Vestalia. Tina Bajza. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tina Bajza
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738081213
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Er nickte und forderte sie mit einer Handbewegung auf, es zu öffnen.

      Als sie den Deckel anhob, strömte ihr ein vertrauter Duft entgegen, den sie seit ihrer Kindheit nicht mehr gerochen hatte – Weihrauch und geweihte Kerzen.

      „Wir dachten uns, Sie könnten ein wenig himmlischen Beistand auf Ihrer weiteren Reise gebrauchen. Nun ja …“ Frater Federico lächelte verschmitzt. „… bei Ihrem offensichtlichen Hang zu Missgeschicken.“

      „Das ist wirklich sehr frech von Ihnen!“, lachte Vestalia überrascht über diesen unverhofften Scherz. „Grazie! Der Besuch bei Ihnen war sehr …“ Sie suchte nach dem richtigen Wort.

      „Umwerfend?“, neckte sie der Frater.

      „Si, einfach umwerfend!“

      Beide genossen sie noch kurz die ausgelassene Stimmung, bevor sie sich endgültig von einander verabschiedeten.

      „Alles Gute für Sie und Ihre Brüder“

      „Seien Sie gesegnet und möge Gott über Sie wachen!“

      Je mehr Abstand Vestalia zwischen sich und dem Kloster brachte, umso mehr fiel das beklemmende Gefühl von ihr ab und ihr Griff um das Lenkrad wurde lockerer. Es war noch eine weitere Stunde vergangen. Sie musste sich beeilen, wenn sie noch vor Sonnenuntergang in Rom sein wollte.

      Hinter den schweren Mauern sah Frater Federico Vestalia von der Aussichtsplattform aus nach. Er hörte schwere Schritte näher kommen. Abt Donatus trat schweigend neben ihn. Zusammen beobachteten sie, wie Vestalia auf der Landstraße davonfuhr.

      „Stimmt etwas nicht, ehrwürdiger Abt?“, fragte Frater Federico, als sich Abt Donatus immer noch nicht rührte, selbst nachdem Vestalia aus ihrer Sicht verschwunden war.

      „Etwas anderes haftet noch an diesem Mädchen“

      „Was meint Ihr?“

      „Verdammnis!“, antwortete der Abt.

      „Ewige Verdammnis?“, wiederholte Frater Federico sichtlich beunruhigt. „Aber wie kann das sein? Ich meine, immerhin hat…“

      „Und dennoch…“, unterbrach ihn Abt Donatus. „… fürchte ich, hat sie noch eine schwere Prüfung vor sich. Das haben alle, die gesegnet sind.“

      Frater Federico hatte den Abt selten so besorgt gesehen, doch er wagte es nicht, ihn weiter zu bedrängen.

      Abt Donatus ging schweigend wieder ins Innere der Klostermauern. Was auch immer diesem Mädchen innewohnte, es war ihm nicht gestattet gewesen, es zu ergründen.

      3 Ankunft in Rom

      Vestalia fuhr auf der Autobahn, so schnell es ihr körperlicher Zustand erlaubte. Erst als sie sich den ersten Wohnsiedlungen näherte, drosselte sie die Geschwindigkeit. Bald verdichteten sich die einzelnen Wohnhäuser zu massiven, aneinandergereihten Gebäuden. Es war bereits später Nachmittag und die schwüle Hitze hatte die Stadt aufblühen lassen. Überall auf den Straßen sprühten die Menschen vor Lebenslust, Einheimische sowie Touristen. Im zähen Stop-and-go-Tempo schlängelte Vestalia sich durch den Verkehr. Ihr schweißdurchtränktes Sommerkleid klebte unangenehm am Rücken. Nach einer Stunde endlich hielt sie vor dem von Weinreben umwachsenen Gartentor. Es zauberte immer ein Lächeln auf ihr Gesicht, wenn sie es sah. Sie stieg aus und holte die gold-glänzende Tragetasche vom Rücksitz.

      Das Tor stand weit offen. Sie schritt hindurch und genoss die betörenden Düfte, die auf sie einströmten. Vor ihr erstreckte sich ein bunter Garten mit den unterschiedlichsten Blumen, und jede einzelne von ihnen umschmeichelte sie mit ihrem eigenen Duft. Mittendrin eingebettet lag das Haus der Scalises. Auf halbem Wege lief ihr der sonnengebräunte Hausherr entgegen.

      „Signorina Vestalia, benvenuto! Signorina Vestalia, was ist denn mit Ihnen passiert? Hatten Sie etwa einen Unfall?“, fragte er erschrocken, als er das Pflaster unter ihrem Haar entdeckte.

      „Es ist nichts weiter. Ich war nur tollpatschig.“

      „Sie sehen auch etwas blass aus. Geht es Ihnen gut? Kommen Sie herein, kommen Sie!“ Er packte sie und trug sie regelrecht ins Haus.

      „Rosa, mein Täubchen! Signorina Vestalia hatte einen Unfall, komm schnell!“, rief Andrea aufgeregt nach seiner Frau. Rosa kam sofort aus der Küche herbeigeeilt.

      „Dio buono, lassen Sie sich ansehen, meine Liebe!“ Rosa machte Anstalten, ihr das Pflaster von der Stirn zu reißen. Vestalia konnte sie gerade noch davon abhalten.

      „Es ist nur eine kleine Beule. Es geht mir gut. Ich wurde bereits verarztet, grazie!“

      „Und damit sind Sie Auto gefahren? Mit so etwas ist nicht zu spaßen!“, schimpfte Rosa beherzt mit ihr und wandte sich dann an Andrea. Sie schlug ihren Mann mit dem Küchentuch auf den Arm. „Deshalb ist sie so spät dran. Ich habe dir doch gesagt, dass etwas nicht stimmt!“

      „No, per favore! Ich versichere Ihnen, es ist alles Bestens. Kein Grund zur Sorge.“, versuchte Vestalia zu schlichten, so gut sie konnte.

      „Ich weiß nicht, vielleicht sollten wir doch lieber einen Arzt holen, nur zur Sicherheit. Warten Sie, ich rufe gleich…“

      „Grazie, Signore Andrea, aber ich wurde bereits ärztlich versorgt. Machen Sie sich bitte keine Umstände. Ich fühle mich gut. Nur ein wenig matt vielleicht, von der langen Fahrt - das ist alles.“

      Andrea und Rosa sahen sich an, unschlüssig darüber, was sie machen sollten.

      „Bene, wir machen Folgendes“, entschied Rosa schließlich. „Sie bleiben zum Essen und ruhen sich ein wenig aus. Und wenn es Ihnen danach immer noch gut geht, fährt Andrea mit Ihnen zu Celias Haus.“

      „Einverstanden“

      Sie setzten sich auf die Veranda und Andrea tischte das Abendessen auf. Vestalia übergab Rosa die Tragetasche mit dem begehrten Inhalt. Rosa warf einen verstohlenen Blick hinein, um dann mit dramatischen Gesten das Geschenk widerwillig anzunehmen. Vestalia musste jedes Mal über ihr kleines Ritual schmunzeln.

      „Ist Signora Favelli wohl auf?“, erkundigte sich Andrea nach Celia, ihrer Geschäftspartnerin.

      „Sie sagt uns zwar immer, dass sie das Leben in vollen Zügen genießt, aber auch wir wissen, dass das Führen eines Juweliergeschäftes nicht nur reines Vergnügen ist, selbst wenn man noch so sehr für Gold und Edelsteine schwärmt.“

      „Ah, sie ist einfach unermüdlich. Bei Stress blüht sie förmlich auf. Mit Geschäftsleuten zu verhandeln, dafür lebt sie. Nun, Sie kennen sie besser als ich.“

      „Sie war schon immer sehr tüchtig, das stimmt. Und ich bin mir sicher, sie kann sich glücklich schätzen, in Ihnen eine so treue Partnerin gefunden zu haben. Loyalität kann nämlich unter Umständen eine sehr komplizierte Sache sein.“, bemerkte Andrea in einem für ihn zu ernsthaften Ton, wie Vestalia fand.

      „Tatsächlich ist es das nicht“, hielt sie ihm entgegen.

      Nach all den Jahren bestand offensichtlich immer noch ein leises Misstrauen ihr gegenüber. Sie war eine Di Salvo, ein Abkömmling der vorherrschenden Familie der Goldschmiedezunft in Rom. Aber für sie war dieser Teil des Lebens ein abgeschlossenes Kapitel. Sie arbeitete zusammen mit Celia daran, sich als Juwelierin in Venedig zu etablieren. Celia kümmerte sich ums Geschäftliche, sie um das Kreative, und es funktionierte sehr gut. Celia konnte gut mit Investoren und Zahlen, sie mit Künstlern und Edelsteinen. Celia und sie ergänzten sich perfekt. Sie hätte Celia nie für die Di Salvos verraten. Sie empfand sie nicht als ihre Familie. Sie war lediglich hineingeboren worden, sie war kein Teil von ihnen.

      „No, nicht für unsere liebe Signorina Vestalia!“ Andrea klatschte fröhlich in die Hände. „Wie lange bleiben Sie?“

      „Vorerst eine Woche. Aber das hängt davon ab, was Signora Luci für uns hat. Wenn alles reibungslos läuft, dann bleibt es bei dem einen Termin am Montag.“

      „Sie