Rußatem. Hubert Wiest. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hubert Wiest
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783742798442
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Quinn nach vorne auf die Magnesiumkugeln kippen. In dem Moment, als der Ball erneut in seiner Fängertrompete verschwand, wurde Quinn scheinbar willenlos herumgerissen und schoss jetzt rückwärts über den Platz, schien die Kontrolle über seine Skates zu verlieren. Quinn raste über eine Betonwelle und hob ab, da er nicht weich genug in den Knien war. Doch bevor es ihn bei der Landung auf dem Betonspielfeld zerlegte, richtete er seine Schusstrompete auf den Dish.

      „Zu mir!“, hörte er Kirk brüllen, der eindeutig in der besseren Schussposition war und völlig frei vor dem Karbonmast stand, bereit, den Ball zu versenken.

      Quinn lachte nur und feuerte. Der Ball schoss auf den Dish zu.

      Quinn landete hart auf dem Beton, überschlug sich dreimal, ehe er liegen blieb. Er sah nicht mehr, wie sein Ball den Dish um mindestens drei Meter verfehlte.

      „Idiot“, schimpfte Kirk.

      Quinn drückte sich hoch. Mühsam kam er wieder auf seine Füße. Seine rechte Schulter brannte. Sie spielten sich doch nur warm. Warum musste sich Kirk so aufführen?

      Cassaio pfiff den Spielzug ab. „Alle zu mir!“, kommandierte er.

      Quinn bemühte sich, lässig zu Cassaio zu rollen. Kirk starrte ihn immer noch wütend an.

      „Wunderbar, ihr habt euch ordentlich warm gespielt. Quinn, Lyrah euer Doppelpassspiel sah ziemlich gut aus, ordentlich abgestimmt, ein schneller Spielzug. Habt ihr früher schon einmal zusammen gespielt?“

      Quinn und Lyrah schüttelten die Köpfe im gleichen Rhythmus, als wäre es abgesprochen.

      „Gute Leistung!“

      Das Kompliment schmeckte süß wie heiße Schokolade. Quinn grinste Lyrah an. Sie erwiderte seinen Blick. Vielleicht einen Augenblick zu lange.

      Da schob Kirk Quinn zur Seite und schimpfte: „Der Torschuss aus dem Mittelfeld war absoluter Mist. Ich stand völlig frei. Warum hast du nicht gepasst?“

      Quinn lächelte überlegen. Er, der begnadete Mittelfeldregisseur, hatte es nicht nötig, darauf zu antworten.

      „Wie seht ihr das?“, fragte Cassaio und blickte neugierig in die Runde.

      Ein Spieler, der bestimmte zwei Köpfe größer war und die typische Verteidigerfigur hatte, sagte: „Klar muss er abgeben. Ein Direktschuss aus dem Mittelfeld geht nur in Ordnung, wenn der Stürmer keine freie Schussposition hat.“

      „Korrekt“, sagte Cassaio. „In einem Spiel wäre so ein verunglückter Torschuss ein Grund, den Spieler sofort vom Platz zu nehmen. Natürlich muss der Mittelfeldspieler in dieser Situation zum Stürmer passen.“

      Das fühlte sich für Quinn wie ein Ballschuss in den Magen an. Cassaio musste doch wissen, dass Treffer aus dem Mittelfeld schon ganze Turniere entschieden hatten.

      „Allesso 2046 und 2047, Timtschick 2043, Burma beim Liga-Cup 2047“, sagte Quinn patzig.

      „Da hast du recht“, sagte Cassaio, „aber diesen genialen Treffern stehen Hunderte misslungener Schussversuche aus dem Mittelfeld gegenüber. Und außerdem waren die drei absolute Weltklasse-Spieler.“

      Das saß. Quinn war auf das Format eines Freizeitspielers zurechtgestutzt worden. Aber sein Lächeln ließ er sich nicht nehmen, auch wenn es jetzt wahrscheinlich wie schockgefroren aussah. Lyrah zwinkerte ihm aufmunternd zu, als wollte sie ihm sagen: „Quinn, ich halte dich für einen genialen Spieler.“

      Ohne eine weitere Diskussion zuzulassen, begann Cassaio mit dem Training. Anstatt zu spielen, ließ Cassaio sie Laufübungen machen: Beschleunigen, abruptes Bremsen, Richtungswechsel, Gliding – wie das kontrolliert unkontrollierte Fahren auf den vorderen Kugeln hieß. So ging das weiter bis zum Ende des Trainings, geschlagene zwei Stunden. Quinn wusste, dass seine Beschleunigungswerte nicht Weltspitze waren, aber dass er von allen Teilnehmern des Auswahltrainings die zweitschlechteste Zeit ablieferte, weit hinter Kirk und Lyrah, verunsicherte ihn doch ein wenig. Dafür lag er beim Gliding ungeschlagen vorne.

      KAPITEL ZEHN

      Die Tage bei Plastic Fantastic verliefen unglaublich eintönig. Die immer gleichen Arbeitshandgriffe gaben mir das Gefühl zu verblöden. Selbst wenn ich wollte, ließ sich mein Gehirn während der Arbeit nicht aktivieren. Es blieb wie ausgeknipst. Mittlerweile musste ich Spielzeugegalisierer montieren. Das war noch langweiliger und ich hasste diese Dinger. Mit den hellblauen Spielzeugrobotern hatte ich mich fast angefreundet. Während meiner Schicht unterhielt ich mich mit den kleinen Kerlen und den einarmigen, den ich als allererstes montiert hatte, trug ich immer bei mir und hütete ihn wie einen Schatz. Mit Plastikegalisierern konnte man sich beim besten Willen nicht unterhalten. Irgendwann, ich schraubte bestimmt seit zehn Tagen diese bescheuerten Egalisierer zusammen, fragte ich Lenket, ob ich nicht etwas anderes montieren könnte. Er schnauzte mich an, ich solle gefälligst meine Aufgabe erledigen und setzte mein Plansoll um zehn Prozent hoch, dieses Arschloch.

      Ropex wurde fast jeden Tag von Lenket angeschrien, weil er zu viele Fehler machte. Er vergaß Schrauben einzudrehen, verwechselte Elektroanschlüsse und arbeitete viel zu schlampig. Lenket ließ ihn die Fehler in der Freizeit korrigieren. Richtig grau sah Ropex mittlerweile aus.

      Wenn wir frei hatten, aber noch nicht in den Schlafsaal durften, hockten wir meistens im Gemeinschaftsraum und zockten auf dem Computer. Anfangs hatten wir draußen noch Streifzüge unternommen, aber die Luftbelastung war viel zu hoch. Nach ein bis zwei Stunden zeigte das Aerometer irgendetwas zwischen dunkelorange und hellrot an.

      „Gewonnen“, grinste Gloria, als sie wieder einmal einen neuen Highscore aufgestellt hatte. Ich hatte keine Lust auf Glorias gute Laune und die Computerspiele fand ich sowieso total bescheuert.

      „Ich habe gute Nachrichten“, erklärte Gloria grinsend.

      „Ja?“, fragte Amali neugierig.

      Ich verzog meinen Mund. Es hatte doch sowieso alles keinen Sinn hier.

      „Also …“, begann Gloria.

      Da kam Ropex in den Gemeinschaftsraum. Er sah nicht ganz so grau aus wie in den letzten Tagen. Mit Verschwörermiene setzte er sich zu uns an den Tisch. Als würde er das größte Geheimnis von Jaikong darin verbergen, klappte er seine Jacke auf und deutete auf die Innentasche. Ein paar dieser bescheuerten Plastikkäfer, die er montieren musste, lugten heraus.

      „Und?“, fragte Amali gelangweilt.

      „Ich musste heute meine korrigierten Fehlstücke ins Lager für Fertigprodukte bringen.“

      „Na prima. Das wollte ich immer schon machen“, warf ich ironisch ein.

      Amali boxte mich in die Seite. „Lass Ropex doch erzählen.“

      „Lenket wurde von der Gaschel gerufen und plötzlich war ich ganz alleine im Lager. Da habe ich einen Sack dieser Plastikkäfer mitgehen lassen. Versteht ihr?“

      „Was willst du mit denen?“, fragte ich.

      Ropex genoss es, dass ich ihn nicht verstand. Er schlug sein Revers wieder zurück und verkündete: „Ab morgen nehme ich zu jeder Schicht ein paar dieser Käfer mit. Falls ich unter meinem Plansoll liege, gebe ich einfach die Geklauten ab und die Sache ist erledigt.“ Erwartungsvoll sah uns Ropex an.

      Okay, ich musste zugeben, die Idee war clever.

      „Und wenn sie dich dabei erwischen?“, fragte Amali ängstlich.

      „Wie sollten sie?“

      Gloria grinste immer noch so bescheuert.

      „Und was wolltest du erzählen?“, fragte ich Gloria, weil ich wusste, dass sie wie auf glühenden Kohlen saß. „Hast du auch Käfer geklaut?“

      „Am Samstagabend eröffnet ein neuer Club.“ Sie strahlte uns an.

      „Was für ein Club?“, wollte ich wissen.

      „Ein Club eben, mit Drinks, coolen Leute und Cube-Musik.“

      „Hier draußen