Vestalia. Tina Bajza. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tina Bajza
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738081213
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Nachtisch gab es Rosas Tiramisu.

      „Ich habe noch eine Speciale im Kühlschrank, nur für Sie.“ Rosa zwinkerte ihr zu. „Sie wissen schon, für nachher, wenn Sie sich entspannen.“

      Mit „Speciale“ meinte Rosa, in Alkohol ertränkt. Sie mochte Rosas Tiramisu ganz besonders, auch ohne extra Schuss.

      „Das werde ich, grazie!“

      Andrea belud seinen Wagen noch schnell mit frischen Lebensmitteln und dann brachen sie auf. Vestalia fuhr ihm in ihrem Wagen, wie gewohnt, in einem rasanten Tempo hinterher. Sie kamen noch vor der Abenddämmerung an Celias Haus an. Ihr Puls raste und sie war wieder schweißgebadet. Sie war kaum zu Atem gekommen, als Andrea schon ihre Autotür aufriss und ihr beim Aussteigen half.

      „Na, da hat sie doch prompt etwas Farbe auf ihre blassen Wangen bekommen.“, rief Andrea begeistert.

      „Also ich muss sagen, Signore Andrea, dass Sie nach wie vor einen temperamentvollen Fahrstil haben. Sie haben kein bisschen nachgelassen.“

      „Meine Liebe, ich bin ein temperamentvoller Mann! Glauben Sie mir, ich hätte sonst meine schöne Rosa nicht so lange halten können. Sie gibt sich nicht mit weniger zufrieden.“ Andrea lachte laut auf, als er sah, wie Vestalia errötete.

      Während Andrea den Wagen entlud, spazierte sie durch Celias Anwesen. Sie strich mit ihren Fingern sanft über die Rosenblüten, welche sich ihr stolz am Gehweg entgegenreckten. Andrea hatte wirklich eine Begabung für die Gartenarbeit. Es gab keine Pflanze, die er nicht kannte, keine Blume, die nicht unter seinen Händen erblühte - ganz im Gegenteil zu ihr. Das Längste, was eine Pflanze je bei ihr überlebt hatte, waren sechs Monate. Andrea kümmerte sich stets gut um das Anwesen. Auch der Garten hinter dem Haus war einwandfrei gepflegt. Die hohen Hecken, die als Sichtschutz dienten, waren ordentlich gestutzt. Die Blumenbeete waren verspielt, aber nicht wahllos, angelegt und ihre Farben gingen ineinander über wie bei einem Regenbogen.

      „Signore Andrea, das ist wunderschön! Ich bin ganz hingerissen.“

      „Grazie, Signorina Vestalia! Für Sie und Signora Favelli wähle ich nur die schönsten Blumen aus.“ Andrea war sichtlich stolz über ihr Kompliment.

      Er trug die restlichen Sachen gleich mit noch mehr Begeisterung ins Haus. Vestalia musste unweigerlich lachen, als sie ihm dabei zusah. Dieser Mann kannte aber auch keine Schwermut! Er pfiff und sang in einem fort. Auch im Haus war alles tadellos: der Staub gewischt, die Räume gelüftet. Andrea hatte im Foyer, im Wohnzimmer sowie in ihrem Gästezimmer frischgeschnittene Blumensträuße arrangiert. So verteilt, durchströmte der Duft der Rosen das ganze Haus. So sehr es ihr auch bei jedem Mal schwerfiel nach Rom zurückzukehren, Rosa und Andrea machten es ihr ein wenig erträglicher. Und durch eben solch kleine, herzliche Gesten, beinahe angenehm.

      Als alles eingeräumt war, verabschiedete sich Andrea von ihr und eilte zurück zu seiner erwartungsvollen Rosa. Und wieder lachte er, als Vestalia verschämt zur Seite sah. Er winkte ihr aus dem Lieferwagen zu und brauste davon.

      Vestalia hängte als erstes ihr Windspiel über der Tür hinten auf der Veranda auf. Celia hatte es ihr geschenkt, als sie sie zu ihrer Geschäftspartnerin gemacht hatte. Die Goldschmiede, die Vestalia betreute, hatten es eigens für sie angefertigt. Es war aus 24-karätigem Gold und zeigte Vesta, die antike Göttin des Feuers, in einer abstrakten Abbildung als Flamme mit zum Himmel erhobenen Armen. Darunter hingen die Klangornamente in Form von sechs kleineren Flammen, welche Vestas Priesterinnen, die vestalischen Jungfrauen, darstellten. Es war eine Anspielung auf ihre Namensgeberin und sollte sie beschützen. Vestalia betrachtete es einen Moment lang. Die sanften Klänge halfen ihr zur Ruhe zu kommen.

      Dann ging sie hinauf ins Badezimmer und gönnte sich eine ausgiebige Dusche. Das Wasser prickelte angenehm auf ihrer Haut. Endlich wusch sie sich den Gestank des Tages von ihrem Körper ab. Als sie aus dem Badezimmer herauskam, fühlte sie sich erfrischt und rein. Sie entschied sich, für den Rest des Abends nur einen Bikini anzuziehen. Hinten im Garten würde sie ja niemand sehen. Auf dem Weg in die Küche nahm sie ihr Smartphone aus der Handtasche und wählte Celias Nummer. Es kam die automatische Ansage. Vestalia schickte ihr also eine SMS: „Bin gut angekommen. Rosa und Andrea haben mich wie immer wundervoll versorgt. Wir hören uns dann morgen. Ciao J

      Sie schaltete das Smartphone aus.

      „Genug für heute“, sagte sie zu sich selbst und entließ sich in den Feierabend.

      Mit einem Glas frischer Limonade und Rosas Speciale setzte sie sich auf die Veranda. Der stark konzentrierte Alkohol tat bald seine Wirkung. Sie lehnte ihren Kopf zurück und legte die Beine auf das Geländer. Entspannt lauschte sie dem Zirpen der Grillen.

      Der Sonnenuntergang färbte den Himmel über ihr rot. Das Licht tauchte Vestalias blasse Haut bald in Bronze, und wie die Sonne immer tiefer sank, in Kupfer. Die letzten Sonnenstrahlen tanzten auf ihrem Gesicht. Sie fühlten sich angenehm warm an.

      4 Die Rose

      Vestalia stand in einem Meer aus Flammen. Sie hob ihre Arme, um ihre Augen zu schützen, doch es machte keinen Unterschied. Sie spürte, wie das Feuer das Fleisch durchdrang und sich unerbittlich die Atemwege hinabschlängelte. Sie bekam keine Luft mehr. Ihre Kräfte verließen sie und sie fiel auf die Knie. Vestalia versuchte sich mit den Händen abzustützen, aber ihr Körper gehorchte ihr nicht. Sie lag zusammengekrümmt auf dem Boden und war nicht mehr fähig, sich zu bewegen. Der brennende Schmerz breitete sich in ihr aus und wurde unerträglich. Sie wollte Schreien, als wenn es ihr eine Erleichterung hätte verschaffen können, aber ihre Kehle blieb stumm. Sie fing an unkontrolliert zu zittern, und es steigerte sich hin bis zu massiven Krampfanfällen. Ihr ganzer Körper schrie nach Luft, doch stattdessen drang das Feuer immer tiefer in sie hinein und loderte in ihren Lungen. Plötzlich nahm sie eine Präsenz wahr: zornig, unnachgiebig, willensstark - mächtig!

      „Gibst Du auf?“, erscholl eine dunkle Stimme in ihrem Kopf.

      Aber sie hörte nichts weiter, weder Schritte, noch das Rascheln von Kleidung, auch keine Atemgeräusche. Es machte sie beinahe wahnsinnig vor Angst, nicht zu sehen, was sich hinter ihr heranschlich.

      „Gibst Du auf?“

      Die Stimme donnerte, dass Vestalia es kaum ertragen konnte. Ihr Schädel drohte zu zerbersten. Der Druck legte sich auf ihre Augen und sie musste ihre Lider fest zusammenpressen, wenn sie nicht wollte, dass sie ihr aus den Höhlen gedrückt wurden. Sie fühlte, wie der Widerstand ihres Körpers ihre Grenzen erreichte und er jeden Augenblick zersprengt werden würde. Sie versuchte, sich dagegen zu wehren. Schließlich überwand ihre Wut die Angst und sie richtete all ihre Gedanken auf das, worin die gierigen Flammen noch nicht eingedrungen waren - auf das schlagende Herz in ihrer Brust! Mit einem gellenden Aufschrei presste sie das verzehrende Feuer aus ihren Lungen.

      „No!“

      Ihr Körper bäumte sich auf und verdrängte das Feuer nicht nur aus ihrem Inneren, sondern ebenso aus ihrem unmittelbaren Umkreis. Vestalia stand auf, schwer keuchend und nach Luft ringend.

      Als hätte die Präsenz nur auf ihre Gegenwehr gewartet, zeigte sie sich ihr nun. Sie erschien direkt vor Vestalia und trat in ihren Kreis ein. Die Luft flimmerte vor Hitze und Vestalia erblickte eine verhüllte, dunkle Gestalt, verzerrt und unwirklich wie eine Fata Morgana. Wohlwollend sah die Gestalt auf Vestalia hinab, das Gesicht bis auf die Augen verborgen im Schatten ihres Gewandes. Sie hielt etwas in ihren Händen, von dem ein schwacher Schein ausging. Als Vestalia genauer hinsah, erkannte sie, dass es eine goldene Rose war. Sie versuchte einen Blick auf die Hände zu erhaschen, die den Stängel der Rose hielten, doch die Ärmel des Gewandes bedeckten sie. Plötzlich begannen die Blütenblätter abzufallen und um sie herum zu schweben. Sie kreisten immer schneller und sahen dabei aus wie kleine Sternschnuppen. Neben ihrem Ohr hörte Vestalia ein leises Summen. Instinktiv griff sie danach. In ihrer Handfläche kitzelte es. Als sie spürte, wie die Bewegungen nachließen, öffnete sie ihre Hand. Es war ein Glühwürmchen. Für einen flüchtigen Moment zauberte es ein Lächeln auf Vestalias Lippen. Doch bevor sich die flüchtige Freude festsetzen konnte, erlosch