MICHAEL STUHRS FANTASY-DOPPELBAND. Michael Stuhr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Stuhr
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738005110
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einer der beiden dem Bündel auf ihrer Schulter mit dem stumpfen Ende seiner Pike einen kleinen Stoß.

      "He, pass doch auf!" Teri wirbelte herum. Das Bündel kam ins Rutschen und fiel zu Boden. "Was soll das?"

      "Kontrolle", erwiderte der jüngere Stadtwächter gleichmütig. "Mach das Bündel auf."

      Teri wurde schlagartig klar, dass die Männer sie wegen ihres Gewandes aus Mittelwelt für eine Fremde hielten. "Ich bin Thedranerin!", gab sie mit stolz erhobenem Haupt bekannt.

      "Wie ist dein Name?"

      "Teri! Tochter der Former Ael und Erin!"

      "Zu welcher Zunft gehörst du? Wer ist dein Obmann?"

      "Ja, äh, ich bin gerade erst angekommen. Ich werde heute ..."

      "Mach jetzt dein Bündel auf!" Der Mann verlor die Geduld.

      "Aber ..." Ein kurzer, nicht sehr harter Stupser mit der Pike brachte Teri zum Schweigen. Voller Wut hockte sie sich auf das Pflaster und fetzte die Haltebänder von ihrem Gepäck.

      Die Umstehenden waren aufmerksam geworden. Jetzt umstanden sie die kleine Gruppe und schauten schwatzend zu, wie Teri ihr Bündel auseinanderrollte: "Hat die Wache wieder eine erwischt!" - "Schau mal, was die anhat!" - "Sieht fast aus, wie eine von uns!" - "Wo die wohl herkommt?" – „Ich hab sie gestern schon herumstreichen sehen! Ich hab ja gleich gesagt ...“

      Die Felldecke von Aska und Teris Schlafdecke lagen ausgebreitet auf dem Pflaster des Marktplatzes. Darauf ihre thedranischen Kinderkleider, von denen sie sich noch nicht hatte trennen wollen und ein Kamm, den ihr der Kapitän in Ago geschenkt hatte. Daneben standen ein Beutel aus grobem Tuch, gefüllt mit Trockenfleisch, Brot und Früchten, ebenfalls ein Geschenk des Kapitäns und ihr Eßgeschirr.

      Desinteressiert stocherte eine der Stadtwachen mit der Spitze seiner Waffe in den Kleidern herum. "Einpacken und mitkommen!"

      Die Kontrolle ihrer Habe war damit abgeschlossen, und Teri packte ihre Sachen unter dem Gegaffe der Menge wieder zusammen.

      "Beeil dich und komm mit!", forderte der Mann, der Teri das Bündel von der Schulter gestoßen hatte mürrisch.

      Verbissen schweigend knotete Teri ihre Felldecke auf das Bündel und stand auf.

      "Komm jetzt!" Flankiert von den zwei Männern wurde Teri wie eine Diebin abgeführt.

      Auf dem Weg zur Höhle der Wachen blieben etliche Leute stehen und schauten den beiden Stadtsoldaten nach, die Teri in ihre Mitte genommen hatten. Wieder bekam sie einige Kommentare zu hören: "Schau mal, die Fremde! Was die wohl ausgefressen hat?" – „Wo die wohl herkommt? Bestimmt nicht von hier!“ – „Schau mal, die Kleider!" - "Gut dass die Wachen aufpassen!"

      Schließlich kam die kleine Gruppe zur Höhle der Wachen.

      "Eine Fremde!" So wurde Teri dem Hauptmann der Stadtwache vorgestellt. "Behauptet Thedranerin zu sein."

      "Ich bin Thedranerin! Meine Eltern haben ihr Wohnrecht aufgegeben. Ich will ..."

      "Warum bist du nicht zur Belehrung gekommen?" Der Offizier schaute Teri mißtrauisch an.

      "Zur Belehrung?" Was sollte das denn sein?

      "Jeder Fremde, der nach Thedra kommt, muß belehrt werden. - Neues Gesetz!", erklärte der Hauptmann. "Also, dann fangen wir mal an."

      Was folgte, war eine ellenlange Aufzählung von Vorschriften und Verboten, die alle das Leben in Thedra betrafen. In schier endlosem Monolog leierte der Hauptmann solche Plattheiten wie, `Du sollst auf dem Markt nichts stehlen, niemanden verprügeln und auf der Hauptstraße nicht deine Notdurft verrichten!' herunter. Schließlich verbot er Teri ausdrücklich das Betteln im gesamten Stadtgebiet und erklärte, wenn sie sich Männern anbieten wolle, so sei das nur auf dem Hafenplatz statthaft.

      Teri hörte sich den ganzen Sermon ungeduldig an. Hoffentlich war dieser schmierige Hauptmann bald fertig! Die Tagteilung war nicht mehr weit, sie mußte zum Tor des Schwalbenhafens.

      Der Hauptmann machte eine Pause.

      "Ich habe es eilig!" Teri versuchte ihrer Stimme so viel Bestimmtheit zu verleihen wie nur möglich. "Obmann Athan erwartet mich."

      "So, Obmann Athan erwartet dich!" Der Hauptmann lachte auf. "Und danach gehst du dann zum König, nicht wahr? - Der wartet doch bestimmt auch schon."

      Teri sog scharf die Luft ein und setzte zu einer bissigen Erwiderung an, ließ es dann aber doch lieber.

      "Na, dann will ich mal nicht so sein und dich vorzeitig gehen lassen", meinte der Hauptmann mit gönnerhafter Miene. "Den König soll man nicht warten lassen. - Aber da fällt mir noch etwas ein: Ich habe heute früh auf dem Marktplatz zwei Bronzestücke verloren. Du warst doch dort. Ich könnte mir vorstellen, dass du sie gefunden hast."

      Teri begriff sofort. Sie war vielleicht in manchen Dingen naiv, aber nicht so naiv. Jetzt war das Maß voll! "Hauptmann", sagte sie in ruhigem und freundlichem Ton, "ich bin Thedranerin und war lange Zeit auf Reisen. Gleich werde ich Obmann Athan in einer äußerst wichtigen Angelegenheit aufsuchen, und ich möchte ihm nicht berichten, dass ich auf dem ganzen Kontinent besser und höflicher behandelt wurde als in meiner Heimatstadt. - Und was euer angeblich verlorenes Geld angeht, so sucht es nur selbst! Aber dann wirklich auf dem Markt und nicht in den Taschen der Gäste dieser Stadt! - Es könnte nämlich sein, dass Obmann Athan in nächster Zeit ein oder zwei Agenten aussendet, um euch zu prüfen."

      Mit diesen Worten, die es wert waren in Ton geritzt und in Bronze gegossen zu werden, stand sie auf, nahm ihr Bündel und ging hinaus. Niemand hielt sie auf.

      Erst auf der Straße, etliche Schritte von der Wache entfernt, begann ihr Herz wie wild zu schlagen. Aber nicht plötzliche Angst ob ihrer Kühnheit war es, die ihren Körper mit einer heißen Welle durchzog, sondern die Wut und die Enttäuschung über eine neue Erkenntnis: - Dass Großmütterchen Thedra lange, schmutzige Krallen hatte - und sich auch nicht scheute, sie zu gebrauchen!

      "Hallo, Eichhörnchen, du bist aber gewachsen!" Einer der Wächter des Schwalbenhafens hatte Teri erkannt und sie mit ihrem alten Spitznamen angerufen.

      Freundlich lächelnd ging sie auf ihn zu und musterte ihn aufmerksam. "Na, wollen wir es mal wieder versuchen?"

      Der Wächter verstand sofort, dass Teri das alte Ritual des Eichhörnchenspiels meinte. "Nein, lass nur", meinte er lachend. "Ich bin zu dick geworden. Wenn ich versuche, dich zu fangen, komme ich bestimmt außer Puste!"

      "Warum belügst du mich?", lachte Teri. Für die Bewachung des Schwalbenhafens wurden ausschließlich alte Scharleute eingesetzt, die sich im Dienst vor dem Mast viele Jahre hindurch bewährt hatten. Der Wächter, der hier vor ihr stand war klein und ungemein muskulös. Trotz seines Alters konnte er es an Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer bestimmt noch mit jedem anderen Thedraner aufnehmen.

      "Ich lüge, weil ich den Feind täuschen will! Das alte freche Eichhörnchen ist nämlich wieder aufgetaucht! - Aber sag, was willst du hier? Du bist doch nicht gekommen, um mit mir Fangen zu spielen."

      "Hast du eine Nachricht für mich?" Trotz des Geflachses mit ihrem alten Freund und Jäger war es Teri übel vor Aufregung.

      "Ja! Athan läßt dir ausrichten, dass er dich im nächsten Jahr selbst für seine Mannschaft aussuchen wird."

      Teri wich alle Farbe aus dem Gesicht. Genau das hatte sie befürchtet! - Eine wohlmeinende, Hoffnung machende, ihrem Traum den Todesstoß gebende Ablehnung. Mit einem kleinen Seufzer ließ sie Kopf und Schultern hängen und wollte sich abwenden. "Danke", sagte sie schnell mit leiser Stimme, bevor der Kummer ihr endgültig die Sprache abschnürte.

      "Warte, es geht noch weiter!" Der Wächter lächelte. "Ich glaube, jetzt kommt der bessere Teil der Nachricht. - Du sollst dich heute abend bei der Höhle der Armee einfinden. Athan will, dass du bis zur nächsten Wahl das Amt der Hüterin übernimmst. - Er braucht den derzeitigen Hüter für den regulären Schardienst."

      Teri schaute auf. Amt der Hüterin? Sie? Eine Tempeldienerin, die nichts weiter