Haarsträubende Geschichten. Gunnar G. Schönherr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gunnar G. Schönherr
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847685531
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nach wenigen Minuten geht es weiter!

       Allerdings gibt es nach kurzer Zeit wieder einen Stopp. Dem Navi kann ich sofort entnehmen, dass ich genau zweihundert Meter zurückgelegt habe.

       Das, so meine Erkenntnis, ist nicht besonders viel. Ich fluche: „Diese scheiß Fußgänger!“

       Endlich, nach gut zehn Minuten, gelingt es mir, die Ampel im Ort zu passieren.

       Aber ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass es nun höllisch knapp wird. Nun darf nichts mehr dazwischenkommen!

       Ich drücke aufs Gas und ignoriere den sich widerholenden Kommentar der Navi-Dame: „Sie überschreiten die zulässige Geschwindigkeit!“

       Innerlich bin ich nun etwas gereizt, denn statt mir den richtigen Weg zu weisen, kommt sie mir seit einiger Zeit ständig mit diesem Spruch!

       Daher kann ich mir einen kleinen Fluch nicht verkneifen. Ich muss gestehen, dass mir auch ein „Halt die Schnauze“ über die Lippen kam.

       Das „Überschreiten der zulässigen Geschwindigkeit“ findet schnell sein Ende.

       Bereits am Ortsausgang stehe ich wieder hinter dem Lastwagen, der sich weigert, auch nur einen einzigen Millimeter vorzurücken.

       Im Gegenteil, der Fahrer steigt aus und schaut sich gelassen die Gegend an. So ein Volldepp!

       Dieses unerhörte Verhalten macht mich unglaublich nervös, denn es ist bereits 9:50 Uhr.

       Nach fünf Minuten steigt der Lkw-Fahrer wieder ein und braust los, ich wie eine Klette hinterher.

       Kurz darauf kommt es erneut zum Stopp, wieder zeigt das Navi gefahrene zweihundert Meter an.

       Nun ist allerdings meine Sicht nach vorne etwas besser, ich erkenne eine Fahrzeugschlange, die erst am Horizont endet.

       Wiederum nach fünf Minuten geht es weiter, ebenfalls zweihundert Meter. Nun ist es genau zehn Uhr. Die Besprechung beginnt ohne mich.

       Da ich mich bereits nah an meinem Ziel wähne, beiße ich die Zähne zusammen und hoffe das Beste.

       Das Beste trifft nicht ein. Im Gegenteil, die Wartezeiten zwischen den Zweihundert-Meter-Sprints verlängern sich zusehends.

       Um 10:15 Uhr beschließe ich „Meldung“ zu machen und ziehe mein frisch geladenes Handy aus der Tasche.

       Irgendwie bin ich in dem Moment sogar zufrieden, denn bisher habe ich das Handy nie gebraucht und nun hat es einen echten Nutzen!

       Ich beschließe, in der Zentrale in München anzurufen, da ich die Handynummer des Kollegen, der sicher bereits vor Ort ist, nicht im Kopf habe.

       Mutig drücke ich auf den Knopf, der das Handy zum Leben erweckt.

       Das Handy will aber nicht erwachen, das Display bleibt dunkel.

       Ich versuche es gleich noch mehrmals. Mit demselben Erfolg. Nicht das kleinste Lichtlein geht an.

       Dann muss ich die Aktion unterbrechen, denn die Fahrzeugkolonne bewegt sich wieder. Exakt um weitere zweihundert Meter.

       Nun beginne ich wieder zu rechnen. Zweihundert Meter in fünf Minuten, bedeutet ein Kilometer in fünfundzwanzig Minuten.

       Ich bin fest davon überzeugt, nur noch knapp zwei Kilometer vor mir zu haben. Ich könnte es also noch vor dem Ende der Besprechung schaffen!

       Nach einem weiteren Fehlversuch mit meinem Handy gebe ich auf und überlege, ob ich das Ding in den angrenzenden Wald schmeißen soll.

       Das unterlasse ich dann allerdings, der Umwelt zuliebe.

       So entschließe ich mich, am Wagen hinter mir zaghaft an die Scheibe zu klopfen und nach einem funktionierenden Handy zu fragen.

       Der Mann ist sehr freundlich und lässt mich gratis telefonieren. Es gibt eben noch gute Menschen!

       In München gebe ich Bescheid, dass ich etwas später komme und bitte um Weiterleitung der Information.

       Nun bin ich wieder etwas beruhigt, allerdings bewegen sich die Zeiger der Uhr in Richtung 10:45 Uhr.

       Eine knappe Viertelstunde später wird mir endgültig klar, dass meine letzte Rechnung auch nicht aufgehen wird.

       Noch bin ich nicht einmal in Stein angekommen und ich muss ja weiter nach Langwasser.

       Ziemlich genau um 11:30 Uhr habe ich Stein durchquert und der Verkehr läuft wieder besser.

       Die Dame am Navi gibt nun wieder ihre Anweisungen. Ich schöpfe Hoffnung.

       „In hundert Metern rechts abbiegen“, sagt sie und ich bereite mich psychisch auf den Kurswechsel vor und gehe vom Gas.

       „In fünfzig Metern rechts abbiegen, In zehn Metern rechts abbiegen, jetzt rechts abbiegen!“

       Ich biege kurz entschlossen rechts ab. Es ist eine Autobahnauffahrt. Das irritiert mich etwas.

       Auch die Dame im Navi scheint irritiert. Sie hat vermutlich nun endgültig begriffen, dass ich keine Autobahnstrecke fahren will.

       Aber sie spricht mir Mut zu und sagt – etwas zögerlich: „Fahren Sie auf die Autobahn auf“.

       Das hätte sie sich sparen können, denn ich hatte ja gar keine andere Wahl mehr.

       Aber dann tröstet sie mich. „Die Route wird neu berechnet“, sagte sie mit Überzeugung im Ton.

       So kann ich wieder ein Stück Autobahn genießen, der Verkehr ist gering und es herrscht strahlendes Wetter!

       Einzig die Richtung scheint mir seltsam, denn ich habe wieder die Sonne im Rücken.

       Allerdings ist ja bald Mittag – das muss man als Pfadfinder ja bedenken – ich fahre also in nordöstlicher Richtung.

       Ich greife nach einer Zigarette und stelle fest, dass die Packung – gedacht für den ganzen Tag – fast leer ist.

       Ein Unglück kommt eben selten allein!

       Nun zieht allerdings die Dame im Navi alle Register, leitet mich wieder runter von der Autobahn und weist mir in der Folge präzise den Weg.

       Bereit fünf Minuten später sehe ich ein Schild, das in Richtung „Bayerncenter“ weist.

       Das ist fantastisch, denn die Information, dass ich irgendwie in die Nähe des Bayerncenters muss, liegt mir vor!

       Kurz darauf sehe ich sogar ein Schild mit dem Aufdruck „Leipziger Straße“. Eine Zentnerlast fällt von meinen Schultern.

       Die Leipziger Straße ist vierspurig und man kann nicht beliebig wenden. Ich komme natürlich aus der „falschen“ Richtung.

       Trotzdem fahre ich die Straße mutig und flott entlang. Die Navi-Dame kritisiert wiederholt mein Tempo.

       Und schließlich teilt sie mir resigniert mit: „Bitte kehren sie um.“

       Das war zwar nicht einfach, sogar ein wenig gefährlich, aber ich musste ja um jeden Preis auf die Gegenfahrbahn kommen!

       Es gelingt! Die paar hupenden A…löcher, denen ich flink den Weg abschneide, ignoriere ich weltmännisch.

       Ein paar Schweißtropfen perlen mir von der Stirn und benetzen Hemd und Krawatte. Hoffentlich gibt das keine Flecken!

       Nun ist die Dame vom Navi wieder am Zug. Sie weist mich an, rechts abzubiegen, und verkündet, dass ich bald mein Ziel erreiche.

       Einige Sekunden später macht sie ihre Ankündigung wahr: „Sie haben ihr Ziel erreicht“, lügt sie mich rotzfrech an.

       Ich spähe aus dem Autofenster, um die Aussage zu kontrollieren und halte Ausschau nach einem adäquaten Firmenschild.

       Weit