Vestalia. Tina Bajza. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tina Bajza
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738081213
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seine Regeln. Nur hier legte er seine Waffe ab. Nur hier konnte er sich ungeschützt bewegen. Außerhalb dagegen war sein einziger Schutz die Gleichgültigkeit. Aber manchmal reichte selbst die nicht aus, um den dunklen Abgrund in sicherer Entfernung zu halten. Und doch war das, was im Abgrund lauerte, ein Teil von ihm.

      Die vergangenen Nächte hatte er in verlassenen Lagerhallen und in dunklen Gassen nach einem Schatten gesucht, ohne selbst dabei entdeckt werden zu dürfen. Beinahe wäre es ihm auch gelungen. Doch wegen einem Mistvieh von einer Katze war er aufgeflogen und fast draufgegangen. Er spürte den Lauf der Waffe immer noch an seinem Hinterkopf. Diese verfluchte Katze, hatte so laut gejault, als er ihr auf den Schwanz getreten war, dass es durch die ganze Lagerhalle zu hören gewesen war. Sie wegzuscheuchen hatte auch nichts mehr gebracht, sie hatte seine Position Lombardos Mann längst verraten. Und als dieser ihm gerade das Licht auszuknipsen wollte, hatte sie dieses nachtragende Biest attackiert. Diese Ablenkung von nur wenigen Sekunden hatte ausgereicht, wieder die Oberhand über die Situation zu gewinnen.

      Zufrieden legte er den Koffer mit den Diamanten in den Safe. Er würde ihn morgen zu Antonio bringen. Das Adrenalin in seinem Körper baute sich langsam ab. Es reichte gerade noch soweit, dass er eine ausgiebige Dusche nehmen konnte, bevor er sich vollkommen erschöpft in sein weiches Bett fallen ließ.

      8 Der Fund

      Der Schein der Straßenlaternen spiegelte sich auf der dunklen Wasseroberfläche des Tiber und machten es in der Nacht zu einem Ort, wo zarte Gefühle zwischen Liebenden zu einem Feuer entfachten. Doch Evas Körper bebte nicht vor Erregung romantischer Art, sondern weil die nackte Angst sie ergriffen hatte. In ihren Händen hielt sie immer noch die Rose, die sie von Nino bekommen hatte. Sie gab sich Mühe, ihr Zittern unter Kontrolle zu halten, während sie ihre Aussage machte. Einige Schritte weiter unterhielt sich Agente Trapani mit Evas Begleiter.

      Der Abend hatte so vielversprechend angefangen. Nino hatte sie abgeholt und sie in ein schönes Restaurant eingeladen. Danach waren sie tanzen. Und als die Stimmung am Höhepunkt war, hatten sie einen Spaziergang am Fluss unternommen, um sich ein wenig abzukühlen. Die Musik konnte eine fatale Wirkung haben, und sie wollte nicht zu vorschnell handeln. Er sah sehr gut aus und war auch sehr charmant, doch das waren sie alle am Anfang. Sie wollte diesmal umsichtiger sein und nicht gleich dem Zauber der ersten Verabredung erliegen. Die Nacht war warm gewesen und die Sterne hatten über ihnen gestrahlt. Er hatte ihre Hand gehalten und verträumt mit ihren Haaren gespielt. Als seine Hand dann ihren Hals gestreichelt hatte, hatte sie sich ergeben, lächelte Eva und sah verlegen zu Boden. Ispettore Sperati nickte mitfühlend. Der Kuss war wunderschön gewesen, erzählte sie weiter. Dann aber hatte sie etwas im Wasser treiben gesehen. Zuerst hatte sie es für etwas Unwichtiges gehalten. Etwas, was vielleicht ein Tourist hineingeworfen hatte. Doch als es näher kam, sah sie, dass es größer war als nur ein Rucksack. Als sie erkannt hatte, was es war, hatte sie nicht mehr aufhören können zu schreien.

      „Seine Augen waren glasig und der Mund stand weit offen, als würde er nach Luft ringen. Und als die Polizia endlich da war und ihn aus dem Wasser gefischt hat, baumelte sein Kopf hin und her, als würde er gleich abfallen. So etwas habe ich noch nie gesehen!“

      Evas Zittern wurde stärker. Sperati gab Agente Trapani ein Zeichen.

      „Ist schon gut. Sie haben für heute Abend wirklich genug durchgemacht. Ich lasse Sie jetzt nach Hause bringen. Machen Sie sich einen beruhigenden Tee und gehen Sie schlafen. Und Sie werden sehen, morgen früh sieht alles wieder ganz rosig aus.“

      Sperati versuchte das Mädchen mit einem kleinen Witz aufzuheitern. Es gelang ihm nur mäßig. Evas Begleiter kam herbeigeeilt und nahm sie in den Arm.

      Sperati stellte einen Wagen ab, der die beiden Zeugen nach Hause fuhr. Es war ihm nur recht, dass er die Befragung abbrechen konnte. So eine Aufruhr wegen eines Betrunkenen, der über seine eigenen Füße gestolpert war! Es ärgerte ihn, wenn solche banalen Sachen passierten, vor allem dann, wenn er gerade dabei war, Feierabend zu machen. Sperati veranlasste noch, dass die Leiche in die Gerichtsmedizin gebracht wurde, und machte sich sodann ebenfalls auf den Heimweg. Den Bericht würde er morgen schreiben. Die Arbeit lief ihm schon nicht davon.

      9 Ispettore Sperati

      Während Evas Rose und der Leichnam aus dem Fluss gleichsam welkten, befand sich Ispettore Sperati auf der Fahrt kreuz und quer durch die Stadt. Die Autopsie hatte ergeben, dass der Tote doch nicht ertrunken war. In seinen Lungen hatte sich kein Wasser befunden. Daraufhin wurde das Ufer nach eventuellen Spuren abgesucht. Weiter nördlich waren sie dann auf den wahrscheinlichen Tatort gestoßen. Das Blut des Opfers war noch auf dem Gehsteig verschmiert. Der DNA-Beweis fehlte zwar noch, aber die Blutgruppe stimmte. Es war so gut wie eindeutig. Und damit nicht genug, war der Tote nicht irgendein Tourist, er war der Sohn von Antonio Ciamberlano, dem Goldschmied des Papstes. Die Familie Ciamberlano war ein hochangesehenes Mitglied der Gesellschaft.

      Der Wutausbruch seines Vorgesetzten war also zu erwarten gewesen. Aber wer hatte noch vor zwei Tagen ahnen können, dass sich die Sache so entwickeln würde. Da war man eben von einem Unfalltod ausgegangen - so wurde es auch an die Angehörigen weitergegeben - und im nächsten Moment war von Totschlag, oder sogar Mord, die Rede. Für seinen Vorgesetzten, den Primo Dirigente Marsella, war der Höhepunkt der Inkompetenz, dass kaum die Nachricht an die Familie übermittelt worden war, er sich für das bedauerliche Versehen entschuldigen musste.

      Zur Strafe musste Sperati die Demütigung über sich ergehen lassen, dass so ein privater Handlanger von Antonio Ciamberlano ihm bis zum Abschluss der Untersuchungen auf die Finger sehen sollte. Mit sämtlichen Befugnissen ausgestattet, war dieser nun im Grunde der leitende Ermittler. Als ob er nicht schon genug am Hals hatte! Noch nie hatte er sich einer größeren „Beliebtheit“ seitens des Bürgermeisters erfreut. Auch der Polizeidirektor und das ganze Präsidium saßen ihm im Nacken. Aber zumindest hatten sie die Presse im Griff. Mehr als die ursprüngliche Version war nach außen nicht bekannt.

      Dennoch fühlte er sich wie ein blutiger Anfänger. Unter all den wachsamen Augen sollte er den Gullideckel öffnen und den Dreck davon abhalten, sich über die Stadt zu ergießen. Er konnte nicht gewinnen, so oder so! Der Gestank würde bleiben, ob er den Fall aufklärte oder nicht - und vor allem auf ihm!

      Laut der Autopsie hatte der Tote vorher noch Geschlechtsverkehr gehabt und war in eine Prügelei verwickelt gewesen. Schmutz-, Haut- und Faserpartikel sowie Haare, welche man an ihm gefunden hatte, stammten von den unterschiedlichsten Personen und Orten. Er hatte einen sehr kontaktfreudigen Abend gehabt, und es hatte im Rotlichtmilieu geendet.

      Also war Sperati jetzt auf dem Weg dorthin. Wenn alles nach Plan lief und der zweite Eindruck nicht ebenfalls täuschte, konnte er Marsella nach diesem Besuch einen abgeschlossenen Fall vor die Füße werfen. Und er konnte froh sein, wenn er selbst nicht dabei zertrampelt werden würde. Die Angelegenheit war für alle Beteiligten äußerst heikel, nicht nur für die betroffene Familie. Sperati wusste nicht, wie er da wieder heil rauskommen sollte.

      Sperati lenkte seinen Wagen in die breite Auffahrt und hielt vor dem ausladenden Gartentor. Die Villa ragte majestätisch inmitten einer gepflegten Gartenanlage. Es sah eher wie eine Adelsresidenz aus, und nicht wie ein gottverdammtes Bordell! Sperati drückte auf den Knopf der Fernsprechanlage. Er fragte sich, ob Oppia ihn nur vorführen wollte, als sie ihm ohne Umschweife und unverzüglich einen Termin gewährt hatte. Er klingelte erneut, diesmal länger. Keine fünf Sekunden später hörte er ein Rauschen. Eine verzerrte Männerstimme drang durch den Lautsprecher.

      „Si“

      „Ispettore Sperati!“, schrie er in den Lautsprecher.

      Er hörte ein Knacken, und dann verstummte es wieder. Es folgten ein Krachen und ein Quietschen, und endlich ging das Tor auf. Er startete den Motor wieder und fuhr hindurch, sobald das Tor weit genug offen stand. Er lenkte das Auto zum protzigen Eingang, doch auf halber Strecke wurde er von einem breitschultrigen Mann in einem dunklen Sakko abgewunken. Er kannte ihn nicht. Musste wohl ein neuer Leibwächter von Oppia sein. Er folgte seinem Handzeichen und parkte neben einer Reihe Nobelkarossen. Neben dem