Rußatem. Hubert Wiest. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hubert Wiest
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783742798442
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Cassaio folgte Foggerty mit ehrfürchtigem Abstand. Er wirkte heute unglaublich angespannt. Von seiner Lockerheit war nichts mehr übrig geblieben.

      Quinn hetzte auf das Spielfeld. Obwohl Quinn sich sicher war, dass er in den Vincoon-Kader der Aero-Cadets berufen würde, fühlten sich seine Hände feucht an und seine Knie waren wachsweich.

      „Viel Glück“, zischte ihm Lyrah zu, als sie direkt neben ihm eine Hundertachtzig-Grad-Drehung hinlegte.

      „Dir auch!“ Und das meinte Quinn ernst, denn sie harmonierten erstklassig auf dem Spielfeld.

      „Männer“, schrie Foggerty. „Aufstellung!“

      Foggerty nannte seine Spieler immer Männer, auch wenn Frauen darunter waren. In einem legendären Interview hatte er einmal gesagt, dass Vincoon ein Spiel für Männer sei und wer sich für eine Mannschaft qualifizierte, somit ein Mann sein musste.

      Foggerty ließ als Erstes die Standardübungen durchführen. Im Spurt landete Quinn auf einem Platz im Mittelfeld, womit er ziemlich zufrieden war. Beim Gliding lag er wie gewohnt ganz vorne, nur beim Schießen aus der Bewegung vergab er zu viele Treffer. Quinn hatte keine Ahnung, wieso es heute nicht lief. Das Schießen bewegter Bälle, also die Grundlage jedes Mehrfachpasses, war eigentlich Quinns Königsdisziplin. Heute verschoss er drei von zehn Bällen.

      Am Ende der Übung stand Quinn irgendwo im Mittelfeld und nur sechs wurden in den Vincoon-Kader aufgenommen. Das Testspiel würde über die endgültige Platzierung entscheiden. Quinn spielte im Team mit Lyrah und Kirk war ihr Stürmer. Die Abwehr übernahmen Bremko und Toto. Quinn mochte die beiden nicht besonders, aber alles, was jetzt zählte, waren Pässe und ausgefeilte Spielzüge. Auf ihrer Ersatzbank saß Marlen, die am liebsten auch auf Quinns linker Mittelfeldposition spielte. Foggerty würde die Spieler rotieren lassen.

      „Wir schaffen es. Die machen wir fertig. Lange Bälle zu mir“, feuerte Kirk die Mannschaft an und benahm sich, als wäre er der Captain. Quinn hielt den Mund, sah in den Himmel und versuchte sich zu konzentrieren. Die Hochhäuser rund um das Trainingsgelände schienen in der Mitte über der Arena fast zusammenzuwachsen. Ihre Glasfassaden glitzerten wie Edelsteine. Nur in der Mitte war der Himmel zu sehen. Quinn genoss das herrliche Himmelgrau über sich. Wie der Himmel wohl draußen in den Industrie-Ringen aussah? Er dachte an Ropex und Amali und … Nein, er verbot es sich, an sie zu denken.

      „Schläfst du?“, rief ihm Lyrah zu.

      Quinn zuckte. Er hatte glatt den Anpfiff verpennt. Lyrah feuerte ihm den Ball zu und forderte einen Pass zurück, wie sie es so oft in den letzten Wochen trainiert hatten. Er sah die leuchtende Kugel leicht angedreht auf sich zurasen. Instinktiv riss Quinn seine Fängertrompete hoch. Da schoss ein gegnerischer Mittelfeldspieler auf ihn zu. Den hatte er völlig übersehen. Der Spieler sprang hoch. Quinn hechtete in die Flugbahn des Balls. Seine rechte Trompete zielte exakt auf den Ball. Da spürte er einen brutalen Stoß an seiner Schulter. Der Zusammenprall mit dem gegnerischen Mittelfeldspieler riss ihn von den Skates. Noch ehe Quinn auf dem Boden aufschlug, jagte Adrenalin durch seinen Körper. Quinn sah den Ball jetzt wie in Zeitlupe – klar und präzise. Er schob den Arm mit der Fängertrompete ein wenig nach oben, um seine Position zu korrigieren.

      Quinn konnte sich nicht mehr daran erinnern, was er zuerst spürte: den Stoß, als der Ball in seine Trompete schoss, oder den stechenden Schmerz in seiner Hüfte, als er auf den Betonboden aufschlug.

      Natürlich hatte er nicht mehr genügend Zeit, um seine Schusshand in Position zu bringen und den Ball zurück zu Lyrah zu passen. Er fühlte, wie der Ball im Accelerator beschleunigt wurde und mit wahrscheinlich 300 Stundenkilometern aus der Trompete jagte – senkrecht in den Himmel. Ein Rückpass auf Lyrah sah anders aus.

      Er hörte Kirk fluchen. Der gegnerische Mittelfeldspieler stieß ein zufriedenes Grunzen aus. Quinn wusste, dass Foggerty jetzt ein dickes Minus hinter seinen Namen setzte oder ihn vielleicht ganz von der Liste strich. Aber ihm blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. Die gegnerische Mannschaft bekam Einwurf. Ausgehend vom linken hinteren Verteidiger. Drei, nein vier kurze Stationen und ein Pass auf den gegnerischen Stürmer. Bremko und Toto konnten nicht abwehren. Der Stürmer fing den Pass, brachte sich umständlich in die richtige Schussposition und feuerte aus seinem riesigen Fatdaddy-Accelerator, ein nach Quinns Meinung unhandliches Gerät, das zugebenermaßen eine gigantische Schussleistung lieferte. Bowli! Sie langen 0 : 3 hinten.

      „Kann passieren. Bleibt ruhig! Konzentriert euch! Wir packen das“, feuerte Kirk die Mannschaft an. Quinn hasste Kirks bescheuertes Team-Getue. Kirk war verdammt noch Mal nicht ihr Captain.

      Anstoß: Toto passte zu Bremko. Bremko schoss Quinn einen nervösen Ball zu, als wollte er den Ball so schnell wie möglich loswerden. Quinn beschleunigte, fing den Ball sicher und leitete ihn elegant an Lyrah weiter. Während der Ball in Lyrahs Accelerator beschleunigte, drehte sie sich einmal um sich selbst und feuerte in Quinns Laufbahn. Die gegnerischen Mittelfeldspieler waren durch Lyrahs Drehung völlig verwirrt. Kirk versuchte, sich aus der Überwachung der beiden Verteidiger davonzustehlen und mit einer Geschicklichkeit, die Quinn ihm nicht zugetraut hätte, kippte Kirk auf die Frontrollen und schoss quer über das Spielfeld. Quinn fing den Ball und passte ihn weiter zu Kirk. Der schnappte den Ball aus dem Flug, drehte sich um neunzig Grad und feuerte ansatzlos. Treffer! Ein klassischer Stürmer-Dishi. Es stand eins zu drei.

      Das Spiel blieb unglaublich nervös. Alle agierten fahrig, man merkte ihnen die Anspannung an und Mannschaftsdienlichkeit wich knallhartem Egoismus. Jeder wollte es schaffen. Nur Quinn und Lyrah gelangen einige ziemlich coole Kombinationen, so sah es zumindest Quinn. Einmal applaudierte sogar Cassaio. Quinn konnte sich eine gewisse Schadenfreude nicht verkneifen, als Kirk zwei todsichere Dinger vergurkte.

      Nach dem zweiten Drittel lagen sie 27 : 31 hinten. Die Stimmung in der zweiten Pause war mies. Kirk gab nicht mehr den Teamplayer, sondern rechnete jedem gehässig seine Fehler vor.

      „Du hättest einen Bowli und einen Super-Dishi mehr machen müssen. Das waren beides erstklassige Vorlagen“, giftete Quinn zurück.

      „Jungs, hört mit der Streiterei auf!“, mischte sich Lyrah ein. „Lasst uns wie Profis auftreten und nicht wie irgendein Proleten-Team aus den Industrie-Ringen.“ Lyrah legte ihre Hand auf Quinns Unterarm. Ihre Wärme beruhigte ihn augenblicklich und er sah, dass diese winzige Geste bei Kirk das Gegenteil auslöste.

      Foggerty ließ das letzte Drittel anpfeifen. „Männer, da will ich mehr von euch sehen. Ihr seid doch kein Kegelklub. Ich will Einsatz sehen, nicht dieses Lulliballgeschubse!“

      Alle nickten brav. Quinn wollte gerade über die Bande flanken, da rief Colonel Foggerty: „Woodburn, du bleibst auf der Bank. Ich will Marlen im Mittelfeld sehen.“

      Wie betäubt drehte Quinn ab und rollte zur Auswechselbank.

      Marlen kam besser ins Spiel als Quinn gehofft hatte. Sie lieferte einige ordentliche Kombinationen mit Lyrah ab. Aber dann endlich begann sie zu patzen und ihre Pässe kamen nicht mehr bei Kirk an. Der Abwehrtölpel Bremko leistete sich einen Schnitzer nach dem anderen. Zuverlässig sorgte er dafür, dass die gegnerische Mannschaft ihren Vorsprung ausbauen konnte.

      Mit versteinerter Miene beobachtete Foggerty das Spiel. Zehn Minuten vor Schluss nahm er schließlich einen krassen Wechsel vor. In der gegnerischen Mannschaft tauschte er nur den Stürmer aus. Aber Quinns Mannschaft rührte er gehörig durcheinander. Er schickte Bremko auf die Bank, beorderte Kirk als Verteidiger zurück in den Strafraum und schickte Quinn als Stürmer auf den Platz.

      Quinn stieß sich ab und beschleunigte. Wo blieb nur der verdammte Pass von Marlen oder Lyrah? Die gegnerischen Verteidiger stellten den Raum zu und ließen keinen Zweifel, dass sie Quinn fertigmachen würden. Wie aus dem Nichts tauchte Lyrah hinter einer Betonwelle auf. Sie drückte ihre Knie ganz durch, ließ sich in die Luft schleudern, pflückte den Ball vom Himmel und feuerte ihn in einem Irrsinnstempo ab. Weit vor Quinn schlug der Ball auf. Quinn schoss nach vorne, schnappte den wegspritzenden Aufsetzer und wollte ihn direkt im Dish versenkten. Doch links und rechts vor ihm standen wie aus dem Boden gewachsen die beiden gegnerischen Verteidiger. Sie machten die Schussbahn dicht. Da käme nicht einmal eine Murmel durch. Quinn wollte keinen sinnlosen Verzweiflungsschuss