Der Tod ist mein Freund. André Schaberick. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: André Schaberick
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753184685
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      „Du bist wirklich ein grandioser Pilot. Und dein Triebwerk ist auch nicht von schlechten Eltern.“

      Das Tori wusste zwar nicht, was ein Triebwerk sein soll, aber lustig war es trotzdem. Immer wieder schüttelte es sich vor Heiterkeit.

      Koma

      Samuel lag bereits seit einigen Tagen reglos in seinem Bett. Seine Eltern standen genauso reglos neben seinem Bett. Sie trugen Schutzanzüge aus Kunststoff, um sich gegen das Zika-Virus zu schützen. Seine Mutter hielt Samuels Hand ganz fest in ihrer und wartete nur darauf, dass sie eine Regung von ihm spürte. Doch es tat sich nichts. Nicht mal das geringste Zucken konnte sie spüren. War er bereits verstorben und wurde nur noch von den Maschinen am Leben gehalten, die an allen möglichen Stellen an seinem Körper befestigt waren, oder bestand doch noch ein Funken Hoffnung, dass er wieder aufwacht?

      Nein, so schlimm war es nicht. Die Ärzte hatten den Eltern gesagt, dass sie an den Geräten eine sehr starke Hirntätigkeit messen konnten, aber sein Bewusstsein wollte nicht in den Vordergrund treten. Also blieb sein Körper im Koma und reagierte auf keinerlei Stimulation von außen.

      Plötzlich spürte seine Mutter eine Regung in seiner Hand. Ein Muskelzucken, eine minimale Bewegung.

      „Er hat sich bewegt! Ich habe es genau gespürt. Seine Hand hat gezuckt. Und - ja - jetzt - schon wieder!“

      Samuels Finger begannen zu zittern. Dann drückte er mit minimaler Kraft die Hand seiner Mutter.

      „Er hält mich fest! Er lebt. Samuel, wenn du mich hörst, dann drücke meine Hand. Samuel, mein Schatz! Ich weiß genau, dass du mich hörst. Bitte gib mir ein Zeichen.“

      Nichts tat sich. So sehr sie auch fühlte, so sehr sie sich auch Mühe gab, etwas zu spüren, so sehr war sie enttäuscht, dass die Hand, die sie in ihrer hielt, so leblos war, wie die Hand eines Verstorbenen. Aber sie war warm. Hände eines verstorbenen Menschen sind nicht warm. Sie sind eiskalt und eingefallen.

      Seine Mutter gab jedoch nicht auf. Sie wartete weiter, in der Hoffnung, dass Samuel ihr endlich ein Zeichen gab.

      Und dann kam es. Mit allen Kräften, die ihm in seinem Zustand zur Verfügung standen, packte er zu. Er wollte seiner Mutter eine Rückmeldung geben, aber ihm fehlte einfach die notwendige Kraft. Es war jedoch noch genügend Energie in seiner Hand verblieben, dass sie ihn wenigstens spüren konnte. Schließlich öffnete Samuel seine Augen. Es war unglaublich anstrengend, doch er schaffte es, die Lider zu öffnen. Er erblickte seine Mutter, die dicke Tränen in den Augen stehen hatte. Glücklich über sein Erwachen blickte sie ihn aus ihrem Kunststoffanzug an. Tränen des Glücks liefen ihr in Sturzbächen über die Wangen in den Anzug. Sie musste weinen, obwohl sie eigentlich hurra hätte schreien sollen. Samuels Mutter Petra hatte ihre Gefühle nicht mehr unter Kontrolle. Am liebsten hätte sie ihn umarmt, doch ihr Plastikanzug hinderte sie daran. Sie wollte ihm mit ihrem Schutzanzug keine Schmerzen zufügen. Schließlich trug sie eine Art Helm auf dem Kopf, und ihr Körper steckte in einer harten Folie. Lediglich mit den Händen konnte sie etwas spüren. Dann bekam sie ihre Mimik unter Kontrolle und lächelte ihn an. Samuel lächelte zurück.

      „Samuel, mein Schatz, wir sind so glücklich, dass du aufgewacht bist. Du hast so lange geschlafen. Wir hatten befürchtet, du würdest gar nicht mehr zu uns zurückkehren.“

      Auch sein Vater ergriff jetzt die Hand seines Sohnes und streichelte sie.

      „Endlich bist du wieder bei uns.“

      Auch sein Vater kämpfte heftig mit den Tränen. Abwischen konnte er sie nicht, der Helm hinderte ihn daran. Also ließ er die Tränen laufen. Das Wichtigste war, dass sein Sohn endlich aus dem Koma erwacht war.

      „Samuel, endlich bist du wach. Wo warst du so lange? Warst du in einer anderen Welt?“

      Samuel musste sich räuspern, denn er merkte, dass seine Stimmbänder belegt waren.

      „Dort, wo ich war, war es wunderschön. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wie es hieß, aber es gab dort viele, schöne und spannende Abenteuer.“

      „Das glaube ich dir. Träume sind oft sehr schön. Und wenn du in einer schönen Traumwelt warst, hast du bestimmt eine Menge erlebt. Aber nun bist du zurück in deiner Welt. Und wir sind sehr glücklich darüber.“

      „Schön, dass du wieder bei uns bist. Wir hatten befürchtet, dass das Virus dir stark zugesetzt hat, aber du bist stärker. Ich weiß, dass mein Sohn ein starker Mann ist. Und so ein Virus hat gegen dich keine Chance.“

      Tatsächlich hatte das Virus bereits großen Schaden in Samuels Körper angerichtet. Es hatte seine Organe und sein Hirn angegriffen, hatte der behandelnde Arzt erklärt. Des Weiteren hatte der Arzt gesagt, dass sein Körper mittlerweile zu schwach sei, um sich allein gegen das Virus wehren zu können, während Samuel bei Bewusstsein sei. Besser sei es, er befände sich weiterhin im Koma. In diesem Zustand stünde dem Körper mehr Kraft zur Verfügung. Samuel hatte sich jedoch dafür entschieden, aufzuwachen. Vieles konnten die Ärzte kontrollieren, Samuels starken Willen jedoch nicht.

      Samuel, seine Eltern und auch seine Schwester hatten viel miteinander zu besprechen. Immer wieder kamen Erinnerungen aus seiner Traumwelt hoch, die er sofort erzählte. Seine Schwester Katrin war hochgradig begeistert, wenn Samuel ihr ein Erlebnis schilderte. Sie konnte sich sehr gut in ihn hineinversetzen und nachempfinden, was er erlebt zu haben glaubte.

      Am Abend des selbigen Tages erschien der Oberarzt in Samuels Krankenzimmer. Er lächelte nicht. Ganz im Gegenteil, er hatte ein sehr ernstes Gesicht, und Samuel ahnte sofort, dass nun keine guten Nachrichten kommen würden.

      „Samuel, ich möchte mit dir reden.“

      „Meine Familie soll aber bei mir bleiben. Ich möchte, dass sie dabei sind, wenn es schlechte Nachrichten gibt. Um was geht es denn?“

      „Es geht um dich, um genau zu sein, um deine Gesundheit.“

      Er setzte sich auf den Besucherstuhl, den er mit der Lehne nach vorn neben Samuels Bett gestellt hatte.

      „Wir alle wollen, dass du wieder gesund wirst. Aber sicher hast du selbst bereits festgestellt, dass es um deine Kräfte nicht gut bestellt ist. Das Virus hat dir sehr stark zugesetzt, dein Körper kämpft mit allen Kräften dagegen an. Noch hast du es nicht besiegt. Noch steht es eins zu eins gegen das Virus. Wir müssen dir also ein paar Vorteile verschaffen, um gegen das Virus zu gewinnen. Dies funktioniert aber nur, wenn wir dich in ein künstliches Koma versetzen. Wir werden alle unnötigen Energiefresser in deinem Körper ausschalten und deinem Abwehrsystem unter die Arme greifen. Wir werden es stärken und auf diese Weise versuchen, das Virus auszuschalten. Wir haben noch ein paar weitere Tricks auf Lager, die ich dir aber erst erklären könnte, wenn du selbst Arzt wärst. Sagen wir so: Wir helfen deinem Immunsystem beim Kampf mit ein paar unerlaubten, unfairen Tricks. Wenn du dir vorstellst, du wärst in einem Kampf Mann gegen Mann, und ihr würdet mit Fäusten gegeneinander kämpfen, dann würden wir dir heimlich ein Messer geben, sodass du größere Chancen hättest zu gewinnen.“

      „Das klingt nach einem Plan. Was muss ich dafür tun?“

      Samuel glaubte, er könne einfach ein paar Pillen nehmen, die ihn beim Kampf gegen seine Krankheit unterstützen würden. Aber nein, weit gefehlt. So einfach sollte es nicht werden.

      „Du müsstest damit einverstanden sein, dass wir dich ins künstliche Koma versetzen.“

      „Sagten Sie das nicht gerade schon? So lange Sie mich nicht in den künstlichen Tod versetzen, bin ich einverstanden. Wie lange wird dieser Zustand denn anhalten?“

      „Vermutlich nur ein paar Tage, möglicherweise auch eine Woche. Anschließend werden wir dich wieder wecken. Wenn alles gut geht, bist du danach wieder gesund.“

      „Also, wenn es nach mir geht, bin ich einverstanden.“

      Auch seine Eltern willigten ein, obwohl sie rein rechtlich gar nichts dagegen hätten tun können, schließlich war Samuel bereits