Träume aus dem Regenwald. Bernd Radtke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bernd Radtke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742781581
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billigen Parfüms an ihm haftete. Sie wurde gereizt und aufsässig. Immer öfter kam es zum Streit und immer weniger ließ sie sich gefallen.

      Lautes Poltern vor der Tür ließ Jaíra aufschrecken und sie hörte Naldinos Stimme.

      »Lass sie in Ruhe!«

      »Das geht dich nichts an, ich kann mit meiner Frau machen, was ich will.«

      »Kannst du nicht, sie ist viel zu gut für dich.« Naldinos Stimme überschlug sich fast.

      »Verschwinde!« Adriano war böse, unwillig trat er ins Haus. Vor der Tür stand Naldino mit geballten Fäusten. Er machte sich Sorgen, dass er Adriano gereizt hatte. Hoffentlich ließ er seine Wut nicht an Jaíra aus. Mit hängendem Kopf schlich er zur Hütte seines Onkels.

      Grob packte Adriano seine Frau und zerrte sie hoch.

      »Hast du etwas mit Naldino?«, schrie er sie an.

      »Was soll das, spinnst du?«, giftete Jaíra ebenfalls wütend zurück.

      Auch sie war schlechter Laune. Am Nachmittag hatte sie sich an ihren Lieblingsplatz zurückgezogen. Zärtlich hatte sie über die kleine Rundung gestrichen, in der das neue Leben in ihr heranwuchs und die Schwangerschaft sichtbar machte. Trotz intensiver Bemühungen war es ihr nicht gelungen, sich wieder das Haus vorzustellen, in dem sie mit Adriano und ihren Kindern glücklich leben würde. Sie hatte ihre Unabhängigkeit eingebüßt, sie vermisste die Ausflüge mit dem Kanu, ihre Familie, mit der sie sich verkracht hatte. Adriano hatte sie ans Haus gebunden. Auf sein Drängen hin hatte sie schließlich selbst die Arbeit in der Krankenstation aufgegeben. So sollte ihr Leben nicht enden.

      »Was ist mit Naldino?«, schrie Adriano sie wieder an.

      »Da ist nichts. Im Gegensatz zu dir gehe ich nicht fremd.«

      »Na warte, dir werde ich es zeigen.« Er riss an ihrem Nachthemd, der Träger zerriss und entblößte ihre Brust. Verzweifelt wehrte sich Jaíra, doch brutal zerrte er ihre Unterhose herunter und zwängte sich zwischen ihre Beine.

      »Lass mich in Ruhe, ich will nicht«, keuchte Jaíra, aber Adriano war zu stark.

      Während er sie brutal vergewaltigte, rannen Tränen der Wut und des Schmerzes über ihr Gesicht. Dieses Mal dauerte es lange, bis sich Adriano endlich in ihr entlud.

      Während er sich an ihr abreagiert hatte und sie seine heftigen Stöße schmerzten, war etwas in ihr zerbrochen. Wie sehr hatte sie sich in ihm getäuscht, sie konnte ihn nicht ändern. Die Entscheidung war gefallen, sie würde ihn verlassen. Nachdem sich Adriano von ihr herunter gewälzt hatte und sie glaubte, dass er eingeschlafen sei, stand sie leise auf und fing an, Kleidungsstücke in eine Tüte zu packen.

      »Was machst du da?«, hörte sie plötzlich seine Stimme. Erschrocken drehte sie sich um.

      »Ich gehe«, sagte sie kurz.

      Adriano kam drohend näher. Jaíra hatte keine Angst, bald würde sie hier weg sein.

      »Du gehst nicht!«, seine Augen funkelten.

      »Ich lasse mich nicht so von dir behandeln. Ich habe geglaubt, dass du mich liebst und du ein guter Mensch bist. Alle haben mich vor dir gewarnt, aber ich wollte es nicht einsehen. Jetzt ist Schluss, ich gehe.«

      »Nur schnell weg von hier«, dachte sie und wollte zur Tür, aber schon spürte sie Adrianos ersten Schlag in ihrem Gesicht. Ein zweiter Schlag traf sie so, dass sie taumelte und ein neuer Schlag ließ sie gegen den Herd fallen. Ein stechender Schmerz durchzuckte ihren Leib und ihr wurde schwarz vor Augen, als sie auf dem Boden aufschlug. Adriano war ausgerastet, wahllos schlug und trat er auf sie ein. Hilflos krümmte sie sich zusammen, um den Schlägen möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten.

      Die Schmerzen ließen sie laut schreien, die Zeit kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Sollte er sie doch totschlagen, dann wäre alles vorbei und die Schmerzen würden endlich aufhören. Nur noch halb bei Besinnung bekam sie mit, dass plötzlich die Tür aufflog und Naldino mit Salvatore hereinstürzte und Adriano von ihr wegzerrten.

      Naldino kniete sich neben sie. Jaíras Lippen waren aufgeplatzt und bluteten, das ganze Gesicht war geschwollen.

      »Mein Gott, das sieht schlimm aus«, sagte er zu Salvatore und bedeckte verschämt ihren nackten Oberkörper.

      Als sie Jaíra aufrichteten, sahen sie, dass ihr Nachthemd rot gefärbt war und Blut an ihren Oberschenkeln herabrann. Die beiden sahen sich ratlos an.

      »Wir müssen sie zur Ärztin bringen, schnell.« Naldino packte den leblosen Körper und trug ihn zum Kanu, wo er ihn vorsichtig hineinlegte. Salvatore war gerade eingestiegen, als Adriano herantrat.

      »Mach, dass du wegkommst. Ich will dich hier nie wiedersehen!«, schrie Salvatore die Worte zornig ans Ufer, während Naldino das Kanu kräftig vorwärtstrieb.

      Im Dorf war alles ruhig, nur ein paar Hunde schlichen schnüffelnd durch die unbeleuchteten Straßen. Eilig hasteten die Männer zu der Krankenstation, vor deren verschlossenem Eingang eine einzelne Glühbirne brannte. Salvatores Fäuste trommelten gegen die Tür, laut hallten die Schläge durch die Stille der Nacht.

      Erleichtert hörte er auf, als im Haus ein Licht anging. Verschlafen öffnete die Ärztin die Tür und war sofort hellwach, als sie Jaíra erkannte.

      »Bringt sie schnell herein und legt sie dort auf den Tisch«, sagte sie und deutete in den Raum.

      Das Letzte, was Jaíra noch spürte, war der zuversichtliche Händedruck Margots, dann wurde es dunkel.

      »Sie wird wach«, hörte sie eine vertraute Stimme, konnte sie jedoch nicht einordnen. Nur eines wusste sie, es war nicht Adriano.

      Langsam öffnete sie die Augen, alles war verschwommen und wurde erst langsam klarer. Jetzt erkannte sie ihre Mutter, die neben ihrem Bett saß.

      »Mãe«, schwer und leise kam das Wort aus ihrem Mund.

      Manara beugte sich über ihre Tochter und küsste sie auf den Mund. Tränen liefen über ihr Gesicht und tropften auf Jaíra.

      »Jetzt wird alles gut«, versprach Manara. »Du wirst bald wieder gesund, hat die Ärztin gesagt und dann kommst du zu uns.« Sie drückte Jaíras Hand.

      Kurz darauf kam Margot ins Zimmer. Die Ärztin lächelte Jaíra an.

      »Du hast uns ganz schöne Sorgen gemacht. Ruhe dich erst einmal aus und dann sehen wir weiter.«

      Sie strich ihr über die Wange, während Jaíra bereits wieder eingeschlafen war. Routiniert überprüfte sie den Blutdruck und die Temperatur. Besorgt sah sie auf die rote Linie des Thermometers, holte eine Flasche und gab Jaíra eine fiebersenkende Infusion.

      Stöhnend öffnete Jaíra ein paar Stunden später wieder die Augen. Ihr ganzer Körper schmerzte und zwischen den Beinen spürte sie eine dicke Binde. Hatte sie ihre Tage bekommen? Es war ihr peinlich, bis ihr zu Bewusstsein kam, dass das nicht sein konnte, sie war ja schwanger.

      »Wo ist Adriano?«, fragte sie ängstlich.

      Die Worte kamen noch immer mühsam und beim Sprechen fühlte sie eine Lücke zwischen den Zähnen.

      »Er ist verschwunden. Keiner hat ihn seither gesehen«, beruhigte Eduardo seine Tochter. »Keine Angst, wir passen auf dich auf.«

      Vorsichtig betastete Jaíra ihr verschwollenes Gesicht.

      »Ist es sehr schlimm?«, fragte sie Margot.

      Margot seufzte und setzte sich neben sie auf die Bettkante.

      »Es sieht schlimmer aus als es ist und tut weh, das wird wieder. Da ist jedoch etwas anderes, was ich dir sagen muss.« Sie nahm ihre Hand und sah ihr ins Gesicht. »Du hast das Kind verloren.«

      Jaíra schloss die Augen. Viele Dinge gingen in ihrem Kopf herum. Sie hatte mit Adriano zusammengelebt und war deshalb schwanger geworden. Gewollt war das Kind nicht, da sie anfing, an der Beziehung zu Adriano zu zweifeln, es war zwangsläufig passiert. Es war halt so, wenn eine Frau schwanger