Träume aus dem Regenwald. Bernd Radtke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bernd Radtke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742781581
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sie im Bett. Der schlanke, braune Körper Andréias, ihr Temperament und ihre Unbefangenheit faszinierten ihn. Erst spät am Abend verließen sie das Hotel, um im Licht der Straßenlaternen am Strand von Ipanema spazieren zu gehen. Dieses Mal küssten sie sich auf der Bank.

      Benedikt stöhnte laut, die Augen voller Tränen, bevor er sich mit seinen Erinnerungen weiter quälte. Jetzt war das alles nur noch ein Traum. Kein Kindergeschrei mehr, wenn sich die beiden Schwestern stritten, kein scharfes Wort von Andréia, das die Kinder zur Ordnung rief, es war totenstill im Haus. Kein Kuss, keine zärtliche Hand, die nach ihm griff. Nichts mehr, er war allein.

      Kapitel 4

      Wieder war es spät geworden. Eine Durchfallepidemie hatte viele Dorfbewohner krank werden lassen und so hatten Margot und Jaíra, die wieder in der Krankenstation aushalf, viel zu tun. Rosaria hatte es am schlimmsten erwischt, was dazu beitrug, dass sie bis spät in die Nacht die Kranken versorgen mussten. An diesem Abend hatte eine Frau aus dem Dorf die Nachtwache übernommen und so konnten sich Margot und Jaíra in den privaten Bereich zurückziehen. Sie duschten und wärmten schnell die Reste des Mittagessens.

      »Dir macht die Arbeit hier Spaß?«, begann Margot, nachdem sie mit dem Essen fertig waren.

      Jaíra wischte sich den Mund ab und nickte.

      »Bei unserer ersten Begegnung sagtest du mir, dass du gerne dabei sein würdest, wenn die Kinder zur Welt kommen. Jetzt bist du fast schon eine richtige Hebamme.«

      Margot spielte darauf an, dass Jaíra zusammen mit Dona Marga, der hiesigen Hebamme, oft unterwegs war und sie von ihr eine Menge gelernt hatte.

      »Es war prima, dass ihr mir das alles beigebracht habt, du und Dona Marga. Die Mischung aus ihren Heilmitteln und deinen Methoden ist genau das Richtige für die Leute hier.« Sie dachte an die vielen Entbindungen, bei der sie der älteren Hebamme, die ihr gerne ihr Wissen weitergab, geholfen hatte.

      Margot nickte zustimmend. »Möchtest du immer noch nach Deutschland?«, fragte sie vorsichtig.

      »Ja, klar möchte ich mal dort hin, es ist mein Traum. Mit Hans kann ich wohl nicht mehr rechnen, immer hat er irgendwelche Ausreden, wenn ich damit anfange und alleine habe ich Angst.«

      »Angst vor der großen weiten Welt.« Margot lachte und Jaíra stimmte mit ein.

      »So kann man das nennen. Hans hat mir so viel erzählt, ich glaube, ein paar Wochen reichten gar nicht aus, um mir das alles anzusehen.«

      »Würdest du mit mir gehen?«, fragte Margot.

      »Mit dir?«, ungläubig sah Jaíra sie an.

      »Ja, ich habe da eine Idee.« Margot beugte sich vor und Jaíra rückte ihren Stuhl dichter an den Tisch.

      »Also«, begann Margot langsam, um Jaíras Spannung zu erhöhen »Also, ich werde bald für einige Zeit nach Deutschland zu meiner Schwester fahren. Du weißt, dass ich mit dem Sehen immer mehr Probleme habe und das will ich operieren lassen. Ich würde mich freuen, wenn du mitkommen würdest.«

      Jaíra war sprachlos, mit offenem Mund starrte sie Margot an.

      »Da fragst du noch? Sicher gehe ich mit dir, wenn du mich wirklich mitnehmen willst«, sprudelte es aus ihr heraus. Aber plötzlich kamen ihr Margots Worte in den Sinn, warum sie nach Deutschland wollte. »Ich habe gemerkt, dass du dich beim Sehen anstrengen musst, dass es so schlimm ist, habe ich nicht gewusst. Ist es eine große Operation?«

      »Nur ein kleiner Eingriff.« Margot schüttelte den Kopf und lachte, »so hätte ich die Gelegenheit, einmal nach Hause zu kommen. Ich habe da noch eine andere Idee. Du tust hier Dinge, die dürftest du normal gar nicht machen, noch nicht einmal als Krankenschwester, manchmal geht es hier draußen allerdings einfach nicht anders. Rosaria will wegen ihrem Alter bald aufhören und deshalb kam mir der Gedanke, dich als Krankenschwester ausbilden zu lassen.« Margot machte eine Pause und ließ die Worte auf Jaíra einwirken. »Was hältst du davon?«

      Sprachlos starrte Jaíra sie mit großen, ungläubigen Augen an.

      »Ich ... ich soll wirklich?«

      »Warum nicht? Der Gedanke kam mir vor langer Zeit, ich habe dir nur nichts gesagt, weil ich nicht wusste, ob es geht. Es gibt da einige Probleme, aber wenn du wirklich willst, sind die zu lösen. Ich sagte ja, dass meine Schwester leitende Ärztin an der Uni-Klinik ist. Sie kennt viele Leute und so kann sie dir einen Ausbildungsplatz besorgen. Das, was dann noch fehlt, bringe ich dir bei, schließlich war ich lange Jahre selbst in so einer Prüfungskommission und weiß, worauf es ankommt. Du brauchst eine bestimme Anzahl Praxisstunden, was wir hier bei uns lässig hinkriegen und die fehlende Theorie lernen wir.« Margot wirkte so, als wäre alles bereits beschlossene Sache.

      »Ich kann es einfach nicht glauben, dass das alles wahr ist.« Verwirrt saß Jaíra am Tisch und malte mit dem Löffel Muster in die restliche Soße auf ihrem Teller.

      Von der Idee und der Vorstellung, bald wirklich einmal einen Blick in die übrige Welt zu werfen, war Jaíra hellauf begeistert. Auf Hans zählte sie nicht mehr, denn er sagte, dass er unmöglich lange von hier wegkönnte. Jaíra glaubte eher, er wolle nicht, aus welchem Grund auch immer. Nie hatte er darüber Andeutungen gemacht und Jaíra fragte nicht weiter.

      Schwierig gestalteten sich die Vorbereitungen für Jaíras Aufenthalt in Deutschland. Zuerst brauchten sie eine Zusage für die Ausbildung, was Margots Schwester in die Hand nahm. Das Schlimmste war das Warten auf Post, die oft ewig unterwegs war, bis Hans auf den Gedanken kam, dass Margots Schwester die Nachrichten an das deutsche Konsulat in Manaus faxen sollte. Der Vizekonsul war ein guter Freund von ihm und sorgte für die Weiterleitung der Briefe in ihr Dorf. Nun ging es etwas schneller.

      Ungeduldig wartete Jaíra am Ufer auf den Flussdampfer, der auch die Post mitbrachte und sehr oft blieb sie enttäuscht und mit leeren Händen am Ufer stehen. Diesmal schien es anders zu sein. Schon von Weitem winkte ihr Ronaldo vom Schiff aus zu.

      »Heute habe ich etwas für dich!«, rief er und wedelte mit zwei dicken Umschlägen, die sie ihm nach dem Anlegen gleich aus der Hand riss. Ronaldo lachte über ihren Eifer, während er das Tau an einem Baumstumpf befestigte, um das Schiff vor dem Abtreiben zu sichern.

      »Es ist alles so furchtbar kompliziert. Wir warten noch auf die Zusage der Klinik und dann brauche ich ein Visum. Dazu muss ich nach Manaus.« Sie schüttelte den Kopf. »Und alles dauert so furchtbar lange.«

      »Vielleicht hast du ja in diesen Briefen die Zusage. Ich wünsche dir jedenfalls viel Glück.«

      »Danke.«

      Jaíra gab ihm ein Küsschen und ging schnell zurück in die Krankenstation, um Margot die Briefe zu geben. Dort angekommen, musste sie sich etwas gedulden. Dim hatte sich mit der Machete eine tiefe Fleischwunde am Bein zugefügt, die Margot gerade nähte. Er hatte viel Blut verloren und war blass. Jaíra nahm seine Hand und drückte sie, wofür er sie dankbar ansah. Erst als er versorgt war, kam Margot endlich dazu, die dicken Umschläge zu öffnen.

      Besorgt sah Jaíra, wie Margot die Stirn in Falten zog und ein nachdenkliches Gesicht machte. Sie wagte nicht, sie beim Lesen zu unterbrechen. Margot sah immer zuerst alle Briefe durch, da sie gelernt hatte, dass im nächsten Brief schon wieder das Gegenteil von dem vorherigen stehen konnte, da meistens viel Zeit dazwischenlag. So auch diesmal. Bald entspannten sich ihre Gesichtszüge und die Sorgenfalten verschwanden.

      »Also, liebe Jaíra«, Margot setzte ein ernstes Gesicht auf, Jaíra durchschaute sie jedoch. »Herzlichen Glückwunsch, du hast einen Ausbildungsplatz. Zwar nicht in der Klinik, an der meine Schwester arbeitet, aber wenigstens in derselben Stadt.«

      Glücklich und erleichtert drückte Jaíra die Ärztin.

      »Na ja, freue dich nicht zu früh. Wir haben nur etwas über ein Jahr Zeit, das alles auf die Reihe zu kriegen. Dir fehlt eine Menge Theorie und du musst viel lernen.«

      Jaíra machte es nichts aus, abends in die Bücher zu sehen, die bald darauf eintrafen. Es fiel ihr leicht und