„Hey!“, sagte Amandra, „du hast ja richtige Detektivarbeit geleistet!“
„Eine Theorie, Leute. Nur eine Theorie“, rief Cichianon dazwischen „wo ist der Zusammenhang mit der Entführung? Ich sehe das noch nicht.“
„Ich bin ja auch noch nicht fertig“, sagte Sinja. „Mir stellen sich jetzt nämlich ein paar Fragen. Hat Myriana eine Tochter? Wenn ja, wo ist sie?“
„Die Königin, eine Tochter?“, fragte Gamanziel. „Nicht, dass ich wüsste.
„Also lautet die Frage: wer hat wem den Dolch in die Hand gedrückt und wen soll die Arme damit ermorden?“, schlussfolgerte Amandra.
„Richtig!“, rief Sinja, „das ist es, was ich aus Myrianas Code herauslese. Es gibt eine Mutter, die von ihrer Tochter verlangt, einen anderen zu töten, der Blutsbande wegen und die Tochter findet das nicht gut. Wir wissen nur noch nicht, wer wer ist! Ist Königin Myriana die Tochter oder die Mutter?“
„Oder meint sie jemand ganz anderen damit?“, fragte Amandra.
„Meine Güte! Das klingt ja alles irgendwie logisch, was du erzählst“, sagte Gamanziel, „aber auch ganz schön unheimlich. Wenn ich mir vorstelle, dass Königin Myriana in ein Mordkomplott verwickelt sein soll? Also, ehrlich gesagt…ich weiß nicht. Ich kann mir das nicht vorstellen.“
„Nun ja“, meinte Amandra, „vielleicht ist sie ja auch die Tochter, von der ein Mord verlangt wird und nicht die Mutter, die ihn in Auftrag gibt. Das würde zumindest besser zu dem Bild passen, was ich von unserer Königin habe, aber wirklich vorstellen will ich mir das auch noch nicht. Myriana und Mord, das passt so oder so nicht zusammen.“
„Und vielleicht ist genau dass der Grund für ihr Verschwinden!“, rief Sinja.
„Wie meinst du das?“, fragte Emelda.
„Vielleicht wollte sie dieser Aufforderung zum Mord aus dem Weg gehen und…“
„Dann wäre sie Pamina!“, rief Amandra.
„Aber sie wurde doch entführt!“, erwiderte Emelda.
„Das ist zumindest die offizielle Version.“
„Hä?“ Ferendiano hatte komplett den Faden verloren. „Heißt das Sinja, du zweifelst jetzt sogar an der Entführung?“
„Ich sehe mir nur an, was wir bis jetzt sicher wissen und ihr müsst doch zugeben, dass diese Entführung einige Merkwürdigkeiten aufweist. Es ist überhaupt nicht klar, wie Myriana aus dem Schloss geschafft wurde und alles, was ich bisher dazu gesehen und gehört habe, klingt zumindest ziemlich exotisch, oder glaubt ihr an die Abseiltheorie?“
„Hm! Nicht wirklich!“, brummte Emelda nachdenklich und rieb sich mit dem Zeigefinger über ihr Kinn.
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„…und die Botschaft auf dem Spiegel – glaubt ihr wirklich, Myriana sitzt vor ihrem Kosmetikspiegel, ein Entführer kommt über den Balkon ins Zimmer und bevor die, zu Tode erschrockene Königin, die überhaupt nicht weiß, was mit ihr geschieht, gefangen genommen und über den Balkon aus dem Haus geschafft wird, hat sie noch die Zeit, in aller Seelenruhe eine Botschaft auf den Spiegel zu schreiben. Sie wusste genau, dass nicht die Männer den Spiegel öffnen würden, sondern wir. Also war die Botschaft für uns. Wir sollten sie finden und sonst niemand. Findet ihr das nicht seltsam? Diese ganze Entführung kommt mir vor, wie von einer schlechten Schauspieltruppe inszeniert!“
Cichianon schaute skeptisch.
„Sinja, meinst du nicht, dass du dich da in etwas reinsteigerst? Also ich habe kein gutes Gefühl bei dem, was du hier vorbringst. Sie ist immerhin unsere Königin.“
„Ich habe nur einige Tatsachen benannt, sonst nichts“, erwiderte Sinja, „bis jetzt habe ich noch gar keine Schlüsse daraus gezogen. Hast du denn eine Erklärung für diese ganzen Ungereimtheiten?“
„Nein“, antwortete Cichianon, „das habe ich nicht und wenn ich ehrlich bin, ist es genau das, was mich beunruhigt.“
„Gut! Ich bin wirklich gespannt, was heute in der Dunkelmitte passiert. Da soll ja dieser sogenannte Austausch stattfinden. Bis jetzt hat noch keiner nach meiner Geige gefragt. Aber lassen wir das erstmal. Mir ist noch etwas Anderes begegnet, was mindestens genauso merkwürdig ist.“
„Jetzt bin ich aber ganz Ohr!“, sagte Ferendiano, „was kommt denn jetzt noch?“
„Als ich nach den Noten gesucht habe, ist mir dieses kleine Buch in die Hände gefallen.“ Sinja zog, etwas umständlich eine kleine schmuddelig – braune Kladde unter ihrem Hemd hervor.
„Sinja“, rief Gamanziel entsetzt, als sie sah, was das Menschenmädchen in der Hand hatte. „hast du etwa ein Buch aus der Bibliothek geklaut?“
„Geklaut würde ich das nicht nennen“, erwiderte Sinja, „sagen wir mal, ich hab´ es….hmmm….ungenehmigt entliehen.“
„Warum hast du das gemacht?“
„Weil ich mir ziemlich sicher bin, dass Zabruda Menroy mich nicht noch einmal in die Bibliothek gehen lässt. So, wie er sich beim ersten Mal schon angestellt hat, wird er einen Grund finden, mir einen zweiten Besuch zu verweigern. Und, da ich keine Zeit mehr zum Lesen hatte, musste ich alles, was wichtig war, mitnehmen.“
„Weißt du, das auf Diebstahl von Kulturgütern in Fasolanda lebenslange Kerkerhaft steht?
„Jetzt weiß ich es, aber ich will es ja auch nicht behalten“, sagte Sinja, „sobald wir wissen, was wir wissen müssen, gebe ich das gute Stück sofort wieder an die Bibliothek zurück.“
„Was reizt dich denn so an diesem kleinen, dreckigen Ding, dass du dafür sogar lebenslangen Knast riskierst“, fragte Amandra. „Du kennst ja das Kerkerloch da unten mittlerweile und weißt, dass das kein Fünfsternehotel ist.“
„Ich will es dir sagen, Amandra“, antwortete Sinja. „Was ich hier in der Hand halte, ist das wahrscheinlich einzige erhaltene Original der Tagebücher von Wolfgang Amadeus Mozart. Der letzte Band. Er gilt in unserer Welt als verschollen. Mozart in seiner eigenen Handschrift! Versteht ihr, was das bedeutet?“
„Nee! Tut mir leid. Keine Ahnung, aber du wirst es uns sicher gleich erklären!“
Emelda konnte Sinjas Ergriffenheit in keiner Weise teilen. Für sie war das ein kleines, dreckiges Heft mit einem, völlig zerschlissenen Ledereinband, in das ein Mensch namens Mozart in krakeliger, schwer lesbarer Handschrift ein paar Sachen hineingekritzelt hatte. Na und?
„Der Mozart hat das hier in seiner eigenen Hand gehabt. Er hat das selbst geschrieben. Sein Schweiß ist auf dieses Papier getropft!“, begeisterte sich Sinja.
„Ja!“, meinte Emelda, „so sieht das Ding auch aus. Besser, er hätte etwas weniger getropft, dann könnten wir heute mehr davon entziffern! Man kann das Zeug ja kaum lesen, so verschmiert wie das ist.“
„Ach, Emmi, du bist unmöglich!“ Sinja drehte sich beleidigt zur Seite. „Begreifst du denn nicht, was das für uns heißt? Wir können hiermit den Meister selbst befragen. Er erzählt uns in seiner eigenen Schrift, in