Fühl, was du fühlst. Sandra Andrea Huber. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sandra Andrea Huber
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738091052
Скачать книгу
ist es her, dass du mit einem Mann – und damit meine ich richtig – zusammen warst?“

      Ich weiß sofort auf was sie anspielt, bekomme einen Satz heiße Ohren und blicke mich unwillkürlich im Büro um, das derzeit nur spärlich besetzt ist. „Das tut doch jetzt überhaupt nichts zur Sache. Wäre mir nach einem Mann gewesen, hätte ich mir einen gesucht, aber ich bin nicht scharf auf eine Beziehung. Und dass ich nicht auf One-Night-Stands stehe, weißt du. Ich war und bin glücklich mit meinem Leben, so, wie es ist. Ich brauche keinen Mann – oder gewisse andere Dinge. Frau kann sich auch anderweitig behelfen.“

      Es vergeht ein Moment, ehe Anne etwas erwidert. „Ich denke, dass du das inzwischen wirklich glaubst.“

      „Was? Dass Frauen“, ich senke die Stimme ein paar Nuancen, „auch allein auf ihre Kosten kommen können? Warst du nicht diejenige, die–“

      „Nein, das funktioniert bestens“, kommt mir Anne kichernd zuvor. „Ich meine, dass du keinen Mann in deinem Leben brauchst – oder willst.“

      „Das glaube ich nicht nur, es ist so.“

      Stille in der Leitung. Zumindest für ein paar Sekunden.

      „Und wenn du nur kurz vorbeischaust? Eine Stunde vielleicht, die kriegst du doch rum? Dann wärst du da gewesen und er könnte nicht meckern.“

      Ich gebe ein Brummen von mir.

      „Du kannst ja sagen, dass du kurzfristig noch etwas für die Arbeit erledigen musst. Etwas, das ganz dringend ist und nicht warten kann. Eine Druckfreigabe oder so was in der Richtung beispielsweise“, schwenkt Anne versöhnend die weiße Flagge.

      „Das wäre eine Möglichkeit, auch, wenn es trotzdem wenig glaubhaft klingt“, entgegne ich, während ich mir vorstelle, dass meine Chefin auf die Idee kommt mich Freitagabend zu stören. „Ich muss mir das Ganze noch mal in Ruhe durch den Kopf gehen lassen.“

      „Warts nur ab, am Ende bist du mir dankbar, weil ich dich überredet habe und du festgestellt hast, dass Alexander Koller ein potenzieller Traummannkandidat ist.“

      „Wir werden sehen.“ Ich habe nicht vor, mich nochmals auf eine Diskussion mit ihr einzulassen. „Trotzdem Danke.“

      „Okay, ich muss dann auch los, weil ich noch was essen will, ehe die Pause vorbei ist. Wenn was ist, du kannst mich jederzeit anrufen.“

      „Danke. Und falls wir uns nicht mehr hören, viel Spaß im Musical.“

      Als ich auflege, verpufft die letzte Hoffnung ohne Blessuren aus meiner Notlüge herauszukommen und mit Unterstützung auf der Party aufzukreuzen – sofern ich mich entscheide, hinzugehen. Stattdessen bleibt ein Gefühl zurück, als hätte Anne mich gerade gerügt oder hätte versucht, mich zu rügen, weil ich einfach nicht sehe, was ich sehen sollte.

      6 – Kleider machen Leute

chapter7Image1.png

      Ich habe beschlossen, mich nicht so anzustellen, ein paar Runden auf Alexander Kollers Party zu drehen und mich zeitig, wie Anne vorgeschlagen hat, wieder zu verkrümeln. Damit lässt sich die Erinnerung an unsere erste Begegnung ein für alle Mal aus der Welt schaffen, sodass wir zu einem normalen Nachbarschaftsverhältnis und ich zur üblichen Tagesordnung übergehen können.

      Was die Sache mit dem geplanten Frauenabend angeht, habe ich mir ein Eigentor geschossen, das sich nicht mehr kitten lässt. Ich werde meinem frisch gebackenen Nachbarn sagen, dass Annes Hormone verrücktspielen und sie nicht gut drauf ist – was ich jedoch Anne gegenüber nicht erwähnen werde. Dass ich ihre Schwangerschaft obendrein als Ausrede aufgeführt habe, habe ich ihr nämlich verschwiegen.

      In Aussicht auf das bereits in der Luft liegende, fast schon greifbare Wochenende, erledige ich die letzten Aufgaben, verschicke noch die ein oder andere E-Mail, ehe ich es gut sein lasse und mich auf den Heimweg mache – beziehungsweise machen will. Mein Computer fährt bereits brummend und knatternd herunter, ich greife nach meiner Handtasche, als mir einfällt, dass ich unserer Chefin die Druckdaten der übernächsten Ausgabe zur Abnahme mailen wollte, ich ein entnervtes ´Oh, Mist` ausstoße und den Rechner wieder anschalte.

      Allem Anschein nach bin ich doch nicht so gelassen und entspannt, wie ich gedacht habe und dass, obwohl ich auf keinen Staatsempfang, sondern lediglich auf die Dankes-Einzugs-was-auch-immer-Party meines neuen Nachbarn eingeladen bin.

      Nachdem mich besagter Nachbar zweimal gesehen hat, weder in meinen besten Momenten noch von meiner Schokoladenseite – ich sage nur Bademantel und Jogginghose –, hängt die Messlatte für das heutige Aufeinandertreffen nicht unbedingt hoch. Von der anderen Seite betrachtet aber vielleicht doch. Gerade weil ich nach diesen Fehltritten beweisen will, dass ich kein Tollpatsch und durchaus im Besitz schicker Klamotten bin, die ich sogar anziehen kann, sofern ich nicht überrumpelt oder auf dem falschen Fuß erwischt werde.

      *

      *

      *

      Als ich kurz nach fünf Zuhause ankomme, parkt ein schwarzer Van mittig vor dem Haus, sodass ich nicht auf meinen Stellplatz fahren kann.

      Ich überlege noch, ob ich an der Straße parken oder den Fahrer bitten soll sich anders hinzustellen, da kommt Alexander Koller, gefolgt von einem zweiten Mann, aus dem Haus. Während letzterer auf die Rückseite des Vans zusteuert, läuft mein Nachbar weiter in meine Richtung. Sein Haar ist, wie schon bei unseren bisherigen Begegnungen, nach hinten gefasst und im Nacken zusammengebunden. An der linken Schläfe hängt eine dicke, leicht wellige Haarsträhne herunter, die sich gelöst haben muss.

      Als er neben meiner Fahrertür steht, bedeutet er mir das Fenster herunterzufahren, was ich mache.

      „Wir laden nur schnell aus – wenn du einen Moment wartest, kannst du auf deinen Parkplatz fahren.“

      „Noch mehr Möbel?“

      „Nein, geborgte Biertische- und Bänke für heute Abend.“

      „Ach so.“ Ich nicke. „Ich kann auch an der Straße parken.“

      „Wir sind wirklich gleich fertig.“

      „Okay, dann warte ich.“

      Alexander klopft kurz auf das Dach meines Autos, dann läuft er zum Van und hilft seinem Kumpel die orangefarbenen Klappmöbel auszuladen und in den ersten Stock zu befördern.

      Während OneRepublic Frontmann Ryan Tedder Feel Again aus dem Radio schmettert, beobachte ich die Männer verstohlen bei ihrer Arbeit, obwohl ich nicht unbedingt Gefahr laufe, ertappt zu werden. Die beiden widmen mir bei weitem nicht so viel Aufmerksamkeit wie ich ihnen – beziehungsweise einem von ihnen.

      Alexander trägt ein dunkelblaues T-Shirt, Jeans und Turnschuhe. Obwohl die Bänke und Tische nicht übermäßig schwer sein dürften, zeichnet sich an seinen gebräunten Armen der Ansatz von Muskeln ab, während er ihr Gewicht stemmt. Als er mir abermals seine Kehrseite zuwendet, komme ich nicht umhin zu bemerken, dass es nichts zu beanstanden gibt – weil er nämlich einen Arsch in der Hose hat, wie man sprichwörtlich sagt.

      Als er sich dann auch noch bückt, weil die beiden Männer die Auflagen nicht einzeln tragen wollten und diese beim Laufen zu Boden gerutscht sind, erhasche ich zudem einen kurzen Blick auf den Bund schwarzer Unterwäsche. Zu eng anliegend, als dass es die Art Boxershorts sein könnten, die Männer im Schwimmbad tragen.

      Nach etwa zehn Minuten ist der Van geleert, Alexander steigt auf der Beifahrerseite ein und ich lenke meinen Fiat rückwärts Richtung Straße, damit die Männer mehr Platz zum Wenden und herausfahren haben.

      Als unsere Wagen im neunzig Grad-Winkel zueinander stehen, wird der Van langsamer, ehe er ganz stoppt.

      Alexander kurbelt sein Fenster herunter, ich tue es ihm nach einem kurzen Zögern gleich.

      „Wir sehen uns später?“, fragt