Heeresgruppe Süd: 152.900
Dazu kommt das speziell für Panzer vorteilhafte Operationsgelände im Süden der Sowjetunion. Die ausgeprägten Steppengebiete begünstigen weiträumige Bewegungen motorisierter Großverbände ganz besonders. Und genau hierin liegt die unerreichte Stärke und Überlegenheit der Wehrmacht. Nicht zuletzt spielt die Dislozierung der russischen Kräfte den deutschen Absichten in die Hände …
Ihren Optimismus für die neue Großoffensive schöpfen Hitler und Halder aus der Hoffnung, dass die Sowjetunion an der Grenze ihrer militärischen und ökonomischen Leistungsfähigkeit angekommen sei. Eine grandiose Fehleinschätzung! Halders euphemistische Lagebeurteilung gipfelt bereits während der Winterschlacht in einer Aussage, die denn auch unverkennbare Züge von Zweckoptimismus trägt:
„Wir sind überlegen, der Russe macht es nur mit der Masse.“
Die sowjetischen Verbände „seien nicht mehr viel wert“, prognostiziert der OKH-Chef im Februar 1942.
Richtig daran ist, dass die quantitativ unterlegene Wehrmacht immer noch genug Kampfkraft besitzt, der zahlenmäßig überlegenen Roten Armee wuchtige Schläge zu versetzen, sofern Witterung und Gelände die Bewegungen der operativ entscheidenden Panzerkorps nicht nachhaltig einschränken. Andererseits ist die Masse natürlich auch ein strategischer Faktor ersten Ranges, der angesichts der gewaltigen Frontausdehnung in Russland auf Dauer zum Tragen kommen muss. Bei allen deutschen Qualitäten ist das Gesetz der Zahl natürlich auch Halder bewusst.
Tatsächlich muss man schon Optimist sein, um an eine erfolgreiche Umsetzung der Operationspläne im Süden zu glauben. Das Hauptziel, die Ölstadt Baku an der Küste des Kaspischen Meeres, liegt nicht weniger als 1.400 Kilometer Luftlinie von den Ausgangsstellungen entfernt. Zudem unterschätzen die deutschen Planer die wachsende Bedeutung der amerikanischen Hilfslieferungen im Rahmen des Leih- und Pachtgesetzes („Lend-Lease-Act“). Roosevelt lässt Stalin vor allem Öl und Nahrung zukommen. Der deutsche Generalstab dagegen behandelt wirtschaftliche Probleme stiefmütterlich, desgleichen die Feindaufklärung.
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Und der große, unbekannte Gegner, wie schätzt er die deutschen Absichten ein? Am 28. März 1942 beschließt das Staatliche Verteidigungskomitee unter Vorsitz von Stalin grundsätzlich den Übergang zur strategischen Defensive. Ausgenommen von einigen Präventivschlägen, die der Diktator persönlich anregt. Zum Beispiel bei Charkow. Hier sieht der Amateur-Stratege im Angriff die beste Verteidigung. Er fürchtet, dass die Deutschen ihre geschwächten Verbände während des Frühlings ungestört auffrischen können. In der Folge rechnet Stalin mit feindlichen Großangriffen in zwei strategischen Richtungen: Den Hauptstoß auf Moskau plus eine Nebenoffensive im Süden, Richtung Kaukasus. Und wenn sich insbesondere die gefürchteten Panzerverbände der Wehrmacht erst reorganisiert haben, so sein Kalkül, treten sie 1942 aus der Tiefe des bereits 1941 gewonnenen und behaupteten sowjetischen Raumes an. Denn die Erfolge der russischen Winteroffensive können nicht die Tatsache überstrahlen, dass Moskau nicht allzu weit hinter der Front liegt. Die Spitzen der Heeresgruppe Mitte stehen kaum 200 Kilometer vom Kreml entfernt. Gefahr für Moskau kann indes ebenso vom Nordflügel der Heeresgruppe Süd drohen.
Stalin entscheidet sich de facto für die „aktive strategische Defensive“. Den Schwerpunkt seiner Kräfte belässt er konsequenterweise vor Moskau, wo freilich gar keine akute Gefährdung droht. Hier wirkt sich Hitlers viel kritisierter Haltebefehl im Hinblick auf die Verschleierung des deutschen Hauptangriffes im Süden positiv aus. Ein ganz entscheidender, verschiedentlich unterbewerteter Faktor, der zur strategischen Überraschung der Sowjets führen soll. Darauf muss ein an Zahl unterlegener Angreifer seine Hoffnungen bauen. Eine erneute Großoffensive der Heeresgruppe Mitte hätte dagegen einen wohl vorbereiteten Gegner gesehen und wäre vorwärts Moskau auf ungleich stärkere Gegenwehr gestoßen.
Ein Jahr später, im Rahmen der Operation „Zitadelle“, macht Hitler genau diesen Fehler, als er den Angriff ausgerechnet auf das stärkste Bollwerk der Roten Armee, den Kursker Frontbalkon, befiehlt. Nein, wenn der Führer 1942 sein Heil in der Offensive sucht, muss er den Hebel bei der Heeresgruppe Süd ansetzen. Aber bleibt hier wirklich nur der lange Marsch an die untere Wolga und in den Kaukasus? Bietet sich nicht viel eher die umgekehrte Richtung an, nämlich ein nördlich ausholender Schlag der Heeresgruppe Süd auf Moskau? Dafür scheint der Aufmarschraum Kursk prädestiniert, um nach erfolgtem Durchbruch in Anlehnung an den Don schließlich im Zusammenwirken mit dem Südflügel der Heeresgruppe Mitte, der Orel als Absprungbrett dienen kann, die Hauptstadtverteidigung aufzurollen. Doch genau diese südliche Flankierung Moskaus fürchtet, erwartet Stalin. Entsprechend starke Kräfte, darunter mehrere Panzerkorps, sind im Abschnitt der Brjansker Front disloziert. Auch in diesem Fall würde bald Schwerpunkt gegen Schwerpunkt stehen und den Angreifer ebenfalls in Ermangelung des Überraschungseffekts benachteiligen. Zumal der linke Flügel der Heeresgruppe Mitte aufgrund des ungünstigen Frontverlaufs und Kräftemangels als nördlicher Zangenarm ausfallen muss.
So viel zu den kursierenden Moskau-Spekulationen. Auf gesicherten Fundamenten steht dagegen eine ganz andere Erkenntnis: Das größte Plus der Sowjets und zugleich die böseste Überraschung für die Deutschen bilden die starken strategischen Reserven in Stärke von einem Dutzend Armeen, darunter zwei gepanzerte.
Ironie der Geschichte: An diesem schicksalhaften 28. März 1942, an dem Stalin großen Kriegsrat im Kreml hält, legen Hitler und Halder im rund 1.000 Kilometer entfernten ostpreußischen Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ die Grundzüge der Sommeroffensive fest. Aus dieser Besprechung resultiert die am 5. April diktierte Führerweisung Nr. 41, Deckname „Fall Blau“. Darin heißt es :
„Das Ziel ist es, die den Sowjets noch verbliebene lebendige Wehrkraft endgültig zu vernichten und ihnen die wichtigsten kriegswirtschaftlichen Kraftquellen so weit als möglich zu entziehen […]
Unter Festhalten an den ursprünglichen Grundsätzen des Ostfeldzuges kommt es darauf an, bei Verhalten der Heeresmitte [...] zunächst alle greifbaren Kräfte zu der Haupt-Operation im Süd-Abschnitt zu vereinigen, mit dem Ziel, den Feind vorwärts des Don zu vernichten, um sodann die Ölgebiete im kaukasischen Raum und den Übergang über den Kaukasus selbst zu gewinnen.“
Aus Mangel an deutschen Kräften verfügt Hitler die Flankensicherung durch ungarische, italienische und rumänische Verbände von zweifelhaftem Kampfwert. Weiter heißt es in der Weisung:
„Die nächsten Aufgaben sind es, auf der Krim die Halbinsel Kertsch zu säubern und Sewastopol zu Fall zu bringen.“
II. Ouvertüren im Süden
08.05.-03.07.1942
„Heute vor einem Jahr sind wir in Rußland hineingefahren. Ich kann Euch sagen, das war damals ein langer Tag. Um 9 Uhr fuhren wir über den Bug. Und jetzt sind wir nun schon 1 Jahr im Arbeiter-Paradies. Wer hatte das damals gedacht? Wie viele andere, hatte ich auf ca. 4 Wochen Krieg getippt. Und wie anders ist alles gekommen. Mit so einer militärischen Macht Rußland hatte keiner gerechnet. Ich glaube, wenn uns am 22.6. 41 jemand gesagt hätte: „Ihr seid in 1 Jahr noch in Rußland“, die hätten wir bestimmt für verrückt erklärt. Es ist nun einmal Wirklichkeit geworden. Wir stehen immer noch in Rußland. Und wer weiß, wie lange noch.“
Aus einem Feldpostbrief des Gefreiten Gustav Böker4, Angehöriger der Panzerjägerabteilung 111 der 111. Infanteriedivision, vom 22. Juni 1942, dem Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion.
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„Diese Katastrophe, gemessen an ihrem ungünstigen Ergebnis, ist vergleichbar mit Rennenkampfs und Samsonows Katastrophe in Ostpreußen.“5
Stalin in einem Schreiben an die Südwestfront vom 26. Juni 1942. Den Hintergrund bildet der krachend gescheiterte Präventivschlag gegen die deutsche Heeresgruppe Süd.
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„Von der Härte des Kampfes zeugt das Schlachtfeld: An den Brennpunkten ist der Boden, soweit das Auge reicht, mit Kadavern von Menschen und Pferden so weit bedeckt, daß man nur