Fanrea Band 2. A.E. Eiserlo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A.E. Eiserlo
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738047417
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Worte der Feuerelfen sein Herz berührten. Wo war seine Mutter?

      Jetzt sangen die Feuerelfen wieder sein Lieblingslied, es handelte von einem Drachenreiter, für den es sich zu sterben lohnte. Die Stimmen der Elfen trösteten den Drachen und er ließ sich von ihnen in den Schlaf wiegen.

      Der Drache träumte von seinem Reiter, der groß, stark und muskulös war. Mutig kämpften sie gemeinsam gegen Trolle und Achillikrusse, flogen gewagte Flugmanöver und gingen als siegreiche Helden aus jeder Schlacht hervor. Sein Reiter war ein wilder Kerl mit langen, roten Zottelhaaren und einem ungepflegten Bart, er stank und trank gerne Bier. Und er selbst war der schönste und mächtigste Drache weit und breit, keiner konnte ihn besiegen und alle Drachendamen himmelten ihn an. Im Schlaf zuckten seine Krallen vor Aufregung und sein Schwanz peitschte hin und her. Der Drache konnte es kaum erwarten, zu schlüpfen, um endlich all seine geträumten Abenteuer in die Tat umzusetzen.

      Durch die Bewegung bebte das Ei leicht. Erschrocken bemerkten die Feuerelfen die Erschütterung. War es etwa schon so weit? Würde der Drache von Bernsteinauge zu früh schlüpfen und ohne seinen Drachenreiter das Licht der Welt erblicken?

      Henk van Vaal

      Emma war in Ferienstimmung und überlegte schon den ganzen Tag, was sie für ihren geplanten Urlaub in Frankreich einpacken sollte. Berge von Klamotten türmten sich um sie herum, die sie abwechselnd ein- und wieder auspackte. Es war das totale Chaos.

      Zum wiederholten Male öffnete ihre Mutter Marlene die Tür und steckte den Kopf in Emmas Zimmer: „Kann ich dir irgendwie helfen?“

      „Nee, Mama. Habe ich dir mindestens schon zehn Mal gesagt.“ Genervt verdrehte Emma die Augen, sie wollte nicht abgelenkt werden, damit sie nichts vergaß. Wann wurde sie schon einmal von einem Magier auf sein Schloss in Frankreich eingeladen? Und dann war da ja auch noch John...

      Marlene raschelte mit einer Tüte. „Ich habe dir ein Sommerkleid aus der Stadt mitgebracht.“

      „Ein Kleid? Du weißt doch, dass ich keine Kleider anziehe.“

      „Na ja, es gefiel mir so gut und ich dachte, es wäre schön für deinen Urlaub.“

      Kopfschüttelnd zog Emma das Kleid aus der Tüte: „Ach, Mama, Blümchen und Spaghettiträger. Das geht ja gar nicht!“

      „Hm, zieh es doch wenigstens mal an.“

      „Och, nee.“

      „Nur anprobieren, komm, mir zuliebe“, bat Marlene.

      „Später, Mama“, stöhnte Emma.

      „Na gut, später. Also, ich geh dann mal wieder.“ Seufzend schloss Marlene die Tür hinter sich.

      Emma wollte das Kleid wieder in die Tüte stecken, doch dann zögerte sie und sah es sich noch einmal an. Würde es vielleicht nicht doch schön an ihr aussehen? Ihre Hände strichen über den Stoff des Kleides und ihre Gedanken schweiften ab zu John, der sonst in Fanrea lebte. Sie dachte an all die Momente mit dem Indianer und gestand sich ein, dass sie hauptsächlich nach Frankreich fahren wollte, um ihn wiederzusehen. John in der Menschenwelt! Was würde er wohl anziehen? Würde er sich auf der Erde wohlfühlen? Aufregung breitete sich in ihr aus und sie konnte es kaum noch erwarten, ihn endlich zu treffen.

      Genug geträumt, sie musste weiter packen. Ihre Hände griffen nach Shorts, Tops und Chucks und sie warf alles in den Koffer. Dann blieb Emma zögernd vor dem Kleiderschrank stehen und starrte auf die anderen Kleider und Röcke, die ihre Mutter ihr aufgeschwatzt hatte und die sie nie trug.

      In Shorts würde John ihre langen Beine sehen, aber vielleicht wäre es nicht so falsch, noch mehr Kleider einzustecken. Irgendwie war das doch weiblich. Oder nicht? Zweifelnd griff sie danach und packte mehrere Kleider und Röcke kopfschüttelnd in den Koffer. Sollte sie das wirklich anziehen?

      Den Traumfänger und die Kette mit dem geschnitzten Delfinanhänger aus Jade durfte sie auf keinen Fall vergessen, beides hatte John für sie angefertigt. Ihr Herz schlug einen Takt schneller als sie nach dem Traumfänger griff und ihn ebenfalls in den Koffer steckte.

      Auch ihre Digitalkamera landete im Koffer, die würde sie in Frankreich bestimmt brauchen. Ihre Mutter, die leidenschaftlich gern fotografierte, hatte ihr gezeigt, worauf sie achten sollte, um schöne Aufnahmen zu schießen. Seither wusste sie, was Lichtverhältnisse, Blickwinkel, Ausschnitt oder Blende bedeuteten.

      Zuletzt nahm sie den magischen Wassertropfen von Sorin sowie den kleinen Flakon der Herrin vom See und steckte beide Kostbarkeiten ein.

      Nach dem gefährlichen Abenteuer in Fanrea war Emma urlaubsreif, die Angst und die ständige Begegnung mit dem Tod saßen ihr noch tief in den Knochen. Ein paar entspannte Tage auf Magors Schloss im sonnigen Süden waren nun genau das Richtige.

      In zehn Minuten hatte Ben seinen Koffer gepackt und ihn danach zufrieden in seinem Zimmer abgestellt. Jetzt begleitete seine Mutter Nora ihn zu einem Augenarzt, einem zweiten Spezialisten. Dort erfuhren sie, dass Bens Augenkrankheit auf wundersame Weise geheilt worden war. Schmunzelnd nahm Ben es zur Kenntnis, er hatte nichts anderes erwartet.

      Der Arzt dagegen war völlig perplex. Immer wieder begann er mit der Untersuchung von vorne, murmelte konfus vor sich hin, schaute in die Unterlagen seines Kollegen und rief diesen schließlich an. Am Ende wollte er Ben zu einem dritten Spezialisten schicken, aber Ben lehnte das ab, er wusste ja mit Sicherheit, dass er geheilt war.

      In Gedanken versunken gingen Mutter und Sohn zurück zum Auto. Fassungslos fragte Nora: „Wieso freust du dich denn gar nicht? Du müsstest doch vor Glück zerspringen. Das ist quasi eine Wunderheilung!“

      Wie sollte Ben ihr erklären, dass er seine Freude schon in Fanrea, am See der Heilung, ausgelebt hatte?

      Kopfschüttelnd betrachtete Nora ihn von der Seite: „Du bist sowieso sehr merkwürdig seit ein paar Tagen.“

      „Wieso merkwürdig?“

      „Das ist ja das Schlimme: Ich weiß es nicht!“

      Nachdenklich schwieg seine Mutter. Ben tat, als würde er es nicht bemerken und begann schnell mit einem anderen Thema: „Wann müssen wir in der Psychiatrie bei Henk van Vaal sein?“

      „Um vierzehn Uhr, aber lenk nicht vom Thema ab. Was ist los mit dir? Du verheimlichst mir doch etwas. Du bist so, so, ach, ich weiß auch nicht, verändert, erwachsener irgendwie.“

      Langsam wusste Ben nicht mehr, wie er sich aus der Affäre ziehen sollte und starrte grübelnd aus dem Autofenster. Natürlich war er verändert, er war durch ein Weltentor in eine fremde Welt gereist, wo er von Zwergen und Elfen zu einem Krieger des Lichts ausgebildet worden war. Dort hatte er mit seinem Schwert töten müssen, konnte inzwischen ein wenig Magie anwenden und war von seiner Augenkrankheit geheilt worden. Doch wie sollte er das seiner Mutter erklären, die in der Psychiatrie arbeitete? Wenn er ihr die Wahrheit erzählte, würde sie ihn sofort zu ihrem Patienten, Henk van Vaal, einweisen lassen.

      Ein Stück weit war Ben tatsächlich erwachsen geworden. Die Begegnung mit dem Tod, grenzenloser Angst, körperlichen Schmerzen, aber auch tiefer Freundschaft und die Bereitschaft, sein Leben für andere zu riskieren, hatten ihn reifen lassen. Auch sein Äußeres hatte sich verändert, sein Gesicht war kantiger geworden, sein Körper muskulöser.

      Verlegen schaute er zu seiner Mutter: „Mama, alles ist wie immer, mach dir keine Sorgen. Nimm meine Heilung doch einfach als Geschenk Gottes an und versuch nicht immer alles zu erklären. Es ist, wie es ist.“

      Das mit dem Geschenk entsprach nur indirekt der Wahrheit, denn seine Heilung war harte Arbeit gewesen. Die Elfe Osane hatte ihn gelehrt, dass jedes Leben aus Lernaufgaben besteht. Alle gelösten Probleme bringen einen weiter auf dem persönlichen Weg der Entwicklung. Ben fand, er war ein gelehriger Schüler gewesen und am Ende für seine tiefen Einsichten mit der Heilung belohnt worden.

      Völlig entgeistert starrte seine Mutter ihn an, erwiderte aber nichts. Fast bekam Ben einen Lachflash, weil die Situation völlig absurd war,