem Chef damit die wesentlichen Details mitgeteilt, bevor er danach fragen würde.

      „Wer hat den Toten gefunden?“, fragte Medernach, als er an die Leiche herantrat.

      „Der Rentner dort drüben.“ Roby zeigte auf einen älteren Mann, in einer Jeans und einem dünnen grauen Pullover, der geduldig an einer Hauswand wartete, bis man ihn befragen würde.

      Medernach schlug das Leintuch, das die Kollegen über den Toten ausgebreitet hatten, zurück und sah sich das Gesicht an. Es war das Gesicht eines gepflegten Mannes, auch er hätte ihn auf etwa vierzig Jahre geschätzt. Seine Haare waren ganz kurz geschnitten. Er trug keinerlei Schmuck, weder um den Hals noch in den Ohren. Medernach zog das Tuch weiter herunter. Nun konnte er die Einschussstelle, direkt am Herzen, erkennen. Der Mann musste augenblicklich tot gewesen sein.

      „Neun Millimeter“, sagte er, als er die Wunde näher betrachtete. „Der Schuss wurde aber aus einer gewissen Entfernung abgegeben. Es sind keine Schmauchspuren zu sehen. Es muss ein guter Schütze gewesen sein.“

      „Kann auch ein Zufallstreffer gewesen sein“, meinte Roby und sah Henri erwartungsvoll an.

      „Kann sein“, meinte Medernach, „aber wenn wir uns den Einschusswinkel ansehen, dann müsste der Mann oder die Frau mindestens zwei Meter groß gewesen sein, wenn er oder sie aus kurzer Entfernung geschossen hat. Schau dir doch einmal den Schusskanal an.“

      Henri trat etwas zurück und ließ Roby nun einen genaueren Blick darauf werfen. Henri hatte Recht. Die Kugel hatte den Mann aus einem Winkel von mindestens fünfzehn Grad getroffen. Aus einer kurzen Entfernung wäre das nur dann möglich gewesen, wenn der Täter erhöht gestanden hätte. Der Schuss ist entweder aus einem Haus oder von einer Stelle am Hang abgegeben worden. Wenn der Körper nicht bewegt worden ist, müsste der Schütze mindestens fünfzig bis hundert Meter entfernt gestanden haben. Mit einer Pistole, ein Präzisionsschuss.

      „Aber Henri, wenn