Warteten in den großen Gattern ganze Herden darauf, verschifft oder geschlachtet zu werden, so liefen außerhalb der Umzäunung die etwas glücklicheren Exemplare herum, denen noch ein wenig Zeit blieb. - Ziegen grasten zwischen den Häusern und suchten in deren Eingängen Schutz vor der Sonne. - Ziegen schauten aus Fenstern und kletterten in die Kronen flacher Bäume, um das Laub von den Zweigen zu fressen. - In den Straßen wurden Ziegen gemolken, und an langen Leinen war zwischen den Häusern Ziegenfleisch zum Trocknen aufgehängt.
An die Gerberei, wo in großen Trögen Menschen mit braun verfärbten Gliedmaßen in einer stinkenden Brühe die Ziegenhäute zu Leder machten, schloß sich der eigentliche Markt an. Köstlicher Käse wurde hier feilgehalten und frisches Fleisch. Auch Fisch und viele Früchte waren im Angebot. Nach thedranischer Sitte kaufte Tana von allem etwas ein, um ihren Gastgebern nicht mit leeren Händen entgegentreten zu müssen.
Weiter ging es, den Strand entlang. Nie zuvor hatte Teri so weißen Sand gesehen. Einheimische Fischer hockten in der Mittagssonne bei ihren Booten und verbrachten die heißeste Zeit des Tages unter ihren gewaltigen, geflochtenen Hüten. Jedermann in Kaji schien solch einen Hut zu besitzen. Teri erinnerte sich, dass auch Fakun mit so einer riesigen, äußerst unpraktischen Kopfbedeckung in das stürmische Thedra gekommen war. Hier schien ihr jetzt die Sonne so sehr auf Kopf und Schultern, dass sie sich wünschte, auch so einen großartigen Schattenspender zu besitzen. - Aber die Reisekasse der Familie war knapp bemessen. Teri fragte lieber nicht.
Die Thedraner, zwei Kaufmannsfamilien, waren eine herbe Enttäuschung. Zwar wurden die Gäste in dem großen Haus freundlich empfangen. - Aber nachdem sie weidlich ausgefragt - und die mitgebrachten Vorräte von allen gemeinsam verzehrt worden waren, hatten die Gastgeber es plötzlich sehr eilig gehabt, ihre Landsleute wieder loszuwerden. Allerlei wichtige Geschäfte vortäuschend, hatte einer nach dem anderen das Haus verlassen, bis die Familie mit einer alten Frau allein zurückgeblieben war, die alsbald mitten in der Unterhaltung einschlief.
Nicht gerade begeistert von der Gastfreundschaft ihrer Landsleute waren die drei an Bord des Schiffes zurückgekehrt. Nach thedranischen Maßstäben war der ganze Besuch zwar ein voller Erfolg für beide Seiten gewesen, aber Tana, Gerit und auch Teri hatten sich auf der Reise doch schon sehr an die Offenheit und Gastfreundschaft anderer Völker gewöhnt.
Besonders beschämend hatten die drei gefunden, dass niemand auch nur das Geringste von Fakun hatte hören wollen. Für die Kaufleute war er nur ein Ziegenhirte gewesen, den sie auf einer Reise eingebüßt hatten.
Einige Tage später war Teri mit einem feuchten Gefühl an einer gewissen Stelle ihres Körpers erwacht. Sie war nicht sonderlich schockiert, nachdem sie nachgesehen hatte, schließlich wußte sie, dass so etwas irgendwann jeder Frau passiert. - Trotzdem sagte sie Tana lieber Bescheid.
"Ach!" Auch Tana war nicht sonderlich überrascht. "Dann ist es jetzt bald so weit, dass man dich nicht mehr Kind nennen darf."
"Wieso?" Teri wußte wohl vieles, aber nicht alles. "Wie meinst du das?"
"Ich meine - das bedeutet, dass du jetzt reif genug bist für die Liebe."
"Hä?"
Tana mußte kurz auflachen. "Na, vielleicht doch nicht", meinte sie dann. "Aber dein Körper ist jetzt so weit, dass du Kinder bekommen kannst. Du wirst zur Frau."
Teri war zwar der Meinung, schon lange eine Frau zu sein - aber Kinder bekommen, das war neu und interessant.
"Wenn man ein Kind bekommen will ..." Sie sah Tana fragend an.
"Ja?"
"...dann muß man doch das machen, was du manchmal mit Gerit tust, nicht?"
"Ja, Schatz!", wieder lachte Tana auf. "Genau das!"
"Aha!"
"Und jetzt willst du bestimmt wissen, warum ich noch nicht schwanger bin?", kam Tana Teris nächster Frage zuvor.
"Ja! - Warum nicht?"
"Tja, ich weiß es auch nicht. Vielleicht sind die Götter nicht einverstanden. Wir würden schon gern ein Kind haben wollen. - Wie ist es mit dir? Würdest du dich auch über ein Geschwisterchen freuen?"
Teri überlegte kurz. Dann nickte sie gönnerhaft. "Ja. Nicht schlecht. - Aber eine Tochter würde mir natürlich auch gefallen!" Mit diesen Worten ließ sie die leicht entgeisterte Tana stehen und schlenderte über das Deck davon, um mal wieder in die Wanten zu klettern.
Teri genoß den Ausblick von der Plattform des Mastes. Der Matrose, der hier Dienst tat, hatte ihr Platz gemacht und trank jetzt unten auf Deck einige Schlucke Wasser. Dem Kapitän war das recht. Einen besseren Ausguck als Teri konnte er sich kaum wünschen, das wußte er.
Teri behielt die Wasserfläche vor der `Sesiol' scharf im Auge. Nichts regte sich auf dem Meer. Der ganze Horizont lag in vollständigem Gleichmaß da, nur an Backbord war in weiter Ferne ein dunklerer Streifen zu erkennen. - Die Küste von Bru, dem Goldland, wie der Kapitän erzählt hatte.
Dem Schiff drohte keine Gefahr. Teri konnte es sich leisten, ein wenig zu träumen: - Ein Kind bekommen, was für ein Gedanke! Ihr Blick fiel auf das Deck, auf dem die Männer sich mit allen möglichen Arbeiten beschäftigten.
Da war auch Gerit. Gerit war so ein feiner Kerl. Kein Wunder, dass Tana ihn mochte. Prüfend sah Teri Gerit an, der aus lauter Langeweile den Matrosen bei der Arbeit half. Dann entschied sie sich: - Nein! Sie war sich ziemlich sicher, dass sie kein Kind von ihm wollte!
Es ging etwas vor mit Teri. Je länger die Fahrt dauerte, umso mehr veränderte sie sich. War sie zu Beginn der Reise lustig auf dem ganzen Schiff herumgeturnt und hatte mit den Matrosen herumgealbert, war sie nun eher in sich gekehrt, geistesabwesend und manchmal sogar ein wenig mürrisch.
Ein Kind bekommen. Ein eigenes Kind. Was für ein seltsamer Gedanke! Träumend saß Teri auf dem Dach der Kabine und ließ sich den warmen Wind durch die Haare wehen.
Ein Kind haben können, das war ein Gedanke, mit dem man sich erst einmal abfinden mußte.
Teri schloß die Augen und überlegte: War Kinderkriegen schön?
Moid, eine ältere Spielgefährtin Teris, hatte sich mit zwölf Jahren verlobt und war bald darauf Mutter geworden. Sie lebte jetzt bei ihrem Mann im Felsen der Kupferschmiede und hatte ziemlich zugenommen. Die Wohnung hatte sie kaum noch verlassen, und bei Teris Abreise war sie auch schon wieder schwanger gewesen. Teri hatte auch nicht mehr richtig mit ihr reden können, seit sie sie ein `fettes Erdhörnchen, das kaum noch in seinen Bau paßt' genannt hatte. - So wollte sie auf keinen Fall werden!
Trotzdem war es nicht zu leugnen, dass mit ihrem Körper etwas vorging. Phasen der Appetitlosigkeit wechselten sich mit Anfällen ungeheurer Eßlust ab. Teri merkte an ihren Kleidern, dass sie nicht nur wuchs, sondern auch zunahm. Oft legte sie prüfend Daumen und Zeigefinger beider Hände um einen Oberschenkel und mußte feststellen, dass die Fingerspitzen sich nur noch mit Mühe zusammenbringen ließen.
"Oh, ihr Götter, bin ich fett!", stöhnte sie bei solchen Gelegenheiten manchmal auf und versuchte dann bei der nächsten Mahlzeit ihren Appetit ein wenig zu zügeln. - Wenn sie nämlich weiter alles in sich hineinschlang und immer mehr zunahm, dann würde sie bei ihrer Rückkehr nach Thedra fett sein wie eine Schnecke - und aus wäre es mit dem Traum vom Leben als Scharfrau.
Auch zeigte sich nun ein leichter Haarflaum an ihrem Körper, wo vorher keiner gewesen war. - Nun gut, damit konnte man leben. - Aber ihre Brüste machten ihr Sorgen!
Vor einigen Monaten schon hatte sie ein unangenehmes Ziehen unter ihrer Haut gespürt und das Gewebe über den Rippen war äußerst druckempfindlich geworden. Seitdem wuchsen dort zwei kleine, spitze Hügel, die sich aber zusehends gerundet und an Umfang zugenommen hatten. Schon jetzt waren sie kaum noch zu übersehen, wie ihr die Blicke der jüngeren Matrosen verrieten.
Teri hatte versucht, sich mit ihren Brüsten anzufreunden, hatte stumme Zwiesprache mit ihnen gehalten, hatte sie überzeugen wollen, dass es sinnlos sei, so groß zu werden, aber es war umsonst. -