Der Tod ist mein Freund. André Schaberick. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: André Schaberick
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753184685
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mit Werkzeugen gearbeitet, die aussahen wie Hammer und Meißel aus Steinen. Filigrane Werkzeuge wie Schraubendreher, Zangen oder Pinzetten waren hier nicht existent.

      Jegliche Form von höher technisierten Geräten gab es ebenfalls nicht. Es gab keinen Strom und scheinbar auch keine Präzision. Alles war so in etwa. Man arbeitete mit Schätzeisen. Große Längen wurden mit Schritten gemessen, kleine mit Ellen, Händen oder Daumen. Zeit maßen sie in Augenblicken oder sie verglichen Zeiträume mit Arbeitsabläufen, wie solange es dauert, um ein Brot zu backen oder in der Nase zu bohren. Und diese Maßeinheiten wurden akzeptiert. Es gab keine Diskussion darüber, ob jemand einen dicken oder einen kleinen Daumen hatte. Ach ja, und Winkel gab es auch nicht. Von denen wollten sie nichts wissen. Die Winkel zwischen ihren Fingern reichten für die grundlegenden Dinge wie zum Beispiel Dachbau völlig aus.

      Samuel begutachtete seine direkte Umgebung etwas genauer. Als erstes schaute er sich die Häuser an und stellte fest, dass viele von ihnen aus massiven Steinblöcken gebaut waren. Um welche Art von Stein es sich handelte, konnte er nur raten. Es musste eine Art Basalt sein. Der Stein an sich war sehr hell, und er war gesprenkelt. Die Erbauer der Häuser hatten handliche Blöcke aus ihnen geschlagen, die perfekt aufeinander passten. Sie waren so passend geschlagen, dass sie keinen Mörtel benötigten. Wie sie die Zwischenräume jedoch winddicht bekamen, war ihm ein Rätsel. Vielleicht verwerteten sie ja den Mist der Tiere zum Abdichten. Aber er musste ja nicht alles wissen. Die Häuser sahen jedenfalls sehr robust aus, und auch sehr schnuckelig.

      Die Fenster der Häuser waren relativ klein gehalten. Die Rahmen bestanden aus Holz, die Scheiben aus buntem Glas. Man konnte durch sie hindurch blicken. Wenn man von innen herausblickte, sah man die Welt in bunten Farben leuchten. Sicher zauberten die Einwohner auf diese Art und Weise ganz spezielle Atmosphären in den Räumen. So konnte er sich vorstellen, in einem Wohnzimmer vielleicht gelbes, gemütliches Licht zu bevorzugen, in Schlafzimmern rotes, um eine romantische Atmosphäre zu zaubern, und in einer Küche möglicherweise bläuliches Licht.

      Nahezu aus jedem Haus sah Samuel Rauch aus den Schornsteinen aufsteigen. Sicher kochten sie gerade etwas zu essen, oder sie heizten mit Feuer. Oder sie saßen gemütlich am Kamin. Samuel betrachtete die Natur und überlegte, ob sie tatsächlich heizen würden. Es war Frühling, überall schossen Blumen aus dem Boden, sie blühten um die Wette und wurden von zahllosen Insekten besucht. Zudem war es angenehm warm. Ob es allerdings nachts auch so warm war, zweifelte er an. So ein Haus aus massivem Stein heizte sich sicher nicht so schnell auf, wenn die Sonne darauf schien.

      Nun betrachtete er sich selbst. Er trug eine Hose aus handgefertigtem Stoff. Man konnte es direkt daran erkennen, dass der Stoff nicht gleichmäßig gewoben war, sondern unregelmäßig mit mal dicken, mal dünnen Fäden. Vermutlich waren die Wollfäden auch von Hand gesponnen. Ach was, nicht vermutlich, sondern ganz sicher. Warum sollten sie aus Maschinen stammen? Hier gab es doch gar keine Maschinen. Die Qualität der Hose war jedoch sehr gut. Er fror nicht darin. Sie isolierte sehr gut gegen Kälte, und sie sah auch noch gut aus. Fast war sie schon zu warm. Und sein Hemd? Es musste aus Baumwolle gefertigt sein. Wäre es aus Wolle gewesen, hätte es sicher wesentlich mehr gekratzt. Wolle mochte er auf seiner Haut nicht gern tragen. Vielleicht gab es hier aber auch Tiere, die eine wesentlich weichere Wolle produzierten, die nicht kratzte. Schafe produzieren kratzende Wolle.

      Ob er auch Unterwäsche trug? Samuel wusste es nicht, also musste er nachsehen. Ganz scheinheilig zog er die Hose etwas nach vorn, um hineinblicken zu können:

      Ja, er trug eine Unterhose. Es hätte ihn auch gewundert, wäre er ohne Unterhose hier gelandet. Sagte seine innere Stimme gerade gelandet? Wie war er auf das Weinfass gelangt? Wer hat ihn hier abgesetzt? War er selbst dorthin gelaufen, hatte es aber vergessen? Oder hatte ihn jemand hierhin gezaubert? Er konnte sich nicht erinnern. Was alle seine Fragen anbetraf, war sein Erinnerungsvermögen komplett gelöscht.

      Ein hübsches Mädchen in seinem Alter kam singend auf ihn zu gehopst. Sie trug einen Weidenkorb am Arm, in dem sie frische, bunte Blumen trug. Auch die Blumen waren wunderschön. Blonde, lange Locken umrahmten ihr strahlendes, frisches, leicht gebräuntes Gesicht.

      „Möchtest du einen Strauß Blumen für deine Frau kaufen? Sie würde sich sicher sehr darüber freuen.“

      „Hallo schönes Mädchen. Blumen? Für meine Frau? Ähm...“. Er hatte doch gar keine Frau. Oder hatte er in dieser Welt vielleicht doch eine, und er wusste es noch gar nicht? Wie sollte er es herausfinden?

      „Möchtest du? Such dir welche aus. Ein Strauß, der in deine Hand passt, soll dir einen Taler wert sein.“

      Samuel fühlte sich ziemlich überfahren, deshalb war er auch etwas verlegen. Seit wann hatte er eine Frau? Warum wusste das Mädchen von einer Frau, von der er nichts wusste? Hatte sie es einfach nur angenommen? War es eine raffinierte Art und Weise, um herauszufinden, ob er verheiratet war? Wusste sie vielleicht etwas, was er nicht wusste? Viele Fragen, keine Antwort. Und Samuel war zu schüchtern, sie dies einfach zu fragen.

      „Danke, vielleicht später. Du läufst sicher noch ein wenig hier herum. Ich werde dich rufen, wenn ich Blumen kaufen möchte.“

      Samuel hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da war das Mädchen schon wieder davon getanzt und suchte den nächsten, potenziellen Kunden.

      Hatte er richtig gehört? Aus der Ferne hörte er eine weibliche Stimme, die seinen Namen rief? Aber ja, vermutlich gab es hier noch andere, junge oder ältere Männer, die auf den Namen Samuel hörten. Er war bestimmt nicht gemeint.

      „Samuel, hier bist du also. Wo warst du die ganze Zeit? Ich habe schon den ganzen Markt nach dir abgesucht.“

      Als er sich in die Richtung drehte, aus der er die Stimme vernahm, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen. Ein blondes, bildhübsches Mädchen schaute ihn an. Auch ihr Gesicht rahmten unzählige Locken. Ihre langen Haare glänzten wie Diamanten in der Sonne. Ein Duft von Rosen betörte seine Sinne, ihr Gesicht war so hübsch wie aus einem Bilderbuch. Samuel konnte plötzlich nicht mehr klar denken. Ihre unglaubliche Ausstrahlung nahm ihm jegliche Fähigkeit, rational zu denken.

      Überwältigt sah er sie von oben bis unten an. Sie trug ein Kleid, das ziemlich tief blicken ließ. Der Ausschnitt war mit Kordeln verschnürt, die allerdings nur einen symbolischen Charakter hatten. Mühelos hätte er in ihren Ausschnitt bis zu ihrem Bauchnabel blicken können. Sicher gab es in der Tiefe viel zu entdecken. Sehr viel. Sie war nicht dick, aber auch nicht zu schlank. Sie war kein Hungerhaken, also ein Mädchen zum Anpacken. Samuel mochte keine schlanken, dünnen Mädchen. Es musste schon etwas dran sein an so einem weiblichen Körper. Und genau dies bot sie ihm. Es kam ihm vor, als hätte jemand seine Gedanken und Wünsche gelesen und daraus dieses Mädchen geformt.

      Ihre weiblichen Kurven, vor allem die ihrer Brüste, raubten ihm völlig den Verstand. Ob sie seine Freundin war?

      „Ich hoffe, du sitzt hier nicht nur herum und trinkst Bier. Oder Wein? Ich erwarte, dass du heute mal deinen ehelichen Pflichten nachkommst, du Faulpelz! Du könntest mich ruhig mal wieder ein wenig verwöhnen.“

      Hatte diese Frau diese Worte tatsächlich zu ihm gesagt? Zu ihm? Aus seiner Sicht hatte er sie das erste Mal gesehen, sie war vermutlich gerade anderer Meinung. Wie sollte sie auch sonst auf die Idee gekommen sein, ihn zu beschuldigen, Bier zu trinken? Und dann fielen die Worte eheliche Pflichten, denen er nachkommen sollte. Diese Worte waren ziemlich eindeutig. Sie war also nicht nur seine Freundin, sondern seine Ehefrau. Er war mit ihr verheiratet. Das war schon mal Tatsache. Als er nun an sein Handgelenk blickte, bestätigte sich dieser Verdacht. Er hatte einen Metallreif um sein Handgelenk, den man nicht abstreifen konnte, ein hier scheinbar eindeutiges Zeichen für eine Ehe. Viele Leute auf dem Marktplatz trugen so einen Ring um ihr Handgelenk.

      Samuel musste nun gut überlegen, was er ihr entgegnen sollte. Ein falsches Wort, und er würde einen Streit vom Zaun brechen. Dies musste er unbedingt vermeiden.

      „Mein Schatz, da mach dir mal keine Sorgen. Du wirst heute Abend so richtig verwöhnt!“

      Anschließend packte er sie mit beiden Händen an den Hüften, zog sie zu sich und tätschelte ihren knackigen Po.